Kleine Ausgaben im Alltag limitieren oder lieber auf das große Ganze fokussieren – darüber gibt es bei den persönlichen Finanzen unterschiedliche Ansichten. Wie viel du dir gönnen darfst, dafür gibt es zumindest Richtwerte.
Fünf Euro für einen Caffè Latte, sieben Euro für ein Pistaziencroissant, zehn Euro für einen Avocadotoast: Auf dem Weg zur Arbeit oder beim Treffen mit den Freund:innen fließt das Geld oft recht locker. Diese Kleinigkeiten im Alltag schlagen aufgrund der Teuerung heute mehr zu Buche als noch vor zwei Jahren. Müssen wir darauf verzichten?
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Frugal leben für finanzielle Freiheit
Den Wert eines Fünf-Dollar-Latte stellte der Finanzberater David Bach 2019 in seinem Buch „The Latte Factor” infrage. Seine Theorie: Die kleinen Ausgaben häufen sich über einen längeren Zeitraum so stark, dass sie den Vermögensaufbau bremsen. Wer auf den Kaffee auswärts verzichtet, könne sich langfristig Vermögen ansparen. Kauft man sich jeden Werktag einen Kaffee um fünf Euro, so kostet dies 1.255 Euro im Jahr – ein Betrag, der auch in einem Sparplan landen hätte können.
Verzicht, der reich macht, ist ein Aspekt, der sich im sogenannten Frugalismus wiederfindet. Hinter dem Begriff steckt das Bestreben, sparsam zu leben und auf Luxus zu verzichten. Aus dieser Lebensweise entstand in den vergangenen zehn Jahren die „FIRE”-Bewegung: „Financial Independence, Retire Early“ – finanzielle Freiheit und früh aus der Erwerbstätigkeit aussteigen. Menschen, die nach diesem Prinzip leben, haben eine Sparrate von mehr als 50 Prozent und investieren ihr Einkommen so, dass sie ab einem bestimmten Alter nicht mehr arbeiten müssten. Zum Vergleich: In Österreich lag die durchschnittliche Sparquote 2022 bei neun Prozent.
Ohne Schuldgefühle Geld ausgeben
Nicht alle Expert:innen können sich mit dieser Philosophie und dem „Latte Factor” anfreunden. Der Finanzberater Ramit Sethi, bekannt aus der Netflix-Serie „How to get rich“, verfolgt ein anderes Prinzip: Nicht jeden Groschen umdrehen, sondern sich auf das große Ganze konzentrieren. „Jeden Tag einen Latte zu kaufen, ist nicht der Grund, dass du das Gefühl hast, kein Geld zu haben.“ Sethi empfiehlt einen „bewussten Ausgabenplan“ statt eines detaillierten Haushaltsbuchs. Wer 20 bis 30 Prozent zur Seite legen kann, könnte laut dem Experten den Rest seines Einkommens frei von Schuldgefühlen ausgeben.
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Ähnlich sieht das die österreichische Finanzberaterin Larissa Kravitz: „Es ist wichtiger, den Hypothekarzinssatz und das Gehalt zu verhandeln, als auf den Kaffee zwischendurch zu verzichten. Eine optimierte Hypothek sind gleich mehrere tausende Kaffees”, sagt sie gegenüber der WZ. Gleichzeitig mache es Sinn, die täglichen Ausgaben zu durchleuchten und sich eine Strategie zu überlegen. „Ein Beispiel: Eine Freundin kocht jeden Abend etwas mehr, um ein Mittagessen am nächsten Tag fürs Büro zu haben. Die Essensgutscheine ihrer Firma nutzt sie dann für den Supermarkt. So spart sie pro Monat rund 150 bis 200 Euro, die sie dann auch anlegt.“
Spaß-Konto für mehr Lebensqualität
Wie viel Alltagsluxus kann man sich erlauben? „Ich halte ein Spaß-Konto von fünf bis zehn Prozent des Nettoeinkommens für Ausgaben, die zwar nicht nötig sind, aber einem schlichtweg Freude bereiten, für langfristig sehr sinnvoll. Einerseits, weil es das Risiko des vorzeitigen Ablebens gibt und andererseits, weil die Wahrscheinlichkeit, dass man den Vermögensaufbau frustriert aufgibt, wenn man sich gar nichts gönnt, viel höher ist”, erinnert Kravitz an das YOLO-Prinzip – you only live once.
Wichtig ist, die eigenen Ausgabenmuster zu kennen.Larissa Kravitz, Finanzberaterin
Beim Thema Frugalismus betont die als Investorella bekannte Finanzberaterin, zwischen Sparsamkeit und Deprivation (Entzug) zu unterscheiden: „Sparsamkeit ist, wenn man selbst kocht, statt Essen liefern zu lassen, bei größeren Anschaffungen den Preis verhandelt und Luxus limitiert, aber bewusst genießt. Deprivation ist, wenn man mit einer Dose Bier in der Hand neben dem Tisch steht, während die Freunde im Restaurant essen.“ Gehe man hier zu weit, könnte dieser Lebensstil soziale und psychische Auswirkungen haben – und diese könnten wiederum das Einkommen und die beruflichen Chancen limitieren. „Wichtig ist, die eigenen Ausgabenmuster zu kennen und sich dafür zielführende Strategien zu überlegen“, empfiehlt Kravitz.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner:innen
Larissa Kravitz, Finanzberaterin „Investorella“
Quellen
David Bach, „The Latte Factor“
Ramit Sethi, „Conscious Spending Plan”
Statistik Austria: Sparquote 2023