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Galtürs Fotograf: „Eine völlige Stille umgibt mich“

3 Min
Die Lawine von Galtür verschüttete Häuser und Menschen.
© Horst Konrad

Horst Konrad fotografierte die ersten Momente in Galtür nach dem Lawinenunglück im Jahr 1999. Seine Erinnerungen hat er für die WZ aufgeschrieben.


Horst Konrad macht uns von Anfang an klar, was wir von ihm haben können und was nicht. Wir, die WZ-Redakteur:innen Petra Tempfer und Bernd Vasari, wollen ihn für unsere fünfteilige Podcast-Doku „Galtür. Der weiße Tod" über das Lawinenunglück von 1999 interviewen. Doch Konrad will nicht aufgenommen werden. Mit einer energischen Handbewegung schiebt er das Mikrofon auf die Seite und sagt: „Schaut euch die Fotos an." Der ehemalige Fotograf des Bundesheeres hat die ersten Fotos des Lawinenunglücks von Galtür gemacht. Mehrere Stunden sind wir bei ihm, er reicht uns ein Foto nach dem anderen.

Und tatsächlich. Die Aussagekraft seiner Fotos ist so stark, dass es keiner Worte bedarf. Wir sehen die Zerstörungskraft der Lawine, die erschöpften Menschen, die mit meterlangen Sonden nach Verschütteten suchen, die Hubschrauber, mit denen die Tourist:innen aus Galtür evakuiert werden. Die Fotos, die Konrad damals gemacht hat, hat er uns zur Verfügung gestellt. Nun hat er uns auch einen Text geschickt, in dem er sich an die Momente und Tage nach dem Lawinenunglück erinnert:

„Der Hügel war ein Gebäude"

„Die ersten Schritte führen mich vom Hubschrauberlandeplatz durch die menschenleeren Gassen Galtürs. Am Lawinenkegel besteige ich, bei blauem Himmel, die höchste Erhebung, um einen Überblick über das Geschehen zu erhalten. Der Hügel war ein mit Lawinenschnee überlagertes Gebäude.

Mehrere Menschen suchen mit Sonden in den Schneemassen nach Überlebenden
Anfangs sind die Menschen in Galtür auf sich allein gestellt.
© Militärkommando Tirol/Horst Konrad
Evakuierte Personen im Schneefall
Die Evakuierung muss nach wenigen Stunden abgebrochen werden.
© Militärkommando Tirol/Horst Konrad

Die Augen nehmen einen unwirklich scheinenden großen, mit Neuschnee überzogenen, weißen Teppich wahr. Diese unwirklich erscheinende Fläche ist durch Erhebungen gestört und von dazwischenliegenden bunten Materialstrukturen unterbrochen. Mir kommt vor, als wären Minuten des Innehaltens vergangen! Eine völlige Stille umgibt mich. Aus der Ferne breitet sich die sofort zuordenbare Ton-Mischung der markant knatternden 212er (Hubschrauber, Anm. Redaktion) über die Talfläche aus.

Bevor die Suchmannschaft ankommt, durchstreife ich das örtliche Situationsgefüge, um das Geschehene aufzunehmen. Die Formveränderung von zerstörten Teilen der Gebäudestruktur lässt die aufgetroffene Gewalt der Schneemassen erahnen.

Die Schneise der Lawine aus der Vogelperspektive
Einen Tag später kommt es auch in Ischgl-Valzur zu einem Lawinenunglück.
© Militärkommando Tirol/Horst Konrad
Soldaten bei der Suche nach Verschütteten in den Schneemassen
Tagelang suchen die Helfer:innen nach Verschütteten.
© Militärkommando Tirol/Horst Konrad

Lärm breitet sich langsam am Lawinenkegel aus, und die ersten Helfer organisieren sich am Rand des Lawinenkegels. Die Lawinensuchgeräte werden eingeschaltet, die Schaufeln und Sonden für die Suche vorbereitet. Die Lawinenhundeführer betreten mit ihren Suchhunden den Lawinenkegel. Von den Suchsektoren nehme ich die nicht laut, aber bestimmend ausgesprochenen Kommandos

„Stich, Schritt, Stich"

wahr. Damit beginnt die großflächig angelegte Verschütteten-Suche. Diese wird in der Folge mit Maschinenkraft vom Ratrac (Pistenraupe, Anm. Redaktion) und von Baufahrzeugen unterstützt.

Ich beginne, dokumentarisch die Abläufe der Hilfeleistung bildlich festzuhalten. Während des Einsatzes vom 23. bis zum 27. Februar ergaben sich 46 Themenbereiche. Die Aufnahmen entstanden mit einem Nikon F 3 Gehäuse und lichtstarken (1:2,8) Nikon Festbrennweiten von 24 mm bis 180 mm. In die Kamera wurden 36 Kleinbildfilme eingelegt, davon 10 SW- und 26 CO-Filme. Der Auslöser wurde 1.215-mal betätigt."

Vizeleutnant Horst Konrad

Hubschrauber aus den USA werden zur Evakuierung eingesetzt
Die Rettungsaktion findet per Hubschrauber statt.
© Militärkommando Tirol/Horst Konrad
Pressekonferenz Galtür
Die erste Pressekonferenz in Galtür nach dem Unglück: Der damalige Bürgermeister Anton Mattle (r.), und der damalige Tiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner (2.v.r.) stellen sich den Fragen.
© Militärkommando Tirol/Horst Konrad

„Galtür. Der weiße Tod." ist ein fünfteiliger Dokumentar-Podcast der WZ zum Lawinenabgang von Galtür, den die WZ-Hosts Petra Tempfer und Bernd Vasari gestaltet haben. Die Folgen erscheinen von 16. Februar bis 15. März wöchentlich jeden Freitag auf wz.at und überall, wo es Podcasts gibt.


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Infos und Quellen

Genese

Wie konnte es so weit kommen, dass eine gigantische Lawine einen ganzen Ort verschüttete − und, dass sie niemand kommen sah? Wie gehen die Menschen, die damals dabei waren, heute damit um? 25 Jahre nach der Katastrophe von Galtür in Tirol wollten sich die WZ-Redakteurin Petra Tempfer und der WZ-Redakteur Bernd Vasari selbst ein Bild davon machen: Sie fuhren nach Galtür, Ischgl, Innsbruck und Imst, haben mit Betroffenen gesprochen und nach Antworten gesucht.

Gesprächspartner

Horst Konrad
Horst Konrad hat uns die ersten Fotos des Unglücks, die er gemacht hat, zur Verfügung gestellt.
© Militärkommando Tirol

Horst Konrad war mehr als 20 Jahre der Leiter der Bildstelle und Fotograf des Militärkommandos Tirol.

Daten und Fakten

Geographische Karte von Galtür im Westen Tirols.
© Illustration: WZ

Galtür ist eine Gemeinde mit aktuell rund 800 Einwohner:innen im Bezirk Landeck, Tirol (Google Maps).

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien