Die Bezirkshauptmannschaft Tulln leitet eine Untersuchung rund um das umstrittene Bauprojekt ein.
Das Bauprojekt Sonnenweiher in Grafenwörth (Bezirk Tulln) beschäftigt nun die niederösterreichischen Behörden. Die für Grafenwörth zuständige Gemeindeaufsicht – die Bezirkshauptmannschaft (BH) Tulln – will die Vorgänge um das Bauprojekt prüfen. „Wir fordern von der Gemeinde eine Stellungnahme und die Übermittlung sämtlicher Protokolle und Gemeinderatsbeschlüsse betreffend Sonnenweiher“, sagt Renate Giller-Schilk, Stellvertreterin des Bezirkshauptmanns in Tulln.
In Grafenwörth werden über 200 Einfamilienhäuser an einem künstlichen See gebaut. Bürgermeister und Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl ist in das Projekt involviert. Der Bau ist nach Recherchen der WZ durch die Umwidmung und den Verkauf von Grundstücken sowie eine im Gemeinderat beschlossene Verschiebung der Katastralgemeindegrenzen ermöglicht worden. Am 5. Juli 2018 hat der Gemeinderat Grafenwörth, in dem die ÖVP eine absolute Mehrheit hat, unter dem Vorsitz von Riedl einstimmig eine Änderung der Katastralgemeindegrenze zwischen Seebarn und Grafenwörth beschlossen – das Protokoll liegt der WZ vor.
Neos und Grüne im niederösterreichischen Landtag werfen Riedl Amtsmissbrauch und Befangenheit vor. Riedl weist die Vorwürfe zurück.
Vorwurf der Befangenheit
Da Riedl bei der Gemeinderatssitzung im Juli 2018 anwesend war, orten die Grünen Befangenheit. „Er hätte den Sitzungssaal verlassen müssen“, sagt Helga Krismer, Landessprecherin der Grünen Niederösterreich. Sie sieht einen Verstoß gegen die NÖ-Gemeindeordnung. Demnach sind Bürgermeister:innen von der Beratung und Beschlussfassung über einen Verhandlungsgegenstand ausgeschlossen, an denen sie selbst beteiligt sind. „Im Verfahren ist das ein schwerwiegender Formalfehler“, sagt Krismer. Aus ihrer Sicht sei der Gemeinderatsbeschluss „null und nichtig“.
Gegenüber der „ZiB2“ hielt Riedl in einer schriftlichen Stellungnahme fest, dass mit der Verschiebung der Katastralgemeindegrenze keine Befangenheitsgründe entstehen bzw. entstanden sind. Es habe sich um einen generellen Rechtsakt gehandelt, „der lediglich eine Verwaltungsvereinfachung zum Ziel hatte.“
Die Entscheidung liegt nun bei der BH Tulln. Sie kann bei einem Verstoß den Gemeinderatsbeschluss aufheben. Die Chancen dafür sind allerdings gering. Denn der Beschluss der Gemeinde liegt schon mehr als drei Jahre zurück. Eine Aufhebung ist dann nicht mehr zulässig, heißt es in der Gemeindeordnung.
Die Neos sehen überdies das Land Niederösterreich in der Pflicht. Die Partei hat zwei Anfragen – an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und den Landesrat für Finanzen, Ludwig Schleritzko (beide ÖVP) – in den niederösterreichischen Landtag eingebracht. Neos will wissen, wer das Gutachten in Auftrag gegeben hat und wer für die Genehmigung des Sonnenweiher-Projekts politisch verantwortlich war. Die Frist für die Beantwortung beträgt sechs Wochen.