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Gemeindevorstand von Schildorn verdiente mit Gemeindegrund

6 Min
Der Gemeindevorstand von Schildorn verdiente mit Kauf und Verkauf einer öffentlichen Wiese.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

Der ÖVP-Fraktionsobmann und Gemeindevorstand von Schildorn kaufte der Gemeinde eine kommunale Wiese ab – und verkaufte sie um mehr als das Doppelte weiter. Er verdiente 142.000 Euro damit.


Als Gemeinderat wirst du nicht reich. Für stundenlange Sitzungen gibt es nur eine kleine Entschädigung. Die Leute machen den Job aus Engagement, sie wollen mitgestalten, sie übernehmen Verantwortung. Wegen dem Geld macht das niemand.

Nur manchmal machen Gemeinderäte in so einer Sitzung das Geschäft ihres Lebens. Einer dieser seltenen Fälle geschah am Abend des 21. April 2022, es war ein Donnerstag. Die Geschichte des Glücksgriffs ist gut dokumentiert – in Protokollen, Ansuchen, Grundbuchauszügen, Kaufverträgen. Wir haben sie aufgeschrieben. Sie spielt in Schildorn.

Schildorn ist ein verschlafenes Nest im oberösterreichischen Innviertel. Zwischen einem Mosaik aus Feldern liegt ein Häuserhaufen um eine Pfarrkirche. 1.318 Menschen leben hier. Im Wirtshaus gibt es ein Bratl in der Rein, am Sportplatz kickt der SV Schildorn, im Kobernaußerwald gehen die Leute spazieren. Im Gemeinderat hat die ÖVP das Sagen. 69 Prozent der Stimmen bekam die Volkspartei bei der Gemeinderatswahl im Herbst 2021. Zehn von 13 Sitzen sind türkis.

Ein engagierter Mann

Einer der zehn türkisen Gemeinderäte ist Gerald Schauer-Weiß. Schauer-Weiß ist ein engagierter Mann. Er sitzt im Gemeindevorstand, ist Obmann der ÖVP-Fraktion und Obmann des ÖVP-Arbeitnehmer:innen-Bundes (ÖAAB) von Schildorn. Fünf Jahre war er Geschäftsführer der Bezirks-ÖVP Ried. In der Trachtenkapelle Kirchheim bläst er die Posaune. Im Brotjob arbeitet er bei der Gebäudereinigungs-Firma DUOrein.

Und im Gemeinderat verdient sich Schauer-Weiß etwas dazu. Einmal sogar einen ganzen Haufen Geld. Er kaufte der Gemeinde eine Wiese ab und verkaufte sie kurz darauf um mehr als das Doppelte weiter.

Im März 2022 artikulierte er sein Interesse erstmals in einem Brief an Bürgermeister Wolfgang Moser (ÖVP). „Lieber Wolfgang“, schreibt Schauer-Weiß, bevor er um einen Kauf der Gründe ansucht. Das Ansuchen schaffte es prompt in den Gemeinderat. Nur einen Monat später – in der besagten Sitzung vom 21. April – stimmten die Schildorner Kommunalpolitiker:innen über den Verkauf der Fläche an ihren Gemeindevorstand ab. Schauer-Weiß erklärte sich für befangen und verließ den Raum. Elf Hände von elf anwesenden Gemeinderät:innen gingen nach oben. Der Verkauf war beschlossen. Eine öffentliche Ausschreibung gab es nicht.

Große Pläne

Am 28. Juni 2022 besiegelten Bürgermeister Moser und Schauer-Weiß den Kaufvertrag. 94.800 Euro bekam die Gemeinde für das Grundstück, 60 Euro pro Quadratmeter. Die Schildorner:innen besaßen eine Wiese weniger, Gemeindevorstand Schauer-Weiß eine Wiese mehr.

Eine Wiese in bester Lage, einen Steinwurf von der Kirche entfernt, mitten im Zentrum der Gemeinde. Ein 1.580 Quadratmeter großer Grund, angeschlossen an Kanal-, Wasser- und Stromnetz. Prädestiniertes Bauland mit Baulandwidmung.

Bauen wollte auch Schauer-Weiß. Zwei weitere Flächen neben der Wiese gehörten ihm bereits. Er hatte sie im März 2022 von Privatpersonen gekauft – um ebenfalls 60 Euro pro Quadratmeter. Zehn Reihenhäuser schwebten Schauer-Weiß und seinem Partner, einem Bauträger, vor. Der Gemeinde versprach er leistbaren Wohnraum. Das Projekt würde das Ortszentrum beleben. Im Protokoll des Gemeinderats hielt der Schriftführer fest, dass es ein Vorkaufsrecht für die Menschen im Ort geben soll und „einheimische Firmen“ mit den Arbeiten beauftragt werden. Bis Ende 2024 sollten die Häuser fertig sein.

Der doppelte Preis

Sind sie nicht. Bis heute liegt die Wiese brach. Schauer-Weiß hat hier nichts gebaut. Er hat die Wiese weiterverkauft. Sechs Monate, nachdem er der Gemeinde den Grund abgekauft hatte, stieß er ihn wieder ab – um 150 Euro pro Quadratmeter.

Käuferin war die Gemeinnützige Wohn- und Siedlergemeinschaft (WSG). Sie zahlte Schauer-Weiß 428.850 Euro für insgesamt 2.859 Quadratmeter Land. Davon waren 237.000 Euro für die einst kommunale Wiese. Schauer-Weiß verdiente 142.000 Euro.

Der Deal wirft Fragen auf. Warum hat die Gemeinde nicht direkt an die WSG verkauft? Warum brauchte es den Zwischenhändler Schauer-Weiß? Warum floss Geld in die Tasche des Gemeindevorstands?

Ich wollte für die Gemeinde bauen.
Gemeindevorstand Gerald Schauer-Weiß

Schauer-Weiß sieht sich weder als Zwischenhändler noch habe er sich bereichert. „Ich wollte hier Reihenhäuser für die Gemeinde bauen, denn die Gemeinde hatte kein Geld und es tat mir leid, dass viele junge Familien wegzogen“, sagt er zur WZ. „Ich wollte gemeinsam mit der Firma MKAW Immobilien eine eigene Firma gründen, um das Projekt zu entwickeln. Ich habe Gutachten erstellen lassen, habe gemeinsam mit der Gemeinde ein Konzept entwickelt und Pläne zeichnen lassen. Das alles war viel Arbeit und kostete Geld.“ Schließlich habe er an die WSG verkauft, weil sie sein Konzept übernehmen wollte. Die WSG habe also nicht nur für die Wiese bezahlt, sondern auch für Idee, die Pläne und die Vorarbeiten, erklärt er seinen Gewinn. „Viel ist mir nicht geblieben“, sagt er.

Die WSG bestätigt, die Pläne nur „geringfügig adaptiert“ zu haben. Ihr wäre das Grundstück von einem Makler angeboten worden, heißt es in einem Statement gegenüber der WZ. „Über die Vorgänge vor unserem Kauf hatten wir keine Information.“ Dass das Grundstück wenige Monate vorher um weniger als die Hälfte über den Tisch ging, hätte die WSG also nicht gewusst.

Die ahnungslose Opposition

Und die Gemeinde nicht, dass sie es der WSG teurer hätte verkaufen können. „Zum Zeitpunkt des Verkaufes war von der WSG oder anderen Bauträgern keine Rede“, beantwortet Bürgermeister Moser eine Anfrage der WZ. Für eine öffentliche Ausschreibung hätte es keinen Grund gegeben. „Das Projekt wurde von Herrn Schauer-Weiß vor dem Gemeinderat präsentiert und einstimmig für gut befunden“, sagt er. Auch die Opposition war dafür.

Dass Schauer-Weiß die Gründe längst weiterverkauft hat, ging an der Opposition bis heute vorbei. Wir haben mit zwei von drei Oppositionspolitiker:innen von Schildorn gesprochen. Beide wussten nichts davon. „So etwas tut man nicht“, sagt FPÖ-Gemeinderat Peter Lettner knapp.

Gemeinderät:innen dienen der Gemeinde. Sie engagieren sich für die Gemeinschaft, wollen mitgestalten. Sie sitzen stundenlang in Sitzungen und bekommen nur eine kleine Entschädigung dafür. Und manchmal ein bisschen mehr.


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Infos und Quellen

Update

Bei Veröffentlichung stand im Artikel, dass Gerald Schauer-Weiß Obmann der ÖVP-Schildorn sei. Das ist nicht richtig. Schauer-Weiß ist Fraktionsobmann der ÖVP-Schildorn. Wir haben das korrigiert.

Genese

Ein Bürger aus Schildorn meldete sich bei uns. Es geht um ein Grundstücksgeschäft in seiner Gemeinde, das ihm merkwürdig vorkam. Er erzählt von einem „Deal“, der auf Kosten der Gemeindebürger:innen und zugunsten eines Gemeindevorstands „abgesegnet“ wurde.

Gesprächspartner:innen

  • Wolfgang Moser, Bürgermeister Schildorn, ÖVP

  • Gerald Schauer-Weiß, Gemeindevorstand, ÖVP

  • Gemeinderät:innen aus Schildorn

  • Stefan Hutter, Vorstandsobmann WSG Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgemeinschaft

Daten und Fakten

Der durchschnittliche Preis für einen Quadratmeter Baugrund in Schildorn beträgt laut Statistik Austria 48 Euro (Stand: Mai 2024).

Quellen

  • Kaufverträge

  • Grundbuch-Auszüge

  • Baubescheid

  • Vermessungsurkunde und Teilungsplan

  • Bebauungsplan

  • Flächenwidmungsplan

  • Gemeinderats-Protokolle

  • Schildorner Gemeindeblatt

  • Gemeinderatswahlen Oberösterreich 2021

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