Über die psychische Belastung der Generation Z in turbulenten Krisenzeiten.
Zahlt es sich überhaupt noch aus, zu studieren und sich eine Zukunft vorzustellen? Diese Frage stellt sich die Studentin Theresa immer wieder in einer Zeit, die von multiplen Krisen wie dem Ukrainekrieg, dem Nahostkonflikt und dem Klimawandel geprägt ist. “Es ist ein sehr mulmiges Gefühl”, gibt die 22-Jährige zu, und drückt damit das Unbehagen vieler junger Menschen aus, die sich mit einer unsicheren Zukunft konfrontiert sehen.
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Diese pessimistische Sichtweise belegt auch die Jugendstudie 2022 der TUI-Stiftung. So denken 52 Prozent der befragten 16- bis 26-jährigen Europäer:innen, dass es ihnen schlechter gehen wird als ihren Eltern. Österreich wurde nicht in die Erhebung einbezogen, doch auch hierzulande gibt es bedenkliche Entwicklungen innerhalb derselben Altersgruppe. Welche, zeigt der Demokratie Monitor 2023: Bei mehr als einem Drittel hat sich die finanzielle Lage aufgrund der hohen Inflation verschlechtert, während das Vertrauen in die Demokratie stark abgenommen hat. Nur noch etwa die Hälfte der jungen Menschen glaubt, dass das politische System gut funktioniert, im Vergleich zu zwei Dritteln im Jahr 2018.
“Dieser Entwicklung muss entgegengesteuert werden”, meint Sabir Ansari, Vorsitzender der Bundesjugendvertretung (BJV). Er denkt dabei schon an die Nationalrats- und Europawahl 2024: “Für die Anliegen der Jugend braucht es spätestens jetzt mehr Priorität, sonst wird es schwierig, sie zu motivieren, zur Wahl zu gehen.”
Jugendliche in psychischer Not
Die gegenwärtigen Krisen haben nicht nur Auswirkungen auf finanzielle Aspekte und das Vertrauen in die Politik, sondern hinterlassen auch alarmierende Spuren in der psychischen Gesundheit junger Menschen, die sich mitten im Prozess der Identitätsfindung befinden. “Wir sehen eine ungebrochen hohe Nachfrage nach akutpsychiatrischer Versorgung vor allem im Bereich von Suizidversuchen, ebenso erleben wir eine deutliche Zunahme an Jugendlichen, die unsere Hilfe nach Drogenkonsum aufsuchen”, sagt Paul Plener, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH, gegenüber der WZ.
Ansari weiß noch einen weiteren Grund: „Jugendliche bekommen Nachrichten über soziale Medien häufig unzensiert und ohne vorherigen Faktencheck. Das ist vor allem bei Bildern und Videos über kriegerische Auseinandersetzungen ein großes Problem, da die oft verstörenden Inhalte die psychische Gesundheit junger Menschen noch einmal zusätzlich gefährden."
Angesichts dieser Entwicklungen fordert die BJV eine Neuausrichtung politischer Prioritäten, etwa dass die Regierung bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode eine Vereinbarung zur schrittweisen Erhöhung der Therapieplätze auf Kosten der Krankenkasse trifft, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Zudem betont sie die Notwendigkeit von mehr Ressourcen in der Jugendarbeit sowie eines Ausbaus der psychosozialen Unterstützung in Bildungseinrichtungen. “Es sollte mehr thematisiert werden, dass solche Themen junge Menschen belasten. Ich würde mir Psychologen wünschen, die nicht ganz so teuer sind”, meint Theresa.
Parallelen zur Zwischenkriegszeit
Der Appell an zeitgemäße Lösungen wirft jedoch die Frage auf, ob es historische Parallelen gibt, die dabei helfen können, die heutigen Herausforderungen besser zu verstehen. Ein Blick in die Vergangenheit kann Perspektiven eröffnen, um die Gegenwart angemessen einzuordnen.
“Wir stehen momentan an einer Zeitenwende”, sagt Barbara Stelzl-Marx, Zeithistorikerin an der Universität Graz und Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, im Interview mit der WZ. Für die aktuelle Lage junger Menschen in Österreich zieht sie einen Vergleich zur Zwischenkriegszeit, die von “extremen sozialen Herausforderungen” geprägt war. “Die junge Generation der Zwischenkriegszeit hatte kaum Zukunftsperspektiven. Sie war in einer sehr prekären Situation, wodurch es zu einer gewissen Radikalisierung gekommen ist und sie sich diversen ideologischen Gruppierungen angeschlossen hat.”
Stelzl-Marx betont weiters, dass es zu dieser Zeit eine „sehr radikalisierte politische Arena“ sowie eine „sehr große Macht“ der Medien gab.
Junge Menschen als aktive Akteure in der Gesellschaft
Der Zukunftsforscher Klaus Kofler betont die Notwendigkeit, der jungen Generation mehr zuzutrauen und sie in die Gesamtverantwortung zu nehmen, um eine bessere und schnellere Entwicklung neuer Zukunftsbilder zu ermöglichen. “Das größte Übel sehe ich in dieser Klassifizierung alt oder jung, Boomer oder Generation Z. Zukunftsarbeit funktioniert nicht mehr nach dem Prinzip ‘entweder-oder’. Was es braucht, ist ein ‘sowohl als auch’.”
Laut Plener sei es jedenfalls verfehlt, die Jugend aufgrund ihres sinkenden Vertrauens in die Politik als apolitisch oder desinteressiert zu diskreditieren. “Jugendliche und junge Erwachsene stehen sehr aktiv für ihre Anliegen ein und verschaffen sich hier auch entsprechendes Gehör. Das ist zwar mitunter unbequem, aber doch sehr ermutigend.”
Trotz der turbulenten Zeiten behält die 22-jährige Studentin Theresa einen Hoffnungsschimmer für die Zukunft. “Man muss irgendwo positiv denken und daran glauben, dass die Weltlage wieder besser wird. Aber es müssen einfach alle zusammenhelfen, wenn es zum Beispiel um die Klimakrise geht.”
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Infos und Quellen
Genese
In einer Zeit, die geprägt ist von tiefgreifenden Veränderungen und beispiellosen Herausforderungen, liegt die Motivation der Autorin dieses Artikels darin, die Unsicherheiten und Ängste junger Menschen zu erfassen, und auf die Notwendigkeit von gesellschaftlichem und politischem Engagement hinzuweisen. Die vielschichtigen Krisen, angefangen bei Corona und dem Ukrainekrieg bis hin zu globalen Umweltproblemen, spiegeln sich in den Zweifeln und Fragen wider, die sich insbesondere bei der Generation Z manifestieren. Diese Generation steht vor der Herausforderung, nicht nur individuelle Zukunftspläne zu schmieden, sondern langfristig mit den Folgen der aktuellen Krisen zu leben.
Gesprächspartner:innen
Theresa: 22-jährige Studentin
Barbara Stelzl-Marx: Zeithistorikerin an der Universität Graz und Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung
Sabir Ansari: Vorsitzender der Bundesjugendvertretung (BJV)
Paul Plener: Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH
Klaus Kofler: Zukunftsforscher
Quellen
TUI-Stiftung: Jugendstudie 2022
Demokratie Monitor 2023: Junge Menschen & Demokratie in Österreich 2023
Das Thema in anderen Medien
derstandard.at: Warum Krisen Jugendliche oft am härtesten treffen
zeit.de: Trendstudie "Jugend in Deutschland": Krisen belasten vor allem junge Menschen
vol.at: Wie sich die Krisen auf die psychische Gesundheit von jungen Menschen auswirken
wdr.de: Leben in der Krise: Wie junge Menschen in die Zukunft sehen