Die Stadt Wien verkaufte ein kommunales Grundstück an den Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes, Thomas Weninger. Der verdiente 290.000 Euro damit.
Der Auslöser klickt. Die Fotografin hat zwei moderne Wohn-Kuben im Fokus. Ihre Bilder sollen die Häuser in der Broschüre des Bauträgers bewerben. Wie Renderings thronen sie auf einem Südhang im Wiener Bezirk Penzing, die spektakulären Terrassen schauen auf die Dächer der Stadt. Der Grund, auf dem die Häuser stehen, gehörte vor wenigen Jahren noch den Bürger:innen der Stadt. Die Fläche war kommunaler Besitz der Stadt Wien, nun verkauft eine Bauträgerin hier Eigentumswohnungen.
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Doch auch ein hoher Beamter verdiente mit der Immobilie viel Geld. Thomas Weninger – Generalsekretär des Österreichischen Städtebunds, ehemaliger Chef der Wiener MA 27 (Europäische Angelegenheiten), Vertrauter von Bürgermeister und Städtebund-Präsident Michael Ludwig (SPÖ) – kaufte der Stadt das Grundstück ab, und verkaufte es teurer weiter.
Die Spekulations-Geschichte des Grundstücks am Flötzersteig 225 beginnt am 18. Jänner 2011, wie die WZ gemeinsam mit Ö1 recherchierte. Unter der vergoldeten Decke eines Sitzungssaals im Wiener Rathaus tagt der Stadtsenat. Der damalige Wohnbaustadtrat und heutige Bürgermeister, Michael Ludwig, referiert – laut Protokoll der Sitzung – die Anträge seines Ressorts. Er bringt den Verkauf der besagten Liegenschaft an Thomas Weninger und dessen Frau Regina Buchinger zur Abstimmung. Der Antrag wird einstimmig angenommen. Acht Tage später segnet der Wiener Gemeinderat das Geschäft ab.
Weninger verdient 290.000 Euro
Am 11. März 2011 unterfertigen eine Vertreterin der Stadt Wien, Weninger und Buchinger den Kaufvertrag. Er liegt der WZ vor. 370.000 Euro zahlte Weninger für 1.503 Quadratmeter am Penzinger Flötzersteig. Er nutzte den Baugrund nie privat. Gegenüber der WZ und Ö1 schreibt Weninger in einem Statement, dass er den Grund erworben hätte, „um darauf ein Einfamilienhaus zur Eigennutzung zu errichten“. Dazu kam es nicht, das Grundstück lag sechs Jahre brach.
Am 7. Juni 2017 war es der Prisma Zentrum für Standort- und Stadtentwicklung GmbH 660.000 Euro wert. Auch dieser Kaufvertrag liegt der WZ vor. Weninger verdient 290.000 Euro mit dem Weiterverkauf eines einst kommunalen Grundstücks, das entspricht einer Wertsteigerung von knapp 80 Prozent. Laut Weninger handelte es sich um „ein marktübliches Angebot“, welches er angenommen hätte. Im Immobilienpreisspiegel der Wirtschaftskammer (WKO) stiegen die Baupreise in Penzing im gleichen Zeitraum um rund 20 Prozent.
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Hat die Stadt zu billig verkauft?
Hat die Stadt zu günstig an Weninger verkauft – und warum hat sie das Geschäft nicht selbst gemacht? Wir haben bei der MA 69 (Immobilienmanagement) nachgefragt. „Da der Liegenschaft keine übergeordnete kommunale Aufgabe zukam, wurde sie zur Verwertung freigegeben“, antwortet die Abteilung.
Im Jahr 2008 wäre es in einem Bieterverfahren der Öffentlichkeit angeboten worden. Laut Magistrat wollte die Stadt mindestens 490.000 Euro für den Grund am Flötzersteig. Doch „es kam kein Verkauf zu Stande“. Niemand hätte den Preis zahlen wollen. Deshalb verkaufte die Stadt direkt an Weninger – um 120.000 Euro unter der ursprünglich festgesetzten Preisuntergrenze. Der Direktverkauf würde auf einem Gutachten basieren, heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ). Die Stadt Wien will das Gutachten nicht herausgeben, es sei aus Gründen des Datenschutzes unter Verschluss. Das Büro von Bürgermeister Ludwig beantwortet keine unserer Fragen.
Die Aussicht auf Umwidmung
Weningers hohe Gewinnspanne könnte aber noch einen anderen Grund gehabt haben. Er wird im Kaufvertrag mit der Prisma GmbH aus dem Jahr 2017 erwähnt: „Festgehalten wird, dass von den Verkäufern hinsichtlich der vertragsgegenständlichen Liegenschaft ein Umwidmungsantrag eingereicht wurde”, heißt es in einem Unterpunkt des Dokuments. Weninger hatte eine Umwidmung bei der Stadt also bereits angestoßen – und damit die Aussicht auf eine Wertsteigerung der Liegenschaft. Eine diesbezügliche Anfrage beantwortet Weninger nicht.
Die Erwartung sollte sich zwei Jahre später erfüllen. Am 26.6.2019 wurde die Umwidmung des Grundstücks – im Zuge eines größeren Umwidmungsverfahrens der ganzen Nachbarschaft – im Wiener Gemeinderat beschlossen. Die Bauklasse (Wohngebiet) blieb gleich, doch die sogenannten Baufluchtlinien wurden erheblich erweitert – mit dem Effekt einer fast verdoppelten Baufläche. „Im gegenständlichen Baublock wurden im Sinne einer sanften Nachverdichtung sowie auch zur Vereinheitlichung der baulichen Ausnutzbarkeit zahlreiche Anpassungen der Baufluchtlinien vorgenommen”, heißt es von der zuständigen MA 21 (Flächenwidmung).
Erst diese Expansion machte die Immobilie für die Bauträger:in interessant. Erst jetzt konnte ein Mehrparteienhaus realisiert werden. Laut MA 21 war Weninger nicht in das Widmungsverfahren involviert. Politische Interventionen hätte es keine gegeben.
Hosenträger zum 60er
Heute stehen zwei weißen Kuben am Flötzersteig. Die Prisma GmbH vermarktet die Immobilie mit dem klingenden Namen „floe 225“. Zwei Häuser weiter baute sie das „floe 233“ auf dem Grund eines ehemaligen Kleingartens. Am Straßenrand vor den Neubauten parkt ein Jaguar neben einem Mercedes. Hier verschmilzt die Stadt mit ihrem Umland, Mehrfamilienhäuser stehen neben Architekt:innen-Villen und Kleingartenhütten. Es herrscht Land-Flair, Kinder hüpfen auf einem Trampolin in einem Vorgarten. Die Wasseroberfläche eines Swimmingpools glänzt in der Herbstsonne. In der Nachbarschaft wohnt die Oberschicht. Das Haushaltseinkommen ist hoch, die Akademiker:innenquote auch. Die Gegend ist begehrt, denn sie ist gut an das Zentrum angebunden und nahe dem Erholungsgebiet Wienerwald. Ein fruchtbarer Boden für Immobilienentwickler:innen und Spekulant:innen.
Auch die Privatperson Thomas Weninger profitierte von der Gegend und dem Umgang der Stadt mit kommunalem Grund. Er ist ein bekannter Mann in der Wiener Stadtverwaltung. 2003 und 2004 war Weninger Leiter des Referats „Wissensmanagement und Koordination“ in der Magistratsdirektion, Ende 2004 wurde er Chef der MA 27. 2006 wechselte Weninger in den Österreichischen Städtebund, dessen Präsident Bürgermeister Ludwig ist. Als Generalsekretär führt er die Geschäfte des Bundes. Sein Büro ist im Wiener Rathaus, zu Ludwig hat er ein gutes Verhältnis: Zum 60er überreichte er dem Bürgermeister Hosenträger im Städtebund-Design.
Weninger ist auch beruflich im Immobiliengeschäft. Seit 2021 betreiben er und seine Frau die TLG 3 Immobilien KG. Ein erfolgreicher Mann, der sich sogar Obersenatsrat nennen darf. In die höchste Dienstklasse der Stadt Wien beförderte ihn der Stadtsenat – jenes Gremium, dass auch den Verkauf des Grundstücks am Flötzersteig an Weninger beschloss. Unter der goldenen Decke werden goldene Deals gemacht.
Weitere Recherchen der Autoren zu Grundstücksdeals in Wien
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Infos und Quellen
Genese
Nach unseren Recherchen zur Kleingarten-Causa der SPÖ Wien erreichte uns eine E-Mail eines Lesers. Er macht uns auf ein Grundstück am Flötzersteig in Penzing aufmerksam. Der Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes, Thomas Weninger, soll es vor Jahren günstig von der Stadt Wien gekauft haben.
Gesprächspartner:innen
Thomas Weninger, Generalsekretär des Städtebundes
Kathrin Gaál, Amtsführende Stadträtin für Wohnbau
Prisma Zentrum für Standort- und Regionalentwicklung GmbH
MA 21A, Abteilung Stadtteilplanung und Flächenwidmung
Fachverband Immobilien- und Vermögenstreuhänder, Wirtschaftskammer Österreich
Quellen
Grundbuch
Kaufverträge
Fachverband Immobilien- und Vermögenstreuhänder, WKO: Auswertung der Grundstückspreise für Einfamilienhäuser für Wien-Penzing (2005-2023)
Das Thema in anderen Medien
oe1.orf.at: Goldener Grundstücks-Deal im Wiener Rathaus
wien.orf.at: Kleingarten: Erneut Vorwürfe im SPÖ-Umfeld
kurier.at: Lukrativer Grundstücksdeal von Städtebund-Generalsekretär im Visier
diepresse.com: Grundstück-Deals im SPÖ-Umfeld: Der nächste Fall
derstandard.at: Wiener Gemeinderat diskutierte über Kleingärtendeals