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Hilft uns CO2-Speicherung in der Erde, das Klima zu retten?

8 Min
Mit Carbon Capture wird Kohlendioxid aus Kraftwerksschornsteinen abgeschieden, verflüssigt und in Gestein gepumpt, wo es dauerhaft gelagert werden kann. Wirklich nachhaltig ist das aber nicht.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

Um die Erderwärmung in den Griff zu bekommen, soll Kohlendioxid künftig verstärkt tief in der Erde gelagert werden. Doch das Verfahren hat einige Tücken.


Die globale Erwärmung und der Klimawandel sind zwei der dringlichsten Probleme der Menschheit. Eine der Hauptursachen für die Erderwärmung ist die Emission von Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Neben der Reduktion des Ausstoßes wird seit Jahren überlegt, CO2 mithilfe von „Carbon dioxide capture and storage“ (CCS) unter der Erde einzuschließen. Wie das funktioniert, lest ihr hier.

Was ist CCS?

Carbon dioxide capture and storage“ (CCS), auf Deutsch CO2-Abscheidung und -Speicherung, bezeichnet ein aufwendiges technisches Verfahren, mit dem Kohlendioxid (CO2) aus der Luft oder direkt an Quellen industrieller CO2-Emissionen, etwa in Kohle- oder Gaskraftwerken, in der Öl- und Stahlindustrie oder in Zementwerken, gefiltert, aufbereitet und zu einer unterirdischen Speicherstätte transportiert wird. Dort wird es langfristig eingelagert.

Wie funktioniert CCS?

Das abgeschiedene und eingefangene CO2 wird von anderen Abgasen und Verschmutzungen gereinigt. Das gasförmige Kohlendioxid wird auf unter 31 Grad gekühlt und unter Druck verflüssigt. Dadurch entsteht eine farblose Flüssigkeit mit einer vergleichbaren Dichte von Wasser. Diese wird per Schiff, Lkw, Bahn oder Pipeline zur endgültigen Lagerstätte gebracht. Das muss eine gasdichte geologische Formation sein, wie saline Aquifere (poröse salzwasserführende Gesteinsschichten an Land oder unter dem Meeresgrund), ausgebeutete Erdöl- und Erdgasfelder oder Kohleflöze.

Wie sicher ist das Lagern von CO2 in der Erde?

Leere Öl- oder Gasfelder gelten als sicher; Expert:innen schätzen, dass im Zeitraum von 1.000 Jahren mindestens 99 Prozent der eingelagerten CO2-Mengen verbleiben. Auch saline Aquifere werden als weitgehend sicher eingeschätzt, Probleme mit entweichendem Kohlendioxid können allerdings durch alte Bohrlöcher in der näheren Umgebung entstehen. Ein Forschungsprojekt des Deutschen GeoForschungszentrums (GFZ) Potsdam im deutschen Ketzin zeigte, dass eine CO2-Lagerung an Land funktionieren kann: Die CO2-Einspeisung erfolgte von Juni 2008 bis August 2013 und wurde von einem umfangreichen Überwachungsprogramm begleitet. Nach Beendigung des Projektes war die gesamte in den Boden gepresste Menge von 67.000 Tonnen CO2 unverändert.

Was passiert, wenn der Speicher doch undicht wird?

Tritt Kohlendioxid aus salinen Aquiferen aus, übersäuern der umliegende Meeresboden und das Meer selbst, was Auswirkungen auf die dort lebenden Organismen hat; laut Forschungen des deutschen Helmholtz-Institutes allerdings nur in einem geringen Radius. Bei Undichtheiten in ehemaligen Öl- oder Gasfeldern verbleibt ein Teil des CO2 im Boden, der dann ebenso wie der Meeresboden übersäuert. Außerdem kann es die Qualität des Grundwassers beeinflussen. Das Kohlendioxid, das in die Atmosphäre gelangt, kann – je nach Menge – wiederum die Erderwärmung antreiben.

Welche Länder haben Erfahrung mit CCS?

Norwegen gilt als Vorreiter beim CCS. Seit 1996 speichert das Land CO2 unterhalb des Meeresbodens, und zwar im Sleipner-Gasfeld, 260 Kilometer westlich der norwegischen Küste. Dort wird verflüssigtes CO2 in eine poröse Sandgesteinsschicht in rund 1.000 Metern Tiefe gepumpt. Beim Northern-Lights-Projekt soll das CO2 mit Schiffen an ein Terminal nördlich von Bergen angeliefert werden. Von dort aus wird es über Pipelines 100 Kilometer vor die Küste transportiert, wo es in 2.400 Metern Tiefe gelagert werden soll. Die erste Phase des Projekts soll Mitte 2024 abgeschlossen sein.

In Island wird CO2 sowohl aus der Luft als auch aus Industrieabgasen eingefangen. In Hellisheiði, rund 30 Kilometer südöstlich von Reykjavik, wird Kohlendioxid aus Kraftwerksschornsteinen abgeschieden, verflüssigt und unter Hochdruck in das umliegende Basaltgestein gepumpt, wo es in den Hohlräumen des Basalts aufgrund chemischer Verbindungen mit Mineralien zu Stein wird. Eine Luftfilteranlage in der Nähe von Reykjavik saugt mit zwölf Ventilatoren Luft an, aus der das CO2 gefiltert wird. Es wird ebenfalls mit Wasser gemischt und unter die Erde transportiert.

In Dänemark wurde im März des heurigen Jahres der Startschuss für das Projekt Greensand gegeben. In einem ehemaligen Erdölfeld, 200 Kilometer vor der dänischen Westküste, soll Kohlendioxid im Meeresboden der Nordsee eingelagert werden. Das CO2 wird im belgischen Antwerpen gesammelt, verflüssigt und per Schiff zur Plattform „Nini West“ transportiert. Dort wird es in einer Tiefe von 1.800 Metern dauerhaft gelagert.

Welche Potenziale hat CCS?

Um die Erderwärmung zu verlangsamen, müssen die CO2-Emissionen deutlich verringert werden. Da das jedoch derzeit nicht in der notwendigen Menge geschieht, scheint die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid eine sinnvolle Unterstützung. Wissenschaftler:innen schätzen, dass durch CCS bis zu 80 Prozent der CO2-Emissionen gar nicht in die Atmosphäre gelangen.

Welche Probleme gibt es bei CCS?

Die Abscheidung, der Transport und die Speicherung sind mit enormem Energieaufwand verbunden und kostenintensiv. Es müssen ausreichend geeignete und sichere Lagerstätten gefunden werden, im Idealfall in der Nähe der Abscheidungsanlagen. Noch ist die Nachfrage nach Speicherplatz gering, außerdem sind nur wenige großindustrielle CC-Anlagen in Betrieb. Der Transport per Schiff oder Lkw führt zu weiteren CO2-Emissionen, der Transport per Bahn ist aufgrund der zum Teil schlecht ausgebauten regionalen Infrastruktur wenig effizient. Entweicht das CO2 trotz aller Vorsichtsmaßnahmen aus den Lagerstätten, kann es Schadstoffe im Boden freisetzen, saline Aquiferen oder das Grundwasser übersäuern.
Eine umfassende Überwachung vor allem der Lagerstätten ist aufwendig und teuer.
Die Nutzung des tiefen Untergrunds für CO2-Speicherung kann andere Nutzungen, etwa für Geothermie (die Nutzung von in der Erdkruste gespeicherter Wärme), einschränken oder unmöglich machen. CCS-Gegner sehen in dieser Maßnahme vor allem eine Möglichkeit für Industrieunternehmen, die auf fossile Energieträger setzen, sich ihrer Verantwortung zur Reduktion der CO2-Emissionen zu entziehen.

Was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen?

In Österreich und Deutschland ist die geologische Speicherung von Kohlenstoffdioxid verboten. Begründung: „Derzeit können die mit CCS verbundenen Gefahren und Umweltauswirkungen nicht verlässlich abgeschätzt werden.“ Ausgenommen sind Forschungsvorhaben geringen Umfangs. Eine Evaluierung des Gesetzes, die alle fünf Jahre erfolgen muss, hat heuer keine Änderungen ergeben. Auf EU-Ebene regelt die Richtlinie „CCS Directive“ die Rahmenbedingungen für den CO2-Transport und die Speicherung von CO2 in unterirdischen Lagerstätten und fordert Mitgliedsstaaten auf, gegebenenfalls die notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Auf Ebene der Vereinten Nationen gilt ein völkerrechtliches Abkommen, bekannt als London Protocol, das den grenzüberschreitenden Transport von CO2 zum Zweck der Speicherung unter dem Meer regelt. Österreich ist jedoch nicht Vertragspartner des London Protocols. Auf internationaler Ebene gilt außerdem das Meeresschutzabkommen OSPAR (Die Abkürzung steht für „Oslo“ und „Paris“ und ist ein völkerrechtlicher Vertrag zum Schutz der Nordsee und des Nordostatlantiks. Er ist seit 1998 in Kraft.) Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) empfiehlt ausdrücklich die Speicherung von CO2 in geologischen Formationen als wesentliche Maßnahme zur Minderung der industriellen CO2-Emissionen.

Fazit: Löst CCS alle unsere CO2-Probleme?

Nein. CO2 unter die Erde zu bringen, löst das Problem des übermäßigen Ausstoßes nicht, sondern verlagert es nur. Die Abscheidung, die Komprimierung und der Transport sind technisch aufwendige, kosten- und energieintensive Verfahren, die in keiner Relation zur gespeicherten CO2-Menge stehen. Der Fokus muss auf der Reduktion der Emission von CO2 liegen, das heißt, je weniger Ausstoß, desto besser für das Klima. Das bedeutet eine Abkehr von fossilen Energieträgern wie Erdöl und Erdgas, ein Umstieg auf erneuerbare Energie sowie eine Reduktion des Konsums. Die Lagerung von CO2 in unterirdischen Lagerstätten ist außerdem in Bezug auf mögliche Umweltschäden nicht ausreichend erforscht. Und schließlich darf CSS kein Schlupfloch sein, um sich aus der Verantwortung zur Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen zu stehlen.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • Ein alternatives Verfahren zur Speicherung von CO2 ist die biologische Sequestrierung, also die Aufnahme und Speicherung von atmosphärischem Kohlendioxid durch Pflanzen. CO2 wird als Biomasse gebunden, aus der wiederum Kohlenstoff gebildet wird. Dieser kann zum Beispiel als Biokoks gespeichert werden. Eine weitere mögliche Sequestrierung besteht in Aufforstung. Die dadurch entstehenden Wälder können Kohlendioxid allerdings nur dauerhaft binden, wenn sie nicht abgebrannt werden. Holz für Möbel oder Häuser stellt dagegen eine lagerfähig gebundene Form des Kohlenstoffs dar.

  • Eine weitere Möglichkeit ist die Wiedervernässung von Mooren, da der Aufwuchs von Torfmoosen große Mengen an CO2 speichern kann.

  • In den Fokus der Forschung gerückt sind auch Seegraswiesen, die als bedeutende CO2-Senken, also Speicherorte für Kohlendioxid, gelten. Diese „Grünflächen“ in einem bis zehn Metern Tiefe wachsen auf sandigen oder schlickhaltigen Meeresböden und haben eine 30- bis 50-mal höhere CO₂-Senkungsrate als Wälder. Forscher:innen schätzen, dass Seegraswiesen weltweit bis zu 15 Prozent des vom Ozean aufgenommenen CO₂ binden, obwohl sie nur etwa 0,2 Prozent des Meeresbodens bedecken.

Quellen

Das Thema in der Wiener Zeitung

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