Die wirtschaftliche Lage ist schwierig, und doch sind die Gründungszahlen in Österreich auf Rekordniveau. Wer eine gute Geschäftsidee hat, sollte sich nicht von der Rezession und Pleitewelle abschrecken lassen.
Die wirtschaftliche Lage ist schwierig, und doch sind die Gründungszahlen in Österreich auf Rekordniveau. Wer eine gute Geschäftsidee hat, sollte sich nicht von der Rezession und Pleitewelle abschrecken lassen.
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Microsoft, General Motors, Uber und Zalando haben eines gemeinsam: Alle diese wertvollen Unternehmen wurden während einer Rezession gegründet. Besonders während der Finanzkrise 2008 und 2009 entstanden in den USA zahlreiche Jungunternehmen, die später zu Einhörnern – so nennt man Startups mit Milliardenbewertung – heranwuchsen. Sind wirtschaftlich herausfordernde Zeiten also ein guter Zeitpunkt, um ein Unternehmen zu gründen?
Mehr Gründungsinteresse bei Arbeitslosen
Österreich verzeichnete 2023 erstmals seit 14 Jahren einen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Im gleichen Zeitraum erreichte die Zahl der Unternehmensgründungen allerdings ein Rekordniveau, mit 36.380 neuen Unternehmen sind es laut der Wirtschaftskammer Österreich knapp 2.000 mehr als im Vorjahr. Es scheint so, als ließen sich Gründer:innen nicht vom schwierigen Umfeld abschrecken: 2023 gab es 5.338 Insolvenzen und allein im ersten Halbjahr 2024 stieg die Zahl der Firmenpleiten laut KSV 1870 um 26 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2023. Für das Gesamtjahr rechnet der Gläubigervertreter mit 6.500 Insolvenzen. Trotz der Zinswende, die günstigere Finanzierungen und damit mehr Investitionen in die Wirtschaft bringen wird, sind die Konjunkturprognosen noch verhalten.
Und trotzdem steigt das Interesse an Firmengründungen: Das Arbeitsmarktservice Österreich betreibt mit dem Unternehmensgründungsprogramm (UGP) ein Service, das beim Start von der Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit unterstützt. 2001 nahmen laut Auskunft des AMS 1.974 Personen daran teil, 2019 waren es 5.197. In den ersten zwei Jahren der Pandemie ging die Teilnahme zurück, 2022 stieg die Teilnehmer:innenzahl auf 5.231, vergangenes Jahr war es leicht rückläufig mit 5.121 Gründer:innen. Das Geschlechterverhältnis war dabei übrigens fast ausgewogen. Knapp ein Drittel der UGP-Gründer:innen hat einen Lehrabschluss, 30,7 Prozent eine akademische Ausbildung. Bei den Altersgruppen sind die 30- bis 40-Jährigen am stärksten vertreten.
Die Hauptmotivation von Gründer:innen
Was diese Gründer:innen antreibt, weiß das Gründerservice der WKÖ: „Als Hauptmotiv dominierte dabei der Wunsch nach Selbstständigkeit, gefolgt von flexibler Zeit- und Lebensgestaltung und dem Wunsch, eigener Chef zu sein”, heißt es in der aktuellen Umfrage im zweiten Halbjahr 2023. Demnach wollen 70,7 Prozent bei der Zeit- und Lebensgestaltung flexibel sein, 69,3 Prozent haben schon länger mit dem Gedanken gespielt, sich selbstständig zu machen. Eine Wirtschaftskrise ist wissenschaftlich betrachtet nicht unbedingt ein guter Zeitpunkt dafür: „Eine Hochkonjunktur kann einen Markteintritt und somit auch den Eintritt in die Selbstständigkeit attraktiver machen“, heißt es in der Studie. In einer Phase eines konjunkturellen Aufschwungs wachse allerdings auch der Wettbewerb am Arbeitsmarkt, was zu einer Abnahme an Unternehmensgründungen führen kann: „Es gibt hierzu Studien, die auf eine mögliche dämpfende Wirkung auf Unternehmensgründungen in Zeiten von Hochkonjunktur hinweisen.“ Wirtschaftskrisen wie jene 2008 können laut internationalen Untersuchungen das Gründungsgeschehen positiv beeinflussen, vergleichbare Studien in Österreich gibt es laut der WKÖ noch nicht, aber „gerade auch wirtschaftlich schwierigere Zeiten stellen oft unternehmerische Gelegenheiten dar“.
Nicht nur die Wirtschaftslage ist entscheidend
Die Wirtschaftskammer warnt allerdings davor, die aktuelle Krise mit der damaligen Finanzkrise zu vergleichen: „In den vergangenen Jahren ist die Wirtschaft mit einem Fachkräftemangel konfrontiert, der auch Gründer:innen berührt.“ Die meisten treten in die Selbstständigkeit, da sie darin eine Chance anstatt einer Notwendigkeit sehen, erklärt die WKÖ. Bei der Gründung komme es außerdem nicht nur auf die gesamtwirtschaftliche Lage an, sondern auch auf die Idee und die gute Vorbereitung. Es braucht aber nicht unbedingt eine eigene Idee, die WKÖ verzeichnet einen Aufwärtstrend bei den Betriebsnachfolgen.
Ob 2024 auch wieder ein Rekordwert an Gründungen erreicht wird, kann die Organisation noch nicht prognostizieren, die Zahlen des ersten Halbjahres werden im August publiziert. Es gehe jedoch nicht nur um Quantität, sondern auch um die Qualität: 57 Prozent der gegründeten Unternehmen existieren auch nach sieben Jahren noch. Der eingangs erwähnte Startup-Sektor scheint zumindest in Österreich zurückhaltend in der Krise: Während mit 363 Neugründungen 2019 ein Rekordhoch erreicht wurde, brach die Zahl 2022 laut dem Austrian Startup Monitor auf 206 Neugründungen ein. Zahlen für 2023 sind noch nicht verfügbar.
Ist jetzt also ein guter Zeitpunkt, um in die Selbstständigkeit zu gehen? Ja, wenn man sich gut darauf vorbereitet – und das gilt unabhängig von der Konjunktur. Sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsphasen haben ihre Vor- und Nachteile im Unternehmertum.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner
Pressestelle des Arbeitsmarktservice Österreich
Medienstelle der Wirtschaftskammer Österreich
Daten und Fakten
In Österreich wurden 2023 so viele Unternehmen gegründet wie noch nie, konkret 36.380.
Die meisten Gründungen entfallen auf Gewerbe und Handwerk, die beliebteste Rechtsform ist das Einzelunternehmen.
Das Unternehmensgründungsprogramm des AMS zählte 2023 5.121 Teilnehmer:innen.
Quellen
WKO: Gründungen 2023
Statistik Austria: Insolvenzen 2023
Trend: Deutlicher Anstieg der Firmenpleiten im ersten Halbjahr 2024
Das Thema in anderen Medien
Business Insider: 14 successful companies that started during US recessions