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Jung und außer Atem: Wie Covid-19 Laras Herz schwächte

5 Min
Covid-19 kann trotz mildem Verlauf bei jungen Menschen Herzerkrankungen verursachen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

Lara ist jung, fit und hatte nur eine leichte Covid-Infektion – dachte sie. Wochen später erhält sie die Schockdiagnose: Herzmuskelentzündung. Ihr Fall zeigt, wie gefährlich die Spätfolgen des Virus auch für junge Menschen sein können.


Schon nach einem Stockwerk ist Lara völlig außer Atem. „Das ist doch nicht normal“, denkt die 25-Jährige. Zuhause angekommen, zieht sie sich erschöpft die Schuhe aus und spürt, wie ihr die Luft wegbleibt. Die Kurzatmigkeit wird täglich schlimmer, Lara fühlt sich, als würde sie kaum noch Luft bekommen. Dass ihre 82-jährige Großmutter fitter ist als sie, macht die Situation umso schlimmer. Covid? Ihre Infektion liegt drei Wochen zurück, und sie hatte kaum Symptome. Keine Hustenattacken, keine Fieberwellen, nur etwas Müdigkeit. Dass das Virus dennoch weiter in ihrem Körper wütet, kommt ihr nicht in den Sinn.

Doch die Beschwerden bleiben. Auf Drängen ihres Vaters vereinbart Lara schließlich einen Termin beim Lungenfacharzt. Drei Monate Wartezeit, in denen die Unsicherheit wächst. „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht“, erklärt der Arzt. Ihre Lunge ist unauffällig – doch er will weitere Untersuchungen. Die Diagnose des Kardiologen kurz darauf ist niederschmetternd: Herzmuskelentzündung, vermutlich eine Spätfolge der Covid-Infektion.

Herzprobleme nach einem milden Verlauf

Herzmuskelentzündung mit 25 Jahren? Für Lara eine unfassbare Vorstellung. Sie ist jung, aktiv und hatte kaum Symptome während ihrer Covid-Infektion. Doch die Diagnose zeigt ihr, wie tückisch das Virus sein kann. Sie bekommt Beta-Blocker verschrieben. Der Kardiologe warnt sie: Ohne Behandlung hätte die Entzündung chronisch werden können. Lara ist fassungslos – wie hätte sie ahnen können, dass nach einem milden Verlauf solche Komplikationen auftreten?

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Lara ist kein Einzelfall, wie Mariann Gyöngyösi, die Leiterin der wissenschaftlichen Long-Covid-Studie an der Medizinischen Universität Wien, im Gespräch mit der WZ erklärt: „Wir sehen immer wieder, dass postvirale Symptome Wochen oder sogar Monate nach einer Covid-Infektion auftreten, auch bei einem milden Krankheitsverlauf.“ Covid-19 ist dafür bekannt, dass es im Körper länger nachwirkt als viele andere Viren. „Besonders problematisch ist, dass die virusinduzierten immunologischen Veränderungen auch nach der akuten Phase verschiedene Organe angreifen können, darunter das Herz“, erklärt Gyöngyösi. Das Virus dockt an sogenannte ACE2-Rezeptoren an – das sind „Eingangstore“ für das Virus, die nicht nur in der Lunge, sondern auch in den Zellen des Herzens vorkommen. „Es kann zu lokalen Entzündungen führen, vor allem in den kleinen Blutgefäßen, die das Herz mit Sauerstoff versorgen. Bei einigen Patient:innen kann es zu Thrombosen und langfristigen Schäden kommen“, führt die Medizinerin aus.

Ein unterschätztes Risiko

Die Daten sprechen eine klare Sprache: „In der ersten Corona-Welle hatten bis zu 30 Prozent der Infizierten langfristige Beschwerden. Mit den späteren Varianten, wie Omikron, hat sich dieser Anteil zwar verringert, dennoch entwickeln etwa ein bis vier Prozent der Covid-Patient:innen eine Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung“, so Gyöngyösi. Besonders besorgniserregend: Viele dieser Patient:innen sind so schwer betroffen, dass sie stationär behandelt werden müssen. Große Studien, darunter jene des US-Forschers Yan Xie, die 2022 veröffentlicht wurde und mehr als fünf Millionen Patient:innen umfasste, zeigen klar, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach einer Covid-Infektion signifikant zugenommen haben. „Gerade bei jüngeren, zuvor gesunden Menschen sehen wir vermehrt Fälle von Herz-Erkrankungen nach einer Covid-Infektion“, fügt die Medizinerin hinzu. Diese Herzprobleme treten oft mit Verzögerung auf. Wie auch bei Lara: Drei Wochen nach der Infektion hatte sie keine Beschwerden. Erst danach traten die Symptome auf – zu einem Zeitpunkt, zu dem viele die Infektion bereits als überstanden betrachten.

Die Gefahr der Langzeitfolgen

Die Frage nach den langfristigen Folgen von Covid-19 auf das Herz bleibt eine der drängendsten. „In den meisten Fällen heilt der Herzmuskel aus“, erklärt Gyöngyösi. Doch bei schwereren Entzündungen kann es zu Narbenbildungen kommen, die das Herz dauerhaft schwächen. „Solche Narben können zu Herzinsuffizienz oder gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen“, sagt sie. Auch das Risiko für Thrombosen und Herzinfarkte steigt, wenn die Entzündung nicht vollständig ausheilt. „Die meisten Patient:innen, bei denen die Entzündung rechtzeitig erkannt wird, haben eine gute Prognose.“ Doch bei etwa zwei bis vier Prozent der Fälle können bleibende Schäden auftreten, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Langsam zurück zur Normalität

Laras Therapie bestand in strikter körperlicher Schonung, unterstützt durch Betablocker und entzündungshemmende Medikamente. Doch der Weg war lang. „Hätte sie weiterhin so sportlich ihr Leben geführt, hätte das zu einer Verschlimmerung führen können“, warnt Gyöngyösi. „Wir empfehlen Patient:innen, die eine Herzmuskelentzündung hatten, sich nur sehr langsam und unter ärztlicher Aufsicht wieder körperlich zu betätigen.“ Es sei essenziell, dass sich der Herzmuskel vollständig erholt hat, bevor man wieder mit dem Sport beginnt. Auch Lara musste sich in Geduld üben, selbst wenn die neun Monate der Genesung lang und oft frustrierend waren. Sie war dankbar, als sie endlich wieder vorsichtig mit dem Sport anfangen durfte.

Ein Weckruf für uns alle

Für Lara war die Diagnose ein Weckruf, der sie zu einer rechtzeitigen Behandlung führte – und vielleicht vor einem lebenslangen chronischen Leiden bewahrte. „Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn ich die Symptome ignoriert hätte“, sagt sie heute. „Wir müssen lernen, die langfristigen Folgen von Covid-19 ernst zu nehmen“, betont Gyöngyösi. Besonders junge Menschen, die glauben, die Infektion gut überstanden zu haben, sollten bei anhaltenden Symptomen nicht zögern, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.


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Infos und Quellen

Gesprächspartnerinnen

  • Mariann Gyöngyösi studierte Medizin an der Universität Szeged, Ungarn, und promovierte zum Doktor der Medizin Summa cum laude. 1991 legte sie die Prüfung zum Facharzt für Innere Medizin und 1994 für das Additivfach Kardiologie ab. Weiters verfasste sie eine PhD-Dissertation (1995). Zwischen 1989 und 1990 war sie Gastärztin an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt, Deutschland. Zwischen 1995 und 2000 arbeitete sie an der Abteilung Kardiologie der MedUni Wien als Stipendiatin und im Molekularbiologie-Labor in Creteil, Frankreich (INSERM U-99). 2002 erlangte sie die Habilitation für Kardiologie an der MedUni Wien. Seit 2010 arbeitet sie als klinische Kardiologin und Leiterin des Translationalen Forschungslabors an der Abteilung Kardiologie der MedUni Wien. Sie wurde unter anderem mit dem Billroth-Preis der Österreichischen Ärztekammer (2006) und Preisen der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (2001, 2002, 2007, 2009, 2015), dem Researcher of the Month der MedUni Wien (2010), Best Manuscript Award Circulation Research (2015), Paul Dudley Award der American Heart Association (2023) sowie dem Werner-Klein-Preis 2020 für Tanslationale Forschung ausgezeichnet. Gyöngyösi ist Mitglied des „Postcovid-19“ Clinical Management and Operations Unit des WHO Health Emergencies Program. Seit 2017 ist sie Projektgutachterin bei der European Commission in Brüssel.

Ein Foto von Mariann Gyöngyösi.
Mariann Gyöngyösi.
© Fotocredit: MedUni Wien/feelimage
  • Lara (Name der Redaktion bekannt) arbeitet in einer Werbeagentur.

Daten und Fakten

  • Yan Xie von der Saint Louis University in St. Louis, USA, und sein Team haben auf Grundlage der Veterans Affairs National Healthcare Databases die Gesundheitsdaten von 153.760 US-Veteranen ausgewertet, die die ersten 30 Tage einer Covid-19-Infektion überlebt haben. Die Studie wurde 2022 in Nature Medicine veröffentlicht. Als Kontrollgruppen dienten mehr als fünf Millionen ebenfalls in der Veteranen-Datenbank erfasste Personen ohne Covid-19-Infektion in der Anamnese und eine historische Kontrolle aus der Zeit vor der Pandemie (2017) von ebenfalls mehr als fünf Millionen Menschen. Die mittlere Nachbeobachtungszeit in allen Gruppen betrug ein knappes Jahr. Die Datenanalyse zeigte, dass Patienten im ersten Jahr nach einer Corona-Infektion noch ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufweisen. Das Risiko nahm mit der Schwere des Krankheitsverlaufs zu – aber auch bei der Mehrheit der Patienten mit einem leichten, ambulant behandelten Verlauf war noch eine deutliche Erhöhung des kardiovaskulären Risikos zu beobachten.

  • Mögliche Herzerkrankungen nach Covid-19:

Perikarditis ist die Entzündung des Perikards (Herzbeutel), der das Herz umgibt.

Eine Myokarditis tritt auf, wenn der Herzmuskel selbst betroffen ist. Eine Myoperikarditis beschreibt die gleichzeitige Entzündung des Herzbeutels und des Herzmuskels.

Unbehandelt können diese Erkrankungen zu einer chronischen Herzinsuffizienz führen.

Quellen

Das Thema in der WZ

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