Kay-Michael Dankl könnte Salzburgs nächster Bürgermeister werden. Der KPÖ-Politiker ist aber auch Vater einer drei Monate alten Tochter. Wie stellt er sich das vor: ein Leben als Spitzenpolitiker, Babykarenz und Care-Arbeit?
KPÖ-Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl mit Baby in der Trage im Wahllokal. Als ich das Foto von der Gemeinderatswahl in Salzburg gesehen habe, hatte ich als Vater einer zweijährigen Tochter zwei Gedanken: schön, ein aktiver Papa. Aber als Politiker im Wahlkampf wird der Mann gar keine Zeit für sein Kind haben. Nun könnte Dankl am Sonntag sogar zum Bürgermeister der Landeshauptstadt gewählt werden. Denn der historische Wahlerfolg der KPÖ von 23,4 Prozent brachte den 35-Jährigen in die Stichwahl gegen Bernhard Auinger, der mit der SPÖ auf 25,6 Prozent kam. Aber geht sich das überhaupt aus, moderner Vater und Spitzenpolitiker gleichzeitig zu sein?
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Um das zu erfahren, vereinbare ich ein Gespräch mit Dankl in Salzburg. Am Vortag unseres Interviews ruft mich unser Kindergarten an: Bindehautentzündung. Unserer Tochter gehe es nicht gut, ich solle sie bitte abholen. Zwei Stunden später – und alle Termine verschoben – sitze ich mit ihr beim Augenarzt. Gleichzeitig bespreche ich mit meiner Partnerin, wie wir die Kinderbetreuung für die nächsten Tage aufteilen. Das sind die Themen, die auch Dankl bald beschäftigen werden. Kann ein Bürgermeister in Karenz gehen? Hat er vor, als Stadtchef in Elternteilzeit zu arbeiten? Und löst er als Jungvater das ein, was er als Politiker fordert
Gratuliere zur Geburt. Wie sind Ihre Nächte?
Danke. Es läuft ganz gut. Unsere Tochter ist jetzt drei Monate alt und schläft nachts oft fünf Stunden am Stück. Wir bekommen genug Schlaf.
Wie war das bei Ihnen: Wahlkampf, Mutter im Wochenbett und Baby gleichzeitig?
Ich war im Jänner im Papamonat. Da haben mich einige gefragt, wie das während des Wahlkampfes gehen soll. Es geht mit einem guten Team und wenn man delegieren kann. Ich muss auch nicht auf jedem Foto in der Zeitung sein. Aber derzeit habe ich eine 60-Stunden-Woche.
Das klingt nicht sehr familienfreundlich. Was ist Ihr Anspruch als Vater?
Ich möchte Zeit mit meiner Tochter verbringen. Egal, ob ich am Sonntag zum Bürgermeister oder Vizebürgermeister gewählt werde. Diese Zeit kommt nicht mehr wieder. Und natürlich möchte ich mit meiner Freundin eine gleichberechtige Elternschaft leben. Sie ist derzeit in Karenz, wird danach aber wieder ihrem Beruf nachgehen.
Gehen Sie in Karenz?
Das möchte ich auf jeden Fall. Ich weiß aber nicht, ob das als Bürgermeister rechtlich überhaupt geht, weil das Amt eine Personenwahl ist. Bei der Position des Vizebürgermeisters ist es einfacher.
Wie lang würden Sie in Karenz gehen?
Ein Jahr.
Hätten Sie keine Angst, vergessen zu werden? Immerhin würde Ihr Mitstreiter von der SPÖ das Amt in dieser Zeit übernehmen.
Ich glaube nicht, dass ich deshalb bei der nächsten Wahl schlechtere Chancen hätte. Ich bin sogar der Meinung, dass die Menschen es schätzen, wenn ich diese Erfahrung als Politiker machen würde.
Mit einem Jahr wären Sie die große Ausnahme. In Österreich gehen nur rund 15 Prozent der Väter in Karenz. Nur ein Prozent der Väter geht länger als sechs Monate.
Es sollte normal sein, dass Väter sich um die Kindererziehung kümmern. Es ist aber immer noch so, dass sich viele Männer am Arbeitsplatz rechtfertigen müssen, wenn sie in Karenz gehen.
Deshalb fordern Sie in Ihrem Wahlprogramm die Einführung einer verpflichtenden Männerkarenz. Wie soll diese aussehen?
Unser Vorschlag ist ein Debattenbeitrag, ein konkretes Modell haben wir noch nicht am Tisch. Finanzielle Anreize spielen aber eine wichtige Rolle. Es geht darum, die Vorstellung von Elternschaft zu ändern. Momentan ist das Bild, dass Frauen sich um die Kinder kümmern und Männer einfach weiterarbeiten. Diese Rollenbilder wollen wir aufbrechen.
Väter wissen meist nicht, wie der Kinderarzt heißt oder welche Kleidergröße ihr Kind hat. Wissen Sie die Kleidergröße Ihrer Tochter?
Aktuell hat sie 62. Wir haben mit 56 angefangen, mussten ein paar Sachen aber bald wechseln, da sie recht groß ist.
Haushalt und Kindererziehung werden in erster Linie von Frauen gemanagt. Um das zu ändern, fordern Sie in Ihrem Programm die Verkürzung der Arbeitszeit. Haben Sie vor, in Elternteilzeit zu gehen?
Damit habe ich mich, ehrlich gesagt, noch nicht beschäftigt. Wir haben gesagt, wir warten einmal, wie die Wahl ausgeht.
Ist das realistisch, ein Teilzeit-Bürgermeister mit 30 Stunden pro Woche?
Teilzeit-Bürgermeister klingt nach einem schönen Schlagwort. Aber das wird sich wohl nicht ausgehen.
Ich habe in Ihrem Wahlprogramm folgenden Satz gelesen: „Hausarbeit, Pflege und Erziehung werden immer noch überwiegend Frauen aufgebürdet, während Männer an den Hebeln der Macht sitzen.“ Das würde dann auch auf Sie zutreffen.
Meine Freundin und ich werden probieren, uns die Care-Arbeit so gut wie möglich aufzuteilen. Ob wir das schaffen, werden wir sehen. Als Politiker habe ich das Privileg, mir meine Zeit flexibel einteilen zu können. Außer ein paar Sitzungen gibt es keine Termine, die unverrückbar sind. Ich muss nicht um 7:30 Uhr einstempeln, und kann für mein Kind etwas vorkochen, was ich momentan auch mache.
Sie waren mit Ihrem Baby in der Trage im Wahllokal. Das hat für Diskussion gesorgt. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Es hat mir gezeigt, welche altmodischen Ideen von Familie in unserer Gesellschaft herrschen. Wenn SPÖ-Kandidat Bernhard Auinger mit seiner Frau und seinen zwei Teenager-Töchtern in das Wahllokal geht, ist das normal. Aber wenn ich als Vater allein mit meiner Tochter in der Trage in das Wahllokal gehe, schreiben die Medien gleich ein Pro & Contra darüber, weil es so ungewöhnlich ist.
Hatten Sie männliche Vorbilder für Ihre Rolle als Vater?
Ich bin mit einem Vater aufgewachsen, der sich um den Haushalt gekümmert, uns in die Schule oder zum Arzt gebracht hat. Er war in meiner Kindheit viel zu Hause. Mein Vater ist Tischler, meine Mutter Ärztin. Finanziell war es daher sinnvoll, dass meine Mutter bald wieder gearbeitet hat.
Die Einkommensschere ist das Hauptargument, warum Männer so selten in Karenz gehen. Wissen Sie, welchen Umstand es am Arbeitsplatz zudem braucht, damit Männer eher in Karenz gehen?
Jobsicherheit? Wahrscheinlich gehen Männer eher in Karenz, wenn sie keine Nachteile für ihre Karriere befürchten.
Das ist auch ein Grund. Aber Männer gehen vermehrt in Karenz, wenn auch ihr Chef oder Abteilungsleiter in Karenz war. Wenn sie also das Gefühl haben, dass ihr Wunsch nach Zeit mit den Kindern verstanden wird. Da sind wir wieder bei den Vorbildern.
Spannend. Das wusste ich nicht, ergibt aber total Sinn.
Das heißt, wenn Sie als Salzburger Stadtchef in Karenz gehen, nehmen sie allen Männern, die auch in Karenz gehen wollen, ein bisschen Druck weg.
Ich muss dazusagen, dass es gar nicht leicht war, als Politiker das Papamonat zu nehmen, obwohl ich einen Rechtsanspruch darauf habe. Denn es ist im Landtag oder Gemeinderat nicht vorgesehen, sich vier Wochen karenzieren zu lassen. Ich konnte das, weil ich das Papamonat über meine Arbeitsstelle im Museum genommen habe. Im Landtag und Gemeinderat habe ich in dieser Zeit Urlaub beantragt.
Das heißt, es ist eigentlich nicht geplant, Politiker und Vater gleichzeitig zu sein. Zumindest, wenn man ein aktiver und gleichberechtigter Vater sein will.
Ja, das ist nicht wirklich Programm.
Letzte Frage. Blicken wir in die Zukunft: Ihre Tochter ist drei Jahre alt und geht in den Kindergarten. Sie sind Bürgermeister und am Weg zu einem wichtigen Termin. Plötzlich ruft der Kindergarten an. Ihre Tochter hat Fieber und muss abgeholt werden. Ihre Partnerin ist in der Arbeit beschäftigt. Was machen Sie?
Ich fahre zum Kindergarten und hole sie ab. In Salzburg braucht man mit dem Fahrrad maximal zwölf Minuten, egal wohin. In dieser Zeit telefoniere ich per Headset mit meinem Stellvertreter und bespreche alles mit meinem Team. Das geht sich aus.
Guter Plan. Ihre Freundin wird Sie sicher daran erinnern, wenn es so weit ist.
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Infos und Quellen
Genese
Am 24. März 2024 könnte KPÖ-Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl zum Bürgermeister von Salzburg gewählt werden. Ein 7-Tage-Job als Spitzenpolitiker. Dankl ist aber auch Jungvater und seine Partei fordert eine verpflichtende Väterkarenz sowie die Reduktion der Arbeitszeit, damit Männer mehr Care-Arbeit leisten und eine gleichberechtigte Elternschaft möglich wird. Löst Dankl als Jungvater das ein, was er als Politiker verspricht? Stephan Wabl, freier Journalist und selbst Vater einer zweijährigen Tochter, hat mit Dankl über die Vereinbarkeit von Politik und Vaterschaft gesprochen.
Daten und Fakten
In Österreich gehen rund 15 Prozent der Väter in Karenz, 3 Prozent gehen länger als drei Monate, nur 1 Prozent geht länger als sechs Monate.
61 Prozent Prozent der Väter wollen laut einer Umfrage mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, aber nur 9 Prozent können sich vorstellen, in Elternteilzeit zu gehen.
50 Prozent der Mütter arbeiten in Elternteilzeit, wenn das Kind zwischen zwei und drei Jahre alt ist. Ist das Kind zwischen vier und sechs Jahre alt, sind es 21 Prozent. Bei Männern liegt die Quote bei beiden Altersgruppen bei rund 7 Prozent.
Seit 1. September 2019 besteht ein Rechtsanspruch von Vätern auf das Papamonat. Mit 1. Jänner 2024 wurde das Entgelt für das Papamonat verdoppelt und beträgt nun 1.480 Euro.
Eltern haben in Österreich die Möglichkeit, maximal 24 Monate in Karenz zu gehen. Für die Aufteilung der beiden Elternteile gibt es mehrere Modelle und Entgelte. Neu ist seit November 2023, dass lediglich 22 Monate Karenz zur Verfügung stehen, wenn nur ein Elternteil geht. Damit will der Gesetzgeber die Beteiligung der Väter erhöhen. Auf Karenz besteht ein Rechtsanspruch.
Elternteilzeit ist maximal bis zum achten Lebensjahr des Kindes möglich. Auf Elternteilzeit besteht ein Rechtsanspruch, wenn man seit mindestens drei Jahren im Unternehmen beschäftigt ist und die Firma mehr als 20 Beschäftigte hat.
In Österreich gibt es 1.873 Bürgermeister und 220 Bürgermeisterinnen.
Für Politiker:innen, seien es Regierungsmitglieder, Abgeordnete oder auch Bürgermeister:innen, gelten die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes und die Karenzregelungen im Normalfall nicht. Anspruch auf Babykarenz und Karenzgeld gibt es daher nicht, da es sich bei einem politischen Mandat nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um eine Funktion handelt.
In Salzburg, Tirol, Oberösterreich, Vorarlberg, Kärnten und dem Burgenland gibt es die Bürgermeister-Direktwahl. Das bedeutet, dass man am Wahltag zwei Stimmen abgeben kann. Mit einer Stimme wählt man eine Partei in den Gemeinderat, mit der anderen stimmt man für eine konkrete Person als Bürgermeister:in. Erhält kein:e Kandidat:in im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit (mindestens 50 Prozent plus 1 Stimme), dann findet zwei Wochen später eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidat:innen mit den meisten Stimmen statt.
In Wien, Niederösterreich und der Steiermark gibt es keine Direktwahl, sondern das Listenwahlrecht. Man gibt seine Stimme für eine Partei ab, die stärkste Partei schlägt im Gemeinderat einen Kandidaten oder Kandidatin vor, der Gemeinderat wählt dann den/die Bürgermeister:in.
Bei der Gemeinderatswahl der Stadt Salzburg am 10. März 2024 erreichte die SPÖ mit Spitzenkandidat Bernhard Auinger 25,6 Prozent (-1,2 Prozent) und die KPÖ mit Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl 23,1 Prozent (+ 19,4 Prozent). Am 24. März 2024 kommt es zwischen diesen beiden zur Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters.
Quellen
Land Salzburg: Ergebnis der Gemeinderatswahl 2024
Statistik des Gemeindebundes zu Bürgermeister und Bürgermeisterinnen
Umfrage des Katholischen Familienverbandes zu Väterbeteiligung