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Kampf um die Ressourcen des Mondes ist gestartet

8 Min
Wem gehört der Mond?
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images, Wiki Commons

Wer wo was auf dem Mond abbauen und errichten darf, ist rechtlich ungeklärt.


Für einen einwöchigen Kurztrip auf den Mond? In etwa fünf Jahren soll es so weit sein, sagt Martin Elvis. Längerfristig bewohnbare Stationen werde es in zehn bis fünfzehn Jahren auf dem Mond geben, meint der Astrophysiker vom Center for Astrophysics in Cambridge in den USA zur WZ. Vorerst vor allem für Forschungszwecke, „der Tourismus könnte aber überraschend schnell anlaufen".

Wollen Menschen auf dem Mond leben, brauchen sie Unterkünfte. Da der Transport der Ziegel für die Stationen von der Erde zum Mond aber zu weit und teuer wäre (jedes Kilogramm kostet rund eine Million Euro), werde man die Rohstoffe wie Eisen, Aluminium, Silizium oder Titan einfach auf dem Mond selbst abbauen und zu Baumaterial formen, sagt Elvis. Auch das gefrorene Wasser der Polkappen werde man dafür und für Raketentreibstoffe nutzen. Wie genau das alles funktionieren soll, wird gerade an der Technischen Universität Berlin erforscht.

Das Leben auf dem Mond rückt also in greifbare Nähe – und damit tun das auch die Fragen: Wer verdient daran? Wer profitiert davon? Und: Wem gehört der Mond überhaupt?

„Keine nationale Aneignung" erlaubt

Rein rechtlich gesehen beantwortet ein Gesetz oder ähnliches diese Fragen derzeit noch nicht. Es gibt zwar den Weltraumvertrag vom Oktober 1967, den die Vereinten Nationen initiiert und mittlerweile 114 Staaten unterzeichnet haben, dieser bleibt jedoch in seinen Formulierungen vage. „Die Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper [...] ist Sache der gesamten Menschheit", ist hier zu lesen. Den Mond dürfen also alle erforschen und nutzen – den Boden, auf dem man Ressourcen findet oder Stationen errichtet, darf aber kein Einzelner besitzen. Denn „der Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper unterliegt keiner nationalen Aneignung durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt, durch Benutzung oder Okkupation", heißt es im Weltraumvertrag.

Auch kommerziellen Aktivitäten durch Privatpersonen widmet sich ein Absatz. Diese sind demnach zwar erlaubt, die Staaten, denen diese Aktivitäten zuzurechnen sind, müssen sie allerdings genehmigen, beaufsichtigen und dafür sorgen, dass der Mondvertrag eingehalten wird.

1979 folgte der Mondvertrag, der jedoch ebenfalls als wenig effizient beziehungsweise gescheitert gilt: Nur 18 Staaten haben diesen ratifiziert, darunter Österreich, aber keine Weltraummacht wie die USA, Russland, China oder Japan. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der Mondvertrag erlaubt den Abbau von Ressourcen, solang alle Nationen davon profitieren – ähnlich wie beim Tiefseeboden auf der Erde. Jeder Gewinn müsste mit der internationalen Gemeinschaft geteilt werden. Dass sich einzelne Nationen bereichern, ist untersagt. Sämtliche Aktionen müssen zudem bei den Vereinten Nationen angemeldet und vom Generalsekretär genehmigt werden.

Die großen Player sagen Nein

Geht es nach den Weltraummächten, darf das All also ruhig länger so bleiben, was es ist: ein rechtlicher Graubereich. „Genau hier liegt das Problem", sagt dazu Stephan Hobe, Direktor des Instituts für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. „Denn die Regeln des Weltraumausschusses Uncopuos (United Nations Committee on the Peaceful Uses of Outer Space mit Sitz in Wien, Anm.) müssen einstimmig beschlossen werden. Die großen Player sagen Nein zu Restriktionen, deshalb geht alles im Schneckentempo voran."

Ich habe Angst, dass auf dem Mond dasselbe wie auf der Erde passiert: Ausbeutung.
Stephan Hobe, Weltraumrechtsexperte

Die Staaten seien zwar gerade dabei, ein Regime für die Ressourcenausbeutung des Mondes zu erarbeiten, sie könnten aber zu lang dafür brauchen, fürchtet Hobe. „Ich habe Angst, dass auf dem Mond dasselbe wie auf der Erde passiert: Dass die Ausbeutung die Umwelt schädigt."

Die USA stehen jedenfalls bereit. Schon 2015 verabschiedeten sie ihr eigenes nationales Gesetz, das besagt, dass die Nutzung der Mondressourcen nichts mit Aneignung zu tun habe und daher erlaubt sei. 2017 folgte Luxemburg mit einer ähnlichen Regelung. „Das Großherzogtum ist das erste europäische Land und das zweite weltweit, das einen eigenen Rechtsrahmen für die Erkundung und Nutzung von Weltraumressourcen ausgearbeitet hat, der sicherstellt, dass private Akteure ihre Rechte an den von ihnen im Weltraum gewonnenen Ressourcen wahrnehmen können", heißt es auf Nachfrage der WZ vom Büro des Wirtschaftsministers Lex Delles in Luxemburg.

Weltraumjurist Hobe hält Regelungen wie diese für völkerrechtswidrig. Es brauche einen klar definierten Rechtsrahmen, bevor der Ressourcenabbau auf dem Mond starte.

Der neue Wettlauf zum Mond

Noch gibt es keine Minen, aber der neue Wettlauf zum Mond hat längst begonnen. Anfang dieses Jahres sollten zwei Raumfahrzeuge – vorerst noch unbemannt – im Rahmen des Artemis-Programms der Nasa, der US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft, auf dem Mond landen, um dort Instrumente, Ausrüstung und in weiterer Folge ein Mondfahrzeug zu deponieren. Die Fahrzeuge stammten von den beiden privaten US-Unternehmen Astrobotic und Intuitive Machines. Das Astrobotic-Fahrzeug erreichte den Mond nicht, jenes von Intuitive Machines kam zwar an, kippte allerdings um. Dennoch wurde dessen Landung als erster großer Triumph seit den Apollo-Missionen vor mehr als 50 Jahren gefeiert.

Die USA planen mit ihrem aktuellen Programm eine Mondstation und bemannte Landungen 2027. 39 Länder haben dieses Artemis-Abkommen unterzeichnet (Österreich ist nicht darunter). Die europäische Weltraumagentur ESA möchte gleich ein ganzes Monddorf errichten, und Russland erwägt ein Atomkraftwerk auf dem Mond: „Irgendwann zwischen 2033 und 2035 gemeinsam mit unseren chinesischen Kollegen", sagte der Chef der Raumfahrtbehörde Roskosmos, Juri Borissow, laut der Austria Presse Agentur im März dieses Jahres. Zehn Länder sind dem chinesisch-russischen International Lunar Research Station-Programm beigetreten. China hat zu Beginn dieses Monats eine unbemannte Mondmission zur erdabgewandten Seite des Mondes gestartet, um Bodenproben für die Analyse zur Erde zu transportieren.

Ziegel und Glas aus Mondstaub

Was genau kann man von diesen Bodenproben nutzen? „Die Oberfläche des Mondes ist bedeckt von Staub", sagt Enrico Stoll, der das Fachgebiet Raumfahrttechnik der TU Berlin leitet. Dieser Mondstaub oder Regolith entsteht unter anderem dadurch, dass Meteoriten auf dem Mond einschlagen und das Gestein in unterschiedliche Korngrößen zerschlagen. Enthalten sind zum Beispiel Aluminium, Silizium und Titan in oxidischer Form – also in Verbindung mit Sauerstoff. Stoll und sein Team haben es sich zur Aufgabe gemacht, Methoden zu erforschen, wie man direkt auf dem Mond aus diesem Regolith Ziegel oder Glas herstellen kann.

„Wir können das Gestein bei 900 Grad versintern, also die Materialien verbinden und verfestigen, indem nur die Oberfläche aufgeschmolzen wird, und daraus Ziegel bauen", sagt Stoll. Als Wärmequelle kommen etwa Laser zum Einsatz. Setzt man das Material größerer Hitze von bis zu 1.500 Grad aus, schmilzt es, „und wir können es mithilfe eines mobilen 3D-Druckers zum Beispiel in ein Haus für Astronauten umwandeln." Auch die Herstellung von Glas aus Mondstaub – wie für Solarzellen – in einem Vakuum-Ofen sei möglich.

Gefrorenes Wasser an den Polkappen

Aktuell am interessantesten sei allerdings die Nutzung des Wassers, ergänzt Ernst Hauber, Planeten-Geologe am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin. „An den Polkappen gibt es Regionen, die nie von der Sonne beschienen werden", sagt er, „und dort ist es naturgemäß sehr kalt." Das Wasser in diesen „Kältefallen", wie Hauber sie nennt, sei gefroren – dass es hier überhaupt Wasser gibt, hätten Raumsonden-Daten gezeigt. Diese Ressource sei eine der wichtigsten, wenn es um Leben auf dem Mond geht. Und zwar nicht nur als Trink- oder Waschwasser für die Astronaut:innen, sondern auch als Basis für Treibstoff für Raketen, die vom Mond zum Mars oder zu Asteroiden starten könnten. Oder zurück zur Erde.

„Die wichtigsten Fragen sind zurzeit: Wie viel Wasser gibt es auf dem Mond? In welcher Form? In welcher Tiefe? Und: Wie könnte man es gewinnen?", sagt Hauber. Während Forscher:innen in den Laboren auf der Erde an Antworten auf diese Fragen arbeiten, bereiten die Weltraummächte Missionen vor, um dieses Wasser zu finden.

Ressourcen auf wenige Standorte konzentriert

Laut dem Astrophysiker Elvis wurde der gesamte Mond in den vergangenen 15 Jahren von der Umlaufbahn aus kartiert. Die leichter abbaubaren Vorkommen seien demnach auf etwa ein Dutzend Standorte mit jeweils wenigen Kilometern Durchmesser konzentriert. „Durch diese Konzentration der Ressourcen werden die Interessen an deren Nutzung zu Konkurrenz führen", sagt Elvis.

Auch was die Landeplätze betrifft, ist ein Konflikt vorprogrammiert: Die Nasa hat 13 mögliche Landeplätze aufgelistet. China hat neun genannt – drei von diesen sind dieselben wie jene der Nasa.

Womit sich wieder die Frage stellt, wer ein Anrecht auf diese und auf die Nutzung der Ressourcen selbst hat. „Landraub durch Vorreiter ist jedenfalls eine schlechte Idee", meint Elvis. „Denn jeder Landraub legitimiert andere dazu, das Gleiche zu tun." Das wären Zustände wie im Wilden Westen: „Jeder könnte sich neu entdeckte Regionen von immensem Wert einfach schnappen." Sollen kommerzielle Akteur:innen beteiligt werden, sei zudem irgendeine Art von Mineralrechten erforderlich, die zum Beispiel räumlich und zeitlich begrenzt sein könnten. Vor allem aber müssen die Wissenschaftler:innen es schaffen, zu rechtfertigen, warum gewisse Plätze des Mondes von wissenschaftlicher Relevanz sind, sagt Elvis: „Erst dann haben wir eine Chance, dass die Welt begreift, dass der wissenschaftliche Wert, das Universum zu verstehen, größer ist als jeder finanzielle Profit."


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Infos und Quellen

Gesprächspartner

Daten und Fakten

  • Der Mond (ARDalpha):

    Durchmesser des Mondes: 3.476 km (27 Prozent des Erddurchmessers)

    Volumen: 2,2 x 10 hoch 10 km³ (2 Prozent des Erdvolumens)

    Masse: 7,35 x 10 hoch 22 kg (1,25 Prozent der Erdmasse)

    Dichte: 3,34 g/cm³ (Dichte der Erde: 5,5 g/cm³)

    Schwerkraft: 1,62 m/s² (16,5 Prozent der Erdschwerkraft)

    Atmosphärendruck: 3 x 10 hoch -10 Pa (Erde: 105 Pa)

    Entfernung zur Erde: 384.403 km (durchschnittlich; mind. 356.410 km, höchstens 406.740 km)

    Umlaufzeit um die Erde: 27,32 Tage (in Bezug auf die Fixsterne)

    Phasenzyklus: 29,53 Tage (von Vollmond zu Vollmond)

    Albedo (Reflexionsstrahlung): 0,12

    Alter: ca. 4,46 Milliarden Jahre

    Aufbau: innerer Eisen-Kern (100-400 km Radius), Basalt-Mantel (1.200-1.600 km Dicke) und Kruste (70-150 km Kruste)

  • Bei der Mission Artemis II der Nasa, bei der Astronauten 2027 auf den Mond fliegen sollen, sind für den Flug zwischen Mond und Erde vier Tage eingeplant (Nasa).

  • Die Mission Apollo 11 der Nasa fand vom 16. bis 24. Juli 1969 statt (Nasa).

  • Das internationale Weltraumrecht ist ein Zweig des Völkerrechts, das Aktivitäten im Weltraum regelt. Es umfasst einerseits internationale Abkommen, Verträge, Konventionen und Völkergewohnheitsrecht. Andererseits bildet „soft law", dazu zählen etwa die meisten Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen sowie verschiedene Regeln und Richtlinien, einen integralen Bestandteil des internationalen Weltraumrechts (Austria in Space).

  • Die Vereinten Nationen bestehen aus 193 Mitgliedstaaten. Sie wurden 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Ihre zentrale Mission ist der Erhalt des internationalen Friedens und der Sicherheit.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien