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Kann die nächste große Tech-Hoffnung in der EU entstehen?

4 Min
Spotify wurde 2008 in Schweden gegründet, der Hauptsitz ist nach wie vor das Ursprungsland.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Big Tech ist amerikanisch, doch das Beispiel Spotify zeigt, dass sich auch europäische Unternehmen als internationale Player etablieren können.


FAANG: Denkt man an Big Tech, denkt man an diese Abkürzung. Sie steht für die fünf großen Tech-Konzerne Meta (Facebook), Amazon, Apple, Netflix und Alphabet (Google). Die FAANG-Unternehmen verbindet neben ihren Monopolstellungen auch ihr Hauptsitz, die Vereinigten Staaten von Amerika. Beim Tech-Boom der vergangenen 20 Jahre waren europäische Konzerne unterrepräsentiert. Doch ein Unternehmen kann zumindest ein bisschen mit den großen Fünf mithalten: Spotify. Dass der Streaming-Anbieter in Schweden beheimatet ist, hat ihn nicht vom Erfolg abgehalten. Können also auch in Europa Tech-Giganten entstehen?

Schwedischer Streaming-Pionier

Ein Teil des Erfolgs von Spotify lässt sich darauf zurückführen, dass das Unternehmen ein Early Mover im Streaming-Geschäft war. Daniel Ek gründete den Musikdienst im Jahr 2008, als die Musikindustrie immer mehr mit Piraterie, also illegalen Downloads, konfrontiert war. Spotify war nicht die einzige Musikstreaming-Plattform, etablierte sich aber aufgrund ihrer frühen internationalen Ausrichtung zu einem der wichtigsten Player. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 99 Milliarden US-Dollar, also dem Wert basierend auf dem aktuellen Aktienkurs, wirkt Spotify im Gegensatz zu den FAANG-Konzernen wie ein mittelständisches Unternehmen. Zum Vergleich: Apple, das wertvollste Unternehmen der Welt, hat aktuell eine Marktkapitalisierung von mehr als 3,5 Billionen Dollar.

Beim Musikstreaming dürfte Spotify seinen Konkurrenten Apple und Amazon jedoch den Rang ablaufen. 640 Millionen monatlich aktive Nutzer:innen zählte die Plattform im dritten Quartal 2024, davon sind 252 Millionen zahlende Kund:innen. Apple Music und Amazon Prime Music veröffentlichen keine Nutzer:innenzahlen für ihre Plattformen. Branchenschätzungen zufolge dürfte Spotify jedoch mehr als ein Drittel des Marktes für Musikstreaming für sich beanspruchen.

Für und gegen EU-Regulierungen

Spotify hat sich somit aus der Europäischen Union heraus als internationaler Marktführer für Musikdienste positioniert und ist damit ein Gegenbeispiel zur Kritik an der Überregulierung neuer Technologien in der EU. Das Unternehmen, das weltweit 7.242 Mitarbeiter:innen beschäftigt, scheint aber zu seiner Heimat eine schwierige Beziehung zu haben. Bei seinem Börsengang 2018 entschied sich Spotify nicht für einen europäischen Handelsplatz, sondern für die New York Stock Exchange. Dass immer mehr europäische Unternehmen in den USA an die Börse gehen, besorgt die europäischen Handelsplätze.

Als die EU im März 2024 den Digital Markets Act (DMA) einführte, einen Rechtsrahmen für faire und digitale Märkte, begrüßte die Plattform den Schritt: „Spotify wird dadurch noch besser.“ Die Freude über faire Marktbedingungen für Konsument:innen war aber nicht uneigennützig. Spotify nutzt den DMA als rechtliche Grundlage, um gegen die Geschäftspraktiken seines Konkurrenten Apple vorzugehen.

Bei einem anderen Streitthema fand CEO Daniel Ek hingegen einen Verbündeten im Silicon Valley. Gemeinsam mit Meta-Chef Mark Zuckerberg warnte Ek im Sommer 2024 die EU davor, mit zu komplexen Regulierungen für Künstliche Intelligenz ins Hintertreffen zu geraten: „Europa muss es einfacher machen, große Unternehmen zu gründen und seine Talente besser zu halten. Viele der besten und klügsten Köpfe im Bereich Künstliche Intelligenz entscheiden sich für eine Tätigkeit außerhalb Europas.“

Spotify-Geld fließt zurück in den Markt

Daniel Ek hat es also verstanden, Spotifys Rolle im europäischen Ökosystem zu nutzen und je nach Bedarf nach Unterstützer:innen innerhalb und außerhalb der EU zu suchen. Dies ist wahrscheinlich der zweite Grund, warum Spotify von Schweden aus zu einem internationalen Streaming-Giganten geworden ist. Dass die wertvollsten Big-Tech-Unternehmen in den USA angesiedelt sind, liegt unter anderem daran, dass der Markt dort bisher weniger reguliert ist als in der EU. Doch auch dort hat die Regierung in den letzten Jahren eine härtere Gangart eingeschlagen, derzeit laufen Wettbewerbsverfahren gegen Apple und Alphabet. Nicht zuletzt deshalb nähern sich die Tech-CEOs dem neuen US-Präsidenten Donald Trump an.

Wie wichtig ein europäischer Player für das gesamte Ökosystem ist, zeigt auch folgender Aspekt: Daniel Ek kündigte 2020 an, mehr als eine Milliarde Euro seines Vermögens in europäische Innovationen investieren zu wollen. Wie viel er bisher investiert hat, ist nicht bekannt. Aber wenn das Kapital der Tech-Investor:innen und -Gründer:innen in neue Jungunternehmen fließt, kann dadurch das nächste Spotify entstehen. Im Bereich KI gelten die deutschen Start-ups Aleph Alpha und Black Forest Labs als die nächsten großen europäischen Tech-Hoffnungen. Die im KI-Gesetz beschlossenen Maßnahmen werden in den nächsten Jahren schrittweise umgesetzt. Dann wird sich zeigen, ob die Regulierung die KI-Entwicklung in Europa tatsächlich einschränkt, wie der Spotify-Chef befürchtet.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • Spotify wurde 2008 in Schweden gegründet, der Hauptsitz ist nach wie vor das Ursprungsland.

  • Im Vergleich zu Apple und anderen Tech-Konzernen ist der Musikdienst ein kleines Unternehmen, hat aber trotzdem den größten Marktanteil beim Musikstreaming.

  • Spotify-Gründer Daniel Ek spricht sich für den Digital Markets Act der EU, aber gegen strenge Regulierungen bei der KI aus.

Quellen