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Das frauenpolitische Programm der neuen österreichischen Regierung.
Seit einigen Jahren ist es gute österreichische Tradition, dass Frauenministerinnen auf die Frage, ob sie Feministin seien, mit einem überzeugten „Nein“ antworten. Überall sonst mag man eine nicht-feministische Frauenministerin für einen Widerspruch in sich halten, nicht so in Österreich. Hierzulande löst das Ablehnen der Bewegung, die Gleichstellung herbeiführen möchte, als Ministerin mit der primären Aufgabenstellung, Gleichberechtigung herbeizuführen, keinerlei Irritation aus.
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In der kommenden türkis-rot-pinken Koalition soll nun mit Eva-Maria Holzleitner eine dezidierte Feministin das Amt der Frauenministerin übernehmen.
Und auch im Regierungsprogramm, das vergangene Woche Medien zur Verfügung gestellt wurde, findet sich einiges, das aus feministischer Sicht erfreulich ist.
„Ja heißt Ja“ bald auch in Österreich?
Zum einen ist angekündigt, das Sexualstrafrecht zu evaluieren „mit dem Ziel, bestehende Lücken zu schließen und es zu verschärfen“. Wie genau diese Verschärfung aussehen könnte, wird nicht spezifiziert. Zu hoffen ist allerdings, dass sich hinter der Formulierung die Absicht verbirgt, sich auf ein konsensbasiertes Strafrecht hinzubewegen. Österreich ist bezüglich seines Sexualstrafrechts anderen EU-Ländern hinterher. Hierzulande gilt nämlich „Nein heißt Nein“ – Betroffene müssen anale, orale oder vaginale Penetration in Worten oder Handlungen klar ablehnen, damit diese als Vergewaltigung gewertet wird. Und: Sie müssen diese Ablehnung auch vor Gericht nachweisen. In anderen Ländern der EU, wie Dänemark, Finnland, Spanien oder Schweden, gilt das „Ja heißt Ja“- Prinzip, bei dem das Opfer seine Gegenwehr nicht mehr unter Beweis stellen muss und schon die Abwesenheit eines „Ja“ reicht, um eine sexuelle Handlung als Übergriff zu werten. Von Feministinnen wurde und wird schon lang gefordert, das Sexualstrafrecht auch in Österreich konsensbasiert zu gestalten.
Ebenso lang gefordert wird, dass das unerwünschte Zusenden von Nacktbildern unter Strafe gestellt wird. Diese Maßnahme findet sich im Regierungsprogramm mit: „Die Zusendung von unerwünschten „Dick pics“ wird unter Strafe gestellt.“ ganz dezidiert.
Annäherungsverbote sollen auf den digitalen Raum ausgeweitet werden und für Sexualstraftäter soll es eine Ausweitung von Betretungsverboten auf öffentliche Örtlichkeiten geben. Zudem ist der Ausbau von Gewaltschutzambulanzen in allen Bundesländern, der Ausbau von Bewusstseinsarbeit und opferschutzorientierter Täterarbeit, Maßnahmen zum Schutz von Frauen im öffentlichen Raum wie das „sichere Taxi“ (ein Zertifikat, das Taxiunternehmen mit speziell geschultem Personal erhalten sollen) sowie der stärkere Schutz von Privatadressen von Opfern geplant. Ein nationaler Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen soll erstellt und ein Fokus auf Gewalt gegen ältere Frauen und Frauen mit Behinderung gelegt werden.
Gesundheit als Schwerpunkt
Neben zahlreichen, oft nur in Überschriften angekündigten Maßnahmen zur Bekämpfung männlicher Gewalt gegen Frauen findet sich Frauengesundheit als weiterer Schwerpunkt im Regierungsprogramm. Hier sollen Primärversorgungszentren für Frauen eingerichtet werden, die sich auf frauenspezifische Gesundheitsthemen wie Endometriose (schmerzhafte Wucherungen von Gebärmuttergewebe außerhalb der Gebärmutter) oder Wechseljahre spezialisieren. Ein besonderer Fokus soll auf Frauengesundheitsforschung und Gender-Medizin gelegt werden, „insbesondere im Bereich Zyklus- und Wechselbeschwerden“. Anders als die scheidende deutsche Ampelregierung positioniert sich die neue österreichische Dreierkoalition klar gegen Leihmutterschaft und befürwortet ein explizites Verbot und den „Einsatz für ein Verbot auf europäischer und internationaler Ebene“. Außerdem sollen Menstruationshygieneartikel und Verhütungsmittel von der Umsatzsteuer befreit und damit billiger werden.
Frauen sollen „im Sprachbild abgebildet sein“
Etwas schwammig finden sich im Regierungsprogramm außerdem zahlreiche Bekenntnisse zur Stärkung der ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen, zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zur besseren Finanzbildung von Frauen, der Stärkung von Frauen im ländlichen Raum und zum „Empowerment und Sichtbarkeit von Frauen und Mädchen in allen Lebens- und Berufsfeldern“.
Ein neuer Frauenbericht soll beauftragt und Frauen im „Sprachbild abgebildet sein und nicht zulasten ausschließlich genderneutraler oder männlicher Formulierungen unsichtbar gemacht werden“.
Schon konkreter wird man beim Verbot der Eheschließung von Unter-18-Jährigen und dabei, dass bei rechtskräftig festgestellten Fällen von familiärer Gewalt oder Missbrauch keine gemeinsame Obsorge mehr möglich sein soll. Ab 2026 ist außerdem die Einrichtung eines „Unterhaltsgarantie-Fonds“ mit einem Budget von 35 Millionen Euro vorgesehen, um bei ausbleibenden Unterhaltszahlungen Unterstützung zu leisten. Das geplante Ende der Bildungskarenz wird sich wiederum vor allem für Frauen negativ auswirken – diese nutzen sie aktuell oft, um die Elternkarenz zu verlängern und um in Anschluss an letztere eine Qualifikation zu erwerben, die Berufschancen verbessern oder den Wiedereinstieg erleichtern. Die Abschaffung der Bildungskarenz könnte also langfristig zu einer weiteren Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt führen.
Allzu große feministische Würfe finden sich also nicht. Das war angesichts der angespannten Budgetlage und der Notwendigkeit, zwischen drei Parteien einen Kompromiss zu finden, auch nicht zu erwarten. Was sich allerdings schon findet, sind einige interessante Bekenntnisse und vielversprechende Ankündigungen, auf deren genaue Ausgestaltung man durchaus gespannt sein darf.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
Am 3.März 025 wurde in Österreich die neue Koalitionsregierung aus ÖVP, SPÖ und Neos angelobt.
Das Amt der Ministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung übernimmt die 31-jährige Oberösterreicherin Eva-Maria Holzleitner. Zuvor war sie Landesvorsitzende der Jungen Generation Oberösterreich und seit 2017 als jüngste ihrer Fraktion Abgeordnete zum Nationalrat. 2021 wurde sie Bundesvorsitzende der SPÖ-Frauen und stellvertretende SPÖ-Bundesvorsitzende. Seit 2023 war sie zudem stellvertretende Klubvorsitzende der SPÖ im Nationalrat.
Quellen
Regierungsprogramm der Regierung Stocker