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Keine leeren Kilometer

4 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Privat

Warum Paris ein Vorbild für Wien sein sollte.


Paris führt eine neue Regel ein: Ab März ist eine Spur der 35 Kilometer langen Stadtautobahn für Fahrgemeinschaften reserviert. Wer von der KI-gesteuerten Überwachung allein am Steuer auf dieser Spur erwischt wird, zahlt eine Strafe von 135 Euro. Nachdem 80 Prozent der Autofahrer:innen allein im Auto sitzen, ist das eine sinnvolle Maßnahme im Reigen einer nicht unschlauen Verkehrspolitik der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo.

Neben dieser Maßnahme wurde vor wenigen Wochen auch ein Transitverbot in vier Bezirken eingeführt – auf einer 5,5 Quadratkilometer großen Fläche in der Innenstadt dürfen in Zukunft nur noch Anrainer:innen fahren. Das Ziel ist nicht nur eine Verringerung des Schadstoffausstoßes und des Lärms, sondern auch, anderen Verkehrsteilnehmer:innen mehr Platz zu bieten – und das zeigt sich bereits in ersten Untersuchungsergebnissen: Gerade in den Innenbezirken steigen immer mehr Bewohner:innen auf das Fahrrad um. Schlau! Vor allem: In Paris leben 2,1 Millionen Menschen, und täglich rollen allein 1,5 Millionen Autos über die Stadtautobahn. Klar, dass das schon allein platztechnisch eine Rechnung ist, die nicht aufgeht.

Für SUVs wird es teuer

Nächste gute Idee aus Paris: Je schwerer dein Auto, desto mehr zahlst du beim Parken. In der Innenstadt kostet eine Stunde Parken für SUVs 18 Euro, wer sechs Stunden lang parkt, muss ganze 225 Euro zahlen. Wer also im Zentrum wohnt und keine private Parkgarage sein eigen nennt, sollte nicht mehr SUV fahren. Ich denk mir in Wien auch öfter, so viele steile und verschneite Forststraßen gibt es hier doch gar nicht, dass es so viele SUVs mit Wiener Kennzeichen braucht…

All die Pariser Maßnahmen könnte man als Klimaschutz bezeichnen, aber im Grund sind sie auch Menschenschutz: Die großen Städte Europas sind bereits bis zum Anschlag voll mit Autos, und eine Verringerung dieser Blechmenge geht garantiert mit einer Steigerung der Lebensqualität der Einwohner:innen einher (ok, vielleicht nicht gerade für den, der seinen SUV verkaufen muss, aber mei. Kollateralschaden halt..)

Stehzeuge statt Fahrzeuge

Ich find‘s ja lustig: Fahrgemeinschaften und kein Durchfahren durch enge Altstädte, SUVs aus der Stadt und die Entdeckung des Fahrrads als ideales Fortbewegungsmittel durch die Stadt – man ist schneller als mit den Öffis vor Ort (vor allem, wenn man bei selbigen umsteigen müsste), man findet immer sofort einen Parkplatz und gut fürs Herz-Kreislauf-System ist es obendrein – das alles klingt für mich im Grund nach Hausverstand. Einfachem Hausverstand, schlicht: logisch. Logisch, dass Fahrgemeinschaften den individuellen CO2-Ausstoß halbieren, dritteln oder sogar vierteln im Vergleich zum Alleinfahren. Logisch, dass damit dann weniger Autos unterwegs sind. Logisch, dass es Sinn macht, die Altstadt nicht mit Fahrzeugen vollzupfropfen. Apropos Fahrzeuge: Eine Freundin erzählte mir mal, einer ihrer Stadtplanungs-Professoren hätte gemeint, eigentlich sollte man Autos Stehzeuge und nicht Fahrzeuge nennen, weil sie statistisch sehr viel mehr herumstehen, als dass sie bewegt werden.

Das nur so nebenbei, zurück zur Logik: Fahrgemeinschaften und reiner Anrainer:innen-Verkehr – es sind keine riesigen Maßnahmen, und doch bewirken sie so viel. Genau diese Hebel sind es, anhand derer sich Klimaschutz und Lebensqualität in einer Stadt steigern lassen. Wäre die Idee des Fahrverbots in der Innenstadt vor einigen Jahren von der damals grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein strategisch und kommunikativ nicht so holprig dahergekommen – ich bin mir sicher, dass sie inzwischen ernsthafter diskutiert worden wäre.

Tempo 100 – kleine Maßnahme, riesiger Hebel!

Der nächste wirklich einfache Hebel wäre Tempo 100. „Pro gefahrenem Kilometer emittiert ein Pkw bei Tempo 100 statt Tempo 130 im Schnitt um 49,7 Prozent weniger Stickoxide und um 34,2 Prozent weniger Feinstaub“, schreibt das Umweltbundesamt. Holla die Waldfee, so eine kleine Maßnahme, so eine große Wirkung – ich frag mich immer noch, wo das Problem liegt. Das Autofahren kollektiv verbieten ist utopisch und auch nicht zielführend – aber so ein einfaches Runtergehen im Tempo hat so eine massive Auswirkung? Warum also tut man es nicht einfach? Warum ist der Luftschutzhunderter in der Steiermark stattdessen gerade kurz vor der Abschaffung? Wo ist das … logisch?

Und weil wir in wenigen Monaten in Wien wählen und ich davon ausgehe, dass es für die SPÖ auch diesmal wieder gut ausgehen wird: Liebe SPÖ, wie wär‘s: Die ganz linke Spur auf der Südosttangente darf nicht mehr befahren werden, wenn man allein im Auto sitzt?

Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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