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Krieg tötet – auch das Klima

5 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© Illustration: WZ

Während über Klimaschutz verhandelt wird, bleiben militärische Emissionen außen vor – obwohl Armeen zu den größten CO2-Verursachern zählen.



Es ist endlich Sommer, warm, sonnig, die Ferien sind bereits in Reichweite und versprechen den Duft von Grillereien, Siestas und Sonnencreme. Man denkt dabei an Festivals, Lagerfeuer, das Meer, abschalten – und nicht daran, wie es Menschen in anderen Weltgegenden jetzt wohl geht. Aber sorry, ich muss trotzdem den Party-Pooper machen. Es laufen aktuell auf der ganzen Welt 59 aktive Kriege – die größte Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg, 2019 waren es noch nur knapp halb so viele. Die größten (medialen) Scheinwerfer werden derzeit auf drei Kriege gerichtet: Den Angriff von Israel und den USA auf den Iran, den Angriffskrieg von Russland in der Ukraine und den grausamen Krieg um Gaza. Doch auch im Sudan, in Myanmar, in der Demokratischen Republik Kongo oder in Ecuador toben kriegerische Auseinandersetzungen.

Sowohl bei der Ukraine als auch bei Gaza habe ich den Eindruck, dass das öffentliche Interesse nach den jeweils ersten Kriegsschocks wieder abnimmt, doch es wird munter weitergebombt. Menschen flüchten, Menschen leiden, Menschen sterben.

US-Heer größter institutioneller CO2-Emittent

Doch was hat das in einer Kolumne zu Nachhaltigkeit verloren? Neben all der absoluten Tragik, die Kriege auslösen: Weil Militärs vor allem im Kriegsfall einen riesigen CO2-Ausstoß haben. Das US-Heer ist – festhalten – der größte institutionelle Einzelverbraucher fossiler Brennstoffe weltweit. Durchschnittlich werden von den Soldaten über 59 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Das ist so viel wie der Ausstoß von 13 Millionen Autos. Zum Vergleich: Das ist mehr als die Gesamtmenge der Fahrzeuge, die 2023 in der EU neu zugelassen wurden. Das US-Militär emittiert Schätzungen zufolge mehr CO2 als 148 der 195 Länder weltweit, darunter auch Portugal, Peru oder Ungarn.

Warum ist das so? Die Herstellung von Waffen ist energie- und ressourcenintensiv, und auch der Wasserverbrauch ist enorm. Emissionen entstehen aber nicht nur bei der Waffenproduktion, sondern auch beim Transport. Der größte Posten innerhalb der CO2-Emissionen von Militärs ist so gut wie immer die Kampfjets, die tausende Liter Kerosin pro Stunde verbrennen. Doch auch Flugzeugträger, Panzer und LKW-Konvois sind Schwerverbraucher fossiler Brennstoffe. Hinzu kommen diverse Brände, Zerstörungen von Industrieanlagen und von Infrastruktur sowie Bombardierungen. Krieg vernichtet Wälder, kontaminiert Böden und Gewässer, zerstört Biodiversität. Der Irakkrieg 2003 führte zur Verseuchung des Bodens mit Schwermetallen, giftigen Rückständen und Treibstoffresten.

Österreich will Netto- Null erreichen

Doch jetzt kommt der Clou: die meisten Militär-Emissionen werden international nicht offengelegt und sind vom Pariser Klimaabkommen weitgehend ausgenommen. Oder genauer gesagt: Es besagt, dass die Berichterstattung dazu freiwillig ist. Also, logisch, pfeifen die meisten drauf, um ihre Bilanzen zu schönen.

Österreich und Slowenien sind die einzigen in Europa, die sich zu Netto-Null-Zielen für militärische Emissionen verpflichtet haben. Sie erfassen und berichten ihre militärischen Emissionen umfassend, einschließlich Energieverbrauch auf Militärbasen und Treibstoffnutzung durch militärische Ausrüstung. Ich bin gespannt, ob sich das zukünftig mit dem Anstieg des Budgets und der in der ganzen EU immer wieder ausgerufenen Aufrüstung ausgeht.

Deutschland und das Vereinigte Königreich sind zurückhaltender: Zwar gibt es Reduktionsziele und Selbstverpflichtungen, aber zum Beispiel die Emissionen von Auslandseinsätzen werden unter den Teppich gekehrt.

Und, Überraschung, wer nicht nur gar nicht berichtet, sondern auch aktiv daran gearbeitet hat, dass militärische Emissionen aus internationalen Klimaverträgen rausgenommen werden, sind die USA - und nachdem Trump sowieso angekündigt hat, aus dem Pariser Abkommen aussteigen zu wollen, halte ich die Wahrscheinlichkeit, dass sich beim US-Militär in Bezug auf ihre Berichte in absehbarer Zeit irgendwas ändert, für kleiner als die, dass es zu einem Friedensabkommen für Gaza kommt, mit dem alle zufrieden sind. Kurz: Die CO2-Bilanzen einzelner Länder könnte man sich genauso ausschnapsen, so verzerrt sind die in Wahrheit.

Krieg zerstört das Klima

Aber weg vom bürokratischen Berichten: Krieg zerstört neben unzähligen Menschenleben die Umwelt, Krieg ist ein verdeckter Klimatreiber. Bombardierte Städte, Infrastruktur und Industrieanlagen setzen Treibhausgase frei. Der Wiederaufbau nach Kriegen ist extrem CO2-intensiv (Zement, Stahl, Diesel). Millionen von Klimaflüchtlingen und Kriegsvertriebenen benötigen Notversorgung, Mobilität und neue Infrastruktur – mit klimapolitischen Folgen. Kriegsbedingte Energiekrisen (wie der Ukraine-Krieg 2022) haben kurzfristig zu mehr fossiler Nutzung geführt.

Und: Krieg lenkt Ressourcen, politische Energie und Finanzierung weg vom Klimaschutz. Das merkt man, wenn man aktuell Nachrichtenwebsites liest. Meine subjektive Wahrnehmung ist: Es gibt immer weniger Klimaberichterstattung, dafür täglich Schreckensmeldungen aus der Ukraine, dem Nahen Osten und einen US-Präsidenten, der das geopolitische System gerade so derartig durch den Häcksler stößt, dass Unsicherheit und Kriegsangst weltweit um sich greifen. In der Zwischenzeit beschleunigt sich der Klimawandel immer weiter.

Doch die Katze beißt sich leider noch dazu in den Schwanz: Der anhaltende Klimawandel wird sehr wahrscheinlich dazu führen, dass es sogar noch weitere Kriege geben wird – um Ressourcen.


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