KZ-Areal: Der Millionen-Deal des Ortschefs von Leobersdorf
Wieviel Geld Andreas Ramharters Immo-Firma mit den KZ-Gründen verdiente, war bisher ein Geheimnis. Wir haben es gelüftet – und sind auf weitere Deals des Bürgermeisters gestoßen.
Ein Gewerbepark auf den Fundamenten eines Konzentrationslagers. Die Berichte von WZ und Falter über ein Bauvorhaben in Leobersdorf sorgen für Wirbel. Eine Initiative sammelt Unterschriften dagegen. Die Israelische Kultusgemeinde fordert eine strafrechtliche Prüfung. Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen diskutiert mit dem Bundesdenkmalamt. Auch im Innenministerium läuft die Debatte. Ein Stopp des Projekts ist möglich. Eine Gedenkstätte statt eines Gewerbeparks denkbar.
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Für die Immobilien-Firma des Bürgermeisters ist das schlussendlich egal. Sie hat ihr Geschäft bereits gemacht, die Gründe um 15 Millionen Euro verkauft – und durch zwei kleine Umwidmungen 1,3 Millionen extra bekommen. Wie viel sie mit dem Verkauf des Grundstücks aber verdient hat, wollte uns Bürgermeister Andreas Ramharter nicht sagen. Aus dem Preis, den er für das Grundstück bezahlt hat, macht er ein Geheimnis. Wir haben es gelüftet. Und sind auf weitere Deals des Bürgermeisters gestoßen.
WZ und Falter haben die Bilanzen von Ramharters Firma geprüft. Der Immobilien-Hai mit Bürgermeister-Liste (Zukunft Leobersdorf) versteht sein Geschäft. Sein Unternehmen schreibt hohe Gewinne. Das liegt an einem besonderen Glücksgriff.
KZ-Gründe waren Staatseigentum
Denn Ramharters Firma fielen durch eine Firmenübernahme günstig große Gewerbeflächen in der Gemeinde zu. Kurze Zeit später verkaufte sie die Wiesen weiter. Mit hohem Gewinn und ohne große Leistung. Die KZ-Gründe waren nur ein Teil davon. Insgesamt geht es um 16,5 Hektar Grund – um 24 Fußballfelder große Flächen – entlang der Bundesstraße 18.
Sie gehörten einmal der Republik Österreich und ihren Einwohner:innen. Ende der 1980er-Jahre verkaufte der Staat 350 Hektar Land am westlichen Rand des Wiener Beckens – unter ihnen die besagten Flächen in Leobersdorf. Käufer war der Schweizer Milliardär Martin Ebner und sein Unternehmen Patinex. Der Investor gründete für die Immo-Deals in Österreich eine eigene Gesellschaft, die sogenannte SOGIP (Schweizerisch-österreichische Gewerbe- und Industriepark Berndorf – Leobersdorf Errichtungsgesellschaft m.b.H.). Bis heute rufen die Leobersdorfer:innen die Brachen „SOGIP-Gründe”.
Die Privatisierung der Staatssilbers stieß Anfang der 1990er-Jahre auf Unmut und führte zu einer parlamentarischen Anfrage an Wirtschaftsminister Viktor Klima (SPÖ). Schon damals befürchtete die Opposition „Spekulationsgeschäfte“ mit dem einst öffentlichen Grund. Klima antwortete mit dem Arbeitsplatz-Versprechen und Wohlstand für die Region.
Die Schweizer scheitern
Erfüllen sollte sich das nicht. In den kommenden Jahrzehnten konnte die SOGIP zwar viele der Grundstücke verwerten. Sie stieß Wälder, Wiesen, Brachen ab. Doch in Leobersdorf blieben die Schweizer auf ihren Flächen hocken. Nur eine wurde verkauft – und erwies sich als Reinfall. Die Einkaufsstadt „Leoville“, gegenüber der KZ-Gründe, ging wenige Jahre nach ihrer Eröffnung 2005 auch schon wieder bankrott. Ihre maroden Konsum-Hallen stehen bis heute verwaist auf der Wiese herum.
Warum der Schweizer Milliardär an den 24 Fußballfeldern in Leobersdorf scheiterte, wissen wir nicht. Eine Anfrage von WZ und Falter ließen die Eigentümer der Patinex genauso unbeantwortet wie der ehemalige Geschäftsführer der SOGIP. Was wir jedoch wissen: Bürgermeister Ramharter hatte ein glücklicheres Händchen.
Ramharters Glücksgriff
Seine Prisma Development GmbH schluckte die SOGIP und ihre übriggebliebenen Ländereien im November 2021. Die Prisma Development gehört Andreas Ramharter und seinen drei Söhnen. Aus der SOGIP machten sie die Prisma Liegenschafts GmbH. Wie viel die Ramharters für die SOGIP und ihre Flächen bezahlt haben, wollen sie uns nicht sagen. Doch Grund- und Firmenbuch geben Aufschluss.
Am 6. Oktober 2021 nahm die SOGIP noch schnell ein Darlehen auf ihre Gründe bei der Raiffeisenbank Region Baden auf. Dort sitzt Bürgermeister Ramharter im Vorstand. Noch am selben Tag übernahm Ramharters Firma die SOGIP – und damit auch das Darlehen. Mit dem geliehenen Geld – laut Grundbuch waren es 4,6 Millionen Euro – dürfte die Prisma die Anteile der früheren SOGIP-Gesellschafter gekauft haben. In den Bilanzen der Prisma Development steigt außerdem die Finanzanlage, also das angelegte Vermögen, im selben Zeitraum von null auf 5,9 Millionen Euro. Beide Summen zusammen dürften den Preis für die Übernahme der SOGIP ausmachen, also rund 10,5 Millionen Euro. Zwei unabhängige Wirtschaftsprüfer konnten die Rechnung nachvollziehen.
19 Millionen in 19 Monaten
Ein gutes Geschäft für die Familie des Bürgermeisters. Die Investition machte sich schnell bezahlt. Schon zwei Monate später, im Jänner 2022, gelang der Prisma Liegenschafts GmbH, woran die SOGIP 32 Jahre lang gescheitert war. Sie verkaufte die erste der 16,5 Hektar großen Gewerbeflächen. 1,7 Millionen Euro bekam sie für rund einen Hektar Land. Nun ging es Schlag auf Schlag. Im April folgten drei weitere Grundstücke. Im Mai das nächste. In insgesamt elf Tranchen veräußerte Ramharters Prisma die Gründe. WZ und Falter liegen alle Kaufverträge vor. Der letzte wurde am 22. Juni 2023 unterzeichnet.
Neunzehn Monate nach der Firmenübernahme hatten die Ramharters ihre Liegenschaften an die Investor:innen gebracht. Nur zwei der SOGIP-Gründe sind bis heute in ihrem Besitz. 29 Millionen Euro legten die Käufer:innen insgesamt auf den Tisch. Ausgehend von obiger Rechnung verdiente die Prisma daher vor Steuern 19 Millionen Euro mit den SOGIP-Flächen. Allein die KZ-Gründe brachten ihr rund zehn Millionen Euro.
Wieso gelang es der Immobilienfirma des Bürgermeisters in wenigen Monaten den Preis zu verdreifachen? Warum war Bürgermeister Ramharter in seiner Gemeinde so erfolgreich – und seine Schweizer Kollegen nicht? Wir wissen es nicht. Ramharter beantwortete unsere Anfrage nicht.
Frische Infrastruktur für Ramharters neue Wiesen
Fest steht, der Gemeinderat – in dem Ramharters Liste die absolute Mehrheit hält – wertete die Wiesen nach dem Ausstieg der Schweizer auf. Nicht nur durch die zwei Umwidmungen auf den KZ-Gründen, die dem Ortschef nachträglich zwei hohe Prämien bringen sollten. Die Gemeindepolitiker:innen sorgten auch für frische Infrastruktur auf den neuen Flächen des Bürgermeisters. Sie legten Kanal, Kabel und Glasfaser an die Grundgrenze. Sie schlossen die Gründe auf, wie es im Fachjargon heißt. Erst das machte sie für Investor:innen interessant.
Der Beschluss für die Aufschließung fiel am 17. März 2022. Damals verkaufte Ramharters Prisma die Grundstücke gerade der Reihe nach. Um 18:00 Uhr traf sich der Gemeinderat im Rathaus von Leobersdorf – und stimmte für den Bau einer „Aufschließungsstraße“ im südlichen Bereich des ehemaligen SOGIP-Areals. Hier „sollen sich in den nächsten Monaten mehrere Gewerbebetriebe ansiedeln“, heißt es im Protokoll der Sitzung. Um ihnen „die nötige Infrastruktur anbieten zu können, soll im Jahr 2022 mit dem Bau der Rudolf Diesel Straße begonnen werden. Von der Gemeinde ist dazu die Herstellung des Kanals, der Straßenbeleuchtung und von Glasfaserleitungen angedacht“. 1,43 Millionen Euro steckte die Gemeinde – laut Protokoll – in die Aufschließung. Ramharter stimmte in der Sitzung für den Straßenbau.
Im August 2022 beschloss der Gemeinderat, auch den nördlichen Teil des Areals an das Kanalnetz anzuschließen. 54.769 Euro kosteten die Arbeiten dort.
13.000 Unterschriften für das Gedenken
Das Gemeindeamt von Leobersdorf bestätigt uns den Bau der öffentlichen Straße. Die Kosten sollen von den angrenzenden Grundeigentümer:innen über Aufschließungsabgaben wieder in die Gemeindekasse gespült werden. Der Bürgermeister selbst will dazu nichts sagen.
Sein Familienbetrieb hat sich mit dem SOGIP-Deal eine goldene Nase verdient. Die historische Belastung eines Teils der Flächen stand dem Geschäft nicht im Weg. Mit dem muss sich der neue Eigentümer plagen. Denn seit WZ und Falter die Pläne publik machten, regt sich Widerstand. Der Gewerbepark auf den KZ-Gründen beschäftigt die Menschen. Knapp 13.000 haben eine Petition dagegen unterschrieben. Vergangenen Freitag fand eine Mahnwache auf der Wiese statt. Die Grünen fordern ein Bebauungsverbot. Neos und SPÖ eine Rückabwicklung. Und Bürgermeister Ramharter? Der scheint kein Problem mit Gewerbehallen auf dem NS-Tatort in seiner Gemeinde zu haben. Warum auch? Er hat damit Millionen verdient.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner:innen
Andreas Ramharter, Bürgermeister Leobersdorf, Geschäftsführer und Eigentümer der Prisma Liegenschafts GmbH (auf Anfrage nicht geantwortet)
Walter Guggenberger, Geometer, Geschäftsführer der SOGIP von 1996 bis 2021 (auf Anfrage nicht geantwortet)
Patinex AG, Schweiz, früherer Eigentümer der SOGIP (auf Anfrage nicht geantwortet)
Barbara Glück, Direktorin KZ-Gedenkstätte Mauthausen Memorial Center
Grüne Niederösterreich
Gemeinde Leobersdorf
Wirtschaftsprüfer
Daten und Fakten
SOGIP: Die „Schweizerisch-österreichische Gewerbe- und Industriepark Berndorf – Leobersdorf Errichtungsgesellschaft m.b.H.“ wurde am 24. Jänner 1989 gegründet. Hinter der SOGIP stehen mehrere Investoren, darunter der Schweizer Bankier und Milliardär Martin Ebner. Die SOGIP erwirbt in mehreren Tranchen insgesamt 350 Hektar Liegenschaften südlich von Wien. Verkauft wurden die Wälder, Wiesen und Gewerbeflächen von der Staatsholding ÖIAG, der Vorgängergesellschaft der Österreichischen Beteiligungs AG, kurz ÖBAG.
Die SOGIP will auf 600.000 m² zehn Betriebe in zehn Jahren ansiedeln, der Großteil der gekauften Flächen soll als Waldgebiet für Erholungszwecke erhalten bleiben. Der neu geschaffene Industriepark soll bis zu 1.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Die geplanten Projekte lassen sich allerdings nur zum Teil verwirklichen. Die „SOGIP-Affäre“ schafft es bis in den Nationalrat, die Opposition stellt eine parlamentarische Anfrage an den damaligen Wirtschaftsminister Viktor Klima (SPÖ).
Die SOGIP verkaufte etwa die Liegenschaften gegenüber des ehemaligen KZ-Außenlagers an der Bundesstraße 2004 an die European Outlets AG. 2005 wurde ein Outletcenter mit 60 Marken eröffnet. 2008 sperrte es aufgrund fehlender Kundschaft schon wieder zu. Auch der Nachfolger Bloomfield hatte keinen Erfolg mit einem Einkaufszentrum. Seit vielen Jahren steht es leer. Heute dient das Areal als Busparkplatz.
Am 6. Oktober 2021 übernimmt die Prisma Development GmbH, die dem Leobersdorfer Bürgermeister Andreas Ramharter und seinen Söhnen gehört, die SOGIP-Anteile von Martin Ebners Patinex AG. Später wird die SOGIP in Prisma Liegenschafts GmbH umbenannt.
Quellen
Grund- und Firmenbuch
Flächenwidmungsplan NÖ Atlas
Katasterplan
Kaufverträge
Bilanzen Prisma Liegenschafts GmbH, 2021-2023
Bilanzen Prisma Development GmbH, 2021-2023
Protokoll Außerordentliche Generalversammlung SOGIP November 2021
Protokoll Außerordentliche Generalversammlung SOGIP Juli 2021
Stenographisches Protokoll 96. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich, 15. Und 16.12.1992
Anfragebeantwortung 2844/J-NR/1992 „Verwertung von Betriebsgrundstücken der Berndorfer Metallwaren AG", 1992
Marktgemeinde Leobersdorf, Gemeinderatsprotokoll vom 17.3.2022
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
falter.at: KZ-Affäre Leobersdorf: Der Millionen-Schnitt des Bürgermeisters (Paywall)
falter.at: Leobersdorf: Geschäftemacherei mit einem früheren KZ (Paywall)
falter.at: Leobersdorf: Lässt sich die Geschäftemacherei mit früherem KZ noch stoppen? (Paywall)
derstandard.at: Leobersdorfer Bürgermeister verdiente mit Deal um ehemaliges KZ-Areal
kurier.at: Gewerbepark auf KZ-Areal: Bürgermeister von Leobersdorf in der Kritik
diepresse.com: Bürgermeister soll an Umwidmung von ehemaligem KZ-Areal kräftig verdient haben
ORF Report: Umstrittene Umwidmung von KZ Hirtenberg