Georg Renners Analyse zur kommenden Landtagswahl in der Steiermark am 24. November.
Unterbrechen wir die spannenden Vorgänge in Wien – die Verhandlungen um eine neue Koalition im Bund sind diese Woche vom Aggregatszustand bloßer „Sondierungen“ in jenen echter „Verhandlungen“ übergegangen, was ein bisschen konkreter ist, viel mehr aber auch nicht – und werfen einen Blick in die Steiermark. Im viertgrößten Bundesland Österreichs wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt – und im Gegensatz zur Landtagswahl in Vorarlberg vor mehr als einem Monat stehen die Zeichen in Graz auf Sturm.
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Landtagswahl-Ergebnis 2019
Warum ist das so? Schauen wir uns zunächst an, woher wir kommen – das Ergebnis der Landtagswahl 2019 nämlich:
2019, das war das Jahr, in dem die türkis-blaue Regierung nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos geplatzt ist und die ÖVP unter Sebastian Kurz bei der vorgezogenen Nationalratswahl ein aus ihrer Sicht traumhaftes Ergebnis von 37,5 Prozent erzielte – Wähler:innen, die davor die Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache gewählt hatten, wanderten en masse zu Kurz‘ Volkspartei ab.
Die Steiermark, die damals genau wie heuer rund zwei Monate nach der Nationalratswahl ihren Landtag wählte, folgte fast exakt im Windschatten der Entwicklungen im Bund. Die ÖVP, bis dahin knapp nur zweitstärkste Partei hinter der SPÖ, gewann rund acht Prozentpunkte an Stimmen dazu – auch im Land fast ausschließlich auf Kosten der FPÖ – und stellte in einer türkis-roten Koalition mit Hermann Schützenhöfer weiterhin den Landeshauptmann.
Die Steirer:innen bei der Nationalratswahl
Fünf Jahre, eine Corona-Pandemie, Energie- und Inflationskrisen später schaut die Lage völlig anders aus. Hier zunächst das Ergebnis, das die Parteien bei der Nationalratswahl eingefahren haben:
Sogar noch deutlicher als im Bund ist die FPÖ unter Herbert Kickl auf Platz eins gelandet – mit fast einem Drittel der Stimmen deutlich vor der ÖVP. Die SPÖ liegt auch hier deutlich abgeschlagen auf dem dritten Platz – weit weniger als die Hälfte der Wähler:innen hat sich für die beiden ehemaligen Großkoalitionäre entschieden.
Ähnlich schauen die beiden öffentlichen Umfragen aus, die im letzten Monat zur Landtagswahl in der Kleinen Zeitung und auf oe24 erschienen sind:
Beide Umfragen deuten darauf hin, dass die FPÖ unter Mario Kunasek – trotz eines veritablen Finanzskandals – am Sonntag Erster werden dürfte. Auch wenn bei einigen Prozentpunkten Schwankungsbreite theoretisch noch Abweichungen möglich sind, gehen die Freiheitlichen als klarer Favorit ins Rennen.
Für die Steiermark, die – wie alle Bundesländer außer Kärnten – bisher nur rote und schwarze Landeshauptleute kannte, ist das, was danach passiert, Terra incognita: Werden ÖVP oder SPÖ Kunasek dann zum Landeshauptmann machen? Oder würden sie sich – wie sie es gerade im Bund versuchen – mit einem eventuell nötigen dritten Partner auch als zweit- und drittstärkste Partei an der Macht zu halten versuchen?
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Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Auswirkungen in Wien
Fragen, die in den Wochen nach dem Wahltag primär die steirischen Parteien werden klären müssen – aber das Ergebnis am Sonntag könnte durchaus auch Auswirkungen in Wien haben: Bisher hat sich Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer trotz des Absturzes bei der Nationalratswahl an der Parteispitze gehalten – aber das könnte sich schnell ändern, wenn der Volkspartei der Sitz des steirischen Landeshauptmanns verloren ginge.
Und in der SPÖ könnte ein eventueller Absturz ebenfalls die Strategie unter Parteichef Andreas Babler in Frage stellen – und dessen Herausforderer Rudolf Fussi beflügeln, der gerade Unterschriften unter Parteimitgliedern sammelt, um eine Abstimmung über Babler an der Parteispitze zu erzwingen.
Sehr wahrscheinlich ist das zwar nicht – Regierungsverhandler:innen haben mehrfach erklärt, die Landtagswahl habe grundsätzlich keine Bedeutung für den Bund –, aber ausschließen kann man es auch nicht, dass sich das Schicksal der Wiener Verhandler:innen am Sonntag in der Steiermark entscheidet. Es zahlt sich aus, genau zu beobachten, was dann passiert.
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Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.