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Louvre-Raub: Was machst du als Dieb mit der Beute?

3 Min
Der Raub der französischen Kronjuwelen am 19. Oktober war der erste Kunstraub im Louvre seit 1998.
© Illustration: WZ / Katharina Wieser, Bildquelle: Wiki Commons.

Die aus dem Louvre gestohlenen Broschen und Diademe sind unverkäuflich - die Juwelen sind akribisch registriert und dokumentiert. Was die Diebe dennoch damit anfangen können, analysiert Eva Stanzl in ihrem Kommentar.


    • Diebe raubten acht französische Kronjuwelen aus dem Louvre, die wegen ihrer Einzigartigkeit praktisch unverkäuflich sind.
    • Jasper Sharp betont, dass Auftragsdiebstähle selten sind; meist werden gestohlene Juwelen zerlegt und als Material verkauft.
    • Christoph LaGarde erklärt, dass Diebe auch versuchen könnten, Museen mit dem Diebesgut zu erpressen, da diese oft unterversichert sind.
    • Am Sonntag um 9:30 wurden acht Kronjuwelen aus dem Louvre gestohlen.
    • Die Diebe waren nach sieben Minuten mit Broschen, Diademen und Halsketten verschwunden.
    • Frankreichs Kulturministerin Dati spricht von Angriffen organisierter Kriminalität.
    • Kronjuwelen sind nur teilweise versichert, der ideelle Wert ist kaum abgedeckt.
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

Ein Wagen mit einer ausfahrbaren Leiter, ein Balkon und eine eingeschlagene Türe: Das war alles, was die Diebe brauchten, um am Sonntag um 9:30, kurz nach der Öffnung des Pariser Kunstmuseum Louvre, acht Kronjuwelen aus einem der meistbesuchten Museums der Welt zu rauben. Sieben Minuten später waren die Einbrecher mit Broschen, Diademen, Halsketten mit Diamanten und Perlen aus der Zeit des französischen Kaiserreichs im Gepäck wieder weg. Durchaus eine Leistung, bei aller Kriminalität.

Was aber können die Einbrecher mit der Beute anfangen? Kronjuwelen sind unverkäuflich. Registriert und bis ins kleinste Detail dokumentiert, kennen die Kurator:innen des Louvre und ihre Versicherung alle Geschmeide nach Alter, Goldschmied, Legierung und Machart und alle Steine nach Einschlüssen, Gewicht und Schliff. Würden die Diebe die französischen Kronjuwelen, über die Dutzende Bücher geschrieben wurden, einem Auktionshaus anbieten, wären sie sofort enttarnt. Auch der Antiquitäten- und Schmuckhandel käme ihnen schnell hinter die Schliche. Was macht man also mit solch einer Beute?

„Auftragsdiebstähle kommen nur selten vor“

Vielleicht landen sie in einem Privathaus in einem Safe? War es ein Auftragsdiebstahl für eine Person mit einer besonderen Liebe für Edelsteine, die sie bloß besitzen will? Im Film „James Bond jagt Dr. No“ aus dem Jahr 1962 etwa sieht Bond das Gemälde „Porträt des Herzogs von Wellington“ von Francisco Goya in Dr. No‘s Versteck auf einer Staffelei. Das Bild wurde im echten Leben tatsächlich kurz vor den Dreharbeiten aus der National Gallery in London entwendet (zum Preis des Bildes siehe Infos und Quellen). Laut Expert:innen ist dieses Szenario jedoch die Ausnahme. „Auftragsdiebstähle kommen nur äußerst selten vor“, sagt Jasper Sharp, britischer Kurator und Kunsthistoriker in Wien, zur WZ.

Frankreichs Kulturministerin Rachida Dati vermutet ein gezieltes Vorgehen. Sie sprach von Angriffen auf französische Museen: „Das sind Profis. Die organisierte Kriminalität hat es auf Kunstobjekte abgesehen. Die Museen sind zu Zielscheiben geworden“, sagte Dati am Montag.

Wie Kronjuwelen zu Halskettchen werden

Und somit bleiben zwei Möglichkeiten. Erstens könnten die Diebe den französischen Familienschmuck, wie Adelsexperten ihn nennen, in seine Bestandteile zerlegen, die Diamanten neu schleifen und das Gold einschmelzen. „Dann wird der historische Wert auf den Materialwert reduziert und kann zu diesem verkauft werden. Das kommt bei Schmuckstücken am häufigsten vor “, sagt Sharp. Auf diese Weise ließen sich aus Kronjuwelen im Endeffekt kleine Halskettchen, Ohrringe und Armreifen mit hübschen Schmucksteinen fertigen und unter die Leute bringen.

Zweitens könnten kriminelle Banden mit Diebesgut Versicherungen erpressen. Museen versichern ihre Bestände nämlich vor Raub. Allerdings oftmals nur zu einem Teil, da die Prämie sonst ins Astronomische ginge. „Kronjuwelen sind de facto nicht in der vollen Höhe des ideellen Werts versicherbar. Daher können derartige Diebstähle für den Eigentümer, in diesem Fall für Frankreich, teuer werden, wenn er die Kronjuwelen zurückhaben will, die Diebe aber die volle Summe fordern“, erklärt Christoph la Garde, Kunstsammler und vormaliger Eigentümer des Auktionshaus im Kinsky.

Weckt Assoziationen zu Wien

Oder das Diebesgut kommt wieder zurück. Wie das berühmte, kunstvoll gefertigte Salzfass „Saliera“, das am 11. Mai 2003 aus dem Kunsthistorischen Museum (KHM) in Wien entwendet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war das Museum wegen Bauarbeiten eingerüstet. Der Täter, Robert Mang, war Inhaber einer Alarmanlagenfirma in Wien-Neubau. Der Sicherheitstechniker gab an, Schwachstellen im Alarmsystem des Museums entdeckt zu haben, und dass er mit dem Raub zeigen habe wollen, wie einfach es gewesen sei, ins KHM einzudringen. In der Folge versuchte er allerdings, von der Versicherung zuerst fünf und dann zehn Millionen Euro für die Rückgabe des Salzfasses, das er zuerst unter seinem Bett versteckt hielt und dann im Wald vergrub, zu bekommen. Schließlich führte er die Ermittler zum Versteck und gab das fein gearbeitete Salzfass wieder zurück.

Bei aller Dreistigkeit ist Dieben wie jenen im Louvre und oder auch Robert Mang meisterhaftes Geschick zuzugestehen. Kriminelle Energie ist, wie man sieht, eine hochinnovative Sache. Würden wir Menschen ebenso viel Energie guten Zwecken widmen, könnte die Welt schon ein ganzes Stück weiter sein.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner

  • Jasper Sharp, britischer Kurator und Kunsthistoriker in Wien, Mitbegründer von Phileas - The Austrian Office for Contemporary Art sowie ehemals Kurator für zeitgenössische Kunst am Kunsthistorischen Museum in Wien.
  • Christoph la Garde, Kunstsammler und vormaliger Eigentümer des Auktionshauses im Kinsky in Wien.

Daten und Fakten

Der genaue Wert des Bildes ,,Porträt des Herzogs von Wellington" von Francisco Goya kann nicht so einfach bestimmt werden, da es sich um ein historisch bedeutendes Kunstwerk handelt, dessen Wert von vielen Faktoren abhängt. Ein ähnliches Werk von Goya erzielte 2023 bei einer Auktion in New York einen Rekordpreis von 16,4 Millionen US-Dollar, aber dieser Wert ist nicht direkt übertragbar.

Quellen

Kunst Online: Die größten Kunstraube der Geschichte

Das Thema in der WZ

Zensur in Museen – auch eine Gefahr für mich?

Das Thema in anderen Medien

ARD-Tagesschau: Das ist der französische Familienschmuck

science.orf.at: Diebe verloren Krone von Kaiserin

Hessenschau: Kunstraub im Louvre erinnert an spektakulären Diebstahl in Frankfurt

WDR: Kunstraub im Louvre: Was steckt hinter solchen Diebstählen?

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