Zum Hauptinhalt springen

„Mein Schnitzel bleibt mein Schnitzel!!!!1!1!!“

3 Min
"It’s Giving Politics" ist der Titel der neuen Kolumne von Chiara Swaton und Nora Schäffler. Darin schreiben sie im wöchentlichen Wechsel über politische Themen.
© Illustration: WZ / Katharina Wieser

Dürfen vegane Produkte noch „Schnitzel“, „Würstel“ oder „Steak“ heißen? Darüber wird gerade im EU-Parlament abgestimmt.


Gestern war ein nervenaufreibender Tag für mich. Ich ahnte nichts Böses, als mein Magen zu knurren begann. Zum Glück gibt’s einen Bäcker gegenüber. Ich holte mir eine Zimtschnecke, untersuchte Mehlpartikel für Mehlpartikel, Zuckerkristall für Zuckerkristall, Zimtstäubchen für Zimtstäubchen. Das Ergebnis: keine Schnecke drin!!! Eine Irreführung sondergleichen. Mein Österreich ist nicht mehr mein Österreich. Meine EU ist nicht mehr meine EU!!!!

Im EU-Parlament wird gerade diskutiert, ob vegane Fleischalternativen künftig keine Namen wie „Würstel“, „Schnitzel“ oder „Steak“ mehr tragen dürfen. 355 Abgeordnete stimmten für das Verbot, 247 dagegen, 30 enthielten sich. Der Grund: Es gebe ein „echtes Verwechslungsrisiko“. Außerdem böten pflanzliche Produkte nicht dieselben Nährwerte wie ihre „echten“ tierischen Namensvetter. Verbraucherschützer: innen, internationale Handelsketten und NGOs halten das für Unsinn.

Wer steckt dahinter?

Eingebracht wurde der Antrag von der französischen EVP-Abgeordneten Céline Imart. Sie argumentiert, es gehe um „Transparenz und Klarheit für den Verbraucher und um Anerkennung für die Arbeit unserer Landwirte“. Kritiker:innen halten dagegen: Das Verbot diene genau einer Gruppe, und zwar den Fleischerzeuger: innen. Denn hinter der EVP steht eine breite Bauernlobby, die mit ansehen muss, wie Fleischkonsum sinkt und vegane Produkte wachsen. Also will man unter dem Deckmantel des „Verbraucherschutzes“ die Konkurrenz kleinhalten. Oder wie ein Experte sagt: Es geht weniger um Verwirrung im Supermarkt, sondern um den Schutz der Fleischindustrie.

Mein Würstel in Gefahr

Ich male mal den Teufel an die Wand: Ich gehe in den Supermarkt, will ein Schweinsschnitzel, lande versehentlich beim Kühlregal und plötzlich liegt ein Sojaprodukt auf meinem Teller. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber in so einer betrügerischen Welt möchte ich nicht leben! Gott bewahre, dass ich mit meinem Einkauf etwas für meine Gesundheit und das Klima getan habe. Und dass kein Schwein für mich gestorben ist. Jetzt gibt’s aber wortwörtlich Beef!

EU-Argument: Verwechslungsgefahr?

Die zuständigen Abgeordneten sehen also ein „echtes Verwechslungsrisiko“. Ich finde das total richtig – schließlich brauchen wir endlich klare Bezeichnungen! Zum Beispiel sollte „Wurst“ künftig „zerkleinertes Muskelfleisch mit Salz und Gewürzen, durch Darm, Blase oder Magen gepresst“ heißen. Und „Schnitzel“? Vielleicht: „geklopftes Fleisch, in Ei und Mehlpanade gewendet“. Klingt doch gleich viel appetitlicher.

Prioritäten, bitte!

Es ist ja wirklich wichtig, dass über so etwas intensiv gesprochen wird. Schließlich haben wir in der EU, abgesehen von Migration, Verteidigungsstrategien, Klimakrise oder Bildungsbudgets, ja sonst wirklich keine wichtigeren Themen.

Nach meinem Erlebnis habe ich übrigens weiter recherchiert: In Sonnenmilch ist tatsächlich keine Kuhmilch, in meiner WC-Ente kein Entenfleisch und im Baumkuchen: Kein einziger Baum. Wenn das die EU erfährt …


Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen, dir ist ein Fehler aufgefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.


Infos und Quellen

Genese

WZ-Autorin Nora Schäffler zeigt überspitzt und mit leichtem Augenzwinkern, warum das neue EU-Verbot aus ihrer Sicht übertrieben und irrelevant ist und fragt sich, welche Lobby dahintersteckt.

Daten und Fakten

  • Im EU-Parlament wird aktuell darüber abgestimmt, ob vegane Produkte noch die Namen tragen dürfen, die für Fleisch-Gerichte bestimmt sind. Diese dürften dann nur noch für Lebensmittel tierischen Ursprungs verwendet werden.
  • NGOS, Händler:innen und Hersteller:innen aus 21 Ländern warnen vor einem Rückgang für nachhaltige pflanzliche Ernährung.

Quellen

Das Thema in anderen Medien

Das Thema in der WZ

Ähnliche Inhalte