Sommer ist Festivalsaison mit entsprechend viel Müll: Mehrwegbecher und Müllpfand sollen den Umweltschaden bei Festivals eindämmen. Neben dem ökologischen Fußabdruck bleibt aber auch ein Handabdruck.
Die grüne Wiese ist jetzt brauner Gatsch. Das letzte warme Bier ist getrunken und Ravioli aus der Dose gibt es auch keine mehr. Was nach dem Festival aber zurückbleibt, sind zerrissene Zelte und Müllberge. Doch das ist nur der sichtbare Teil des verursachten Umweltschadens, denn da gibt es noch den CO2-Fußabdruck.
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„Es gibt Studien, die sich mit einzelnen Punkten, wie der Abfallvermeidung bei Festivals, beschäftigen. Eine Studie zur gesamten Ökobilanz von Festivals in Österreich gibt es aber de facto nicht“, sagt Christian Pladerer, Vorstand beim Österreichischen Ökologie-Institut. „Dennoch wissen wir: Die drei größten Faktoren sind die Mobilität, der Energieverbrauch und die Verpflegung der Gäste“, so Pladerer.
Ein Blick auf internationale Studien bestätigt das: In einer Schweizer Studie, die 30 Festivals unter die Lupe nimmt, stammen 67 Prozent aller Emissionen von der An- und Abreise der Gäste und Künstler:innen. Bei einer Studie zur britischen Festivalbranche sind es sogar 80 Prozent. Die restlichen 20 bis 30 Prozent entfallen auf die Bereiche Energie, Verpflegung und Müll.
Festivals sind schwer vergleichbar
Auf einzelne Festivals sind diese Zahlen aber nicht übertragbar, da jede Veranstaltung andere Voraussetzungen mit sich bringt. „Das Wiener Donauinselfest ist mitten in der Stadt und optimal an die öffentlichen Verkehrsmittel angebunden. Damit fällt hier einer der größten umweltbelastenden Faktoren bei Festivals weg“, sagt Matthias Friedrich, Projektleiter des Donauinselfestes. Allerdings gibt es auf der Donauinsel keine flächendeckende Stromversorgung. Deshalb können die 14 Bühnen beim Donauinselfest derzeit nicht ohne Dieselaggregate versorgt werden.
Ganz anders ist es beim bei Österreicher:innen beliebten Lighthouse Festival in Kroatien. „Der größte umweltbelastende Aspekt beim Lighthouse ist ganz klar die Anreise unserer Gäste. Sie kommen großteils aus Österreich, Deutschland und der Schweiz und fast ausschließlich mit Pkws“, sagt Oliver Krammer, Projektmanager des Lighthouse Festivals Kroatien. „Bis auf die Anreisen sind wir aber gar nicht so schlecht unterwegs. Das wissen wir, weil wir uns seit letztem Jahr unseren CO2-Fußabdruck berechnen lassen“, meint Krammer.
Mit einem CO2-Fußabdruck können Veranstalter sehen, in welchen Bereichen ihre Emissionen anfallen. „Viele Festivals erheben eine Klimabilanz, das heißt aber noch nicht, dass sie diese auch veröffentlichen“, sagt der deutsche Nachhaltigkeitsexperte Jacob Bilabel, der sich bereits seit 20 Jahren mit der Umweltbilanz der Festivalbranche beschäftigt. Auch das Lighthouse Festival veröffentlicht die konkreten CO2-Zahlen nicht. „Dahinter steht eine nachvollziehbare Skepsis, denn danach könnte gesagt werden: Das eine Festival ist nachhaltiger als das andere, ohne wirklich auf die unterschiedlichen Voraussetzungen zu achten. Festivals sind nun mal schwer miteinander zu vergleichen“, sagt Bilabel.
Ein CO2-neutrales Festival
Auch das Paradies Garten Festival in Bruck an der Leitha berechnet den eigenen CO2-Fußabdruck. „Es ist ein gewaltiger Aufwand, vor allem, wenn man es noch nie gemacht hat“, sagt Veranstalter Felix Mayr-Melnhof. „In Zusammenarbeit mit der Organisation „A greener Future“ fragen wir sämtliche Lieferanten, Künstler:innen und Foodtrucks an, die uns ihre Umweltbilanz mitteilen müssen. Das wird dann in ein Excel-Sheet eingetragen und so kann der CO2-Fußabdruck des Festivals bemessen werden“, erklärt Mayr-Melnhof. Beispielsweise müssen also die Foodtrucks die Herkunft ihrer Lebensmittel nennen oder die Lkws, die die Bühne bringen, ihren Kraftstoffverbrauch mitteilen.
Anders als die meisten Festivals veröffentlicht Meyr-Melnhof die eigene CO2-Bilanz jährlich. „Wir wollen Transparenz schaffen, unser Engagement für den Umweltschutz zeigen und andere Festivals inspirieren, um gemeinsam die gesamte Festivalbranche grüner zu machen“, sagt Mayr-Melnhof. Die Nachhaltigkeitsstrategie dafür reicht von Kooperationen mit der Bahn und einem lokalen Energiepark bis zu ausschließlich vegetarischen Speisen bei den Foodtrucks. Am Ende werden die entstandenen Emissionen durch Klimaschutzprojekte kompensiert, weshalb das Festival als erstes CO2-neutrales Musikfestival Österreichs zertifiziert werden konnte.
Mehr politische Unterstützung gefordert
Nicht nur in Bruck an der Leitha, sondern bei den meisten österreichischen Festivals gehören Dosensammelaktionen, Müllpfand und Mietzelte heute genauso dazu wie Moshpits und Stagediving. Umfassende Umweltschutzstrategien und transparente Klimabilanzen sind aber die Ausnahme. „Wir müssen jetzt die fördern, die freiwillig ein möglichst nachhaltiges Festival organisieren und dann klare rechtliche Rahmenbedingungen für alle etablieren“, fordert der deutsche Experte Bilabel. Christian Pladerer unterstützt die Forderung: „Ein nachhaltiges Festival zu organisieren kann vor allem am Anfang auch zu mehr Aufwand und dadurch zu mehr Kosten führen.“ Mit der Zeit würde es sich aber nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell lohnen. „Zum Beispiel bei der Müllentsorgung und durch Abfallvermeidung kann man mit einem nachhaltigen Konzept auch viel Kosten sparen“, sagt Pladerer.
Das Klimaschutzministerium weist darauf hin, nachhaltige Veranstaltungen durch verschiedene Initiativen bereits beratend zu unterstützen. „Es gibt geförderte und teilweise auch kostenlose Beratungsangebote, aber kaum finanzielle Förderungen für nachhaltige Festivals“, bestätigt Pladerer. Er betreut die Initiative Green Events Austria, die von drei Ministerien und allen Bundesländern getragen wird und die Veranstaltungsbranche nachhaltiger machen möchte. Da Veranstaltungen aber rechtlich Ländersache sind, liegt die Verantwortung auch bei den neun Bundesländern. „In Wien, Oberösterreich und Salzburg sind Mehrweggebot und Abfallkonzepte gesetzlich verankert, in den anderen Bundesländern nicht“, sagt der Experte.
Wir müssen den Fußabdruck minimieren und den Handabdruck maximieren.Jacob Bilabel, Nachhaltigkeitsexperte
Die Politik und die Veranstalter:innen geben den Rahmen vor, in dem die Besucher:innen zur Klimabilanz beitragen. Wer sein Zelt wieder mitnimmt, den eigenen Müll entsorgt und mit den Öffis anreist, macht das gesamte Festival umweltfreundlicher. „Wir sollten gemeinsam den Fußabdruck minimieren und den Handabdruck, also den positiven Impact, maximieren“, sagt Bilabel. Unter Handabdruck wird der gesellschaftliche Mehrwert verstanden, der für den Experten bei Festivals besonders groß ist. „Am Festival gibt es keinen Sexismus und keine Gewalt. Menschen gehen auf Festivals, um sich zu erinnern, wie es sein kann, wenn wir Dinge gemeinsam machen. Wenn wir ein paar Dinge einfach schlau im Blick haben, können wir daher auch weiterhin mit gutem Gewissen auf Festivals gehen“, sagt Bilabel.
Bis zum nächsten Jahr wird der braune Gatsch wieder eine grüne Wiese. Tausende Menschen werden erneut eine Zeltstadt aufbauen, die sich nach ein paar Tagen wieder auflöst. Was bleibt, sind die verursachten Emissionen und die Erlebnisse der Gäste.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner
Christian Pladerer, Vorstand Österreichisches Ökologie-Institut und Zertifizierung von Green Events
Jacob Sylvester Bilabel, Leiter Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit und Gründer Green Music Initiative
Matthias Friedrich, Projektleiter des Donauinselfestes und Geschäftsführer Pro Event Team für Wien
Felix Mayr-Melnhof, Projektmanager und Co-Founder Paradies Garten Festival
Oliver Krammer, Projektmanager Lighthouse Festival Kroatien
Gerold Haubner, Barracuda Music Gmbh, Ansprechpartner Nova Rock Festival
Daten und Fakten
Die Mobilität ist bei den meisten Festivals der größte Emissionsverursacher. 70 bis 80 Prozent aller Emissionen sind in der Regel auf die An- und Abreise der Gäste und Künstler:innen zurückzuführen. Die restlichen 20 bis 30 Prozent entfallen auf die Bereiche Energie, Verpflegung und Müll. Festivals sind aber unterschiedlich, weshalb sich die Zahlen bei einzelnen Festivals stark unterscheiden können.
Das Donauinselfest ist das größte Freiluftfestival Europas bei freiem Eintritt. Seit 2005 gibt es dort Mehrwegbecher. Rund eine Million Becher werden jedes Jahr ausgegeben. Trotz Mehrwegbechern entstehen rund 850.000 Liter Müll. Dafür werden mehr als 1.000 Extra-Mistkübel aufgestellt, die von 100 zusätzlichen MA 48-Mitarbeiter:innen geleert werden.
Beim Paradies Garten Festival wurden 2023 90,4 Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Das ist in etwa so viel, wie zehn Österreicher:innen im Jahr emittieren. Der Transport durch Lieferant:innen, Auftragnehmer:innen und für Produktionszwecke ist mit 38 Prozent die größte Quelle von CO2-Emissionen. Auf den Publikumstransport entfallen 20 Prozent, auf Getränke 14,3 Prozent, auf Künstler:innentransport und Unterkunft 10, 8 Prozent und die eigene und gemietete Fahrzeugflotte 5,2 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr konnte das Paradies Garten die Emissionen 2023 um 21 Prozent reduzieren.
Die Initiative Green Events Austria wird von drei Ministerien getragen und verfügt in jedem Bundesland über eine Beratungsstelle für Veranstalter:innen. Außerdem führt sie den Wettbewerb „Nachhaltig gewinnen“ durch, bei dem auch Preisgelder vergeben werden. So konnte das Paradies Garten Festival vergangenes Jahr 500 Euro gewinnen. Zusätzlich zertifiziert Green Events Austria grüne Veranstaltungen. Festivals mit Campingplätzen sind davon aber ausgenommen. International gibt es Zertifikate für Festivals, wie „A greener Future“ oder „Sounds for Nature“.