So gut wie keine Woche vergeht ohne Firmenpleiten und Massenkündigungen, die Lage am Arbeitsmarkt spitzt sich zu. Welche Berufe jetzt gefährdet sind.
1.400 Jobs bei Kika/Leiner, 3.400 Jobs bei KTM: Die großen Insolvenzen, die allein im November angemeldet wurden, könnten schlimmstenfalls tausenden Beschäftigten ihren Arbeitsplatz kosten. Noch ist nicht klar, in welcher Form und mit wie vielen Mitarbeiter:innen die genannten Firmen weitergeführt werden, woanders wird währenddessen schon konkret abgebaut: Von der Schließung eines niederösterreichischen Werkes des Automobilzulieferers Schaeffler sind rund 450 Mitarbeiter:innen betroffen, und Siemens schließt in Wien ein Werk mit 178 Beschäftigten.
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Wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt hat
Die fetten Jahre sind schon längst vorbei, die Lage am Arbeitsmarkt hat sich aber in den vergangenen Monaten noch weiter zugespitzt. Im Oktober waren 9,7 Prozent mehr Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet als im Vorjahresmonat. Die Zahl der offenen Stellen ist in den vergangenen sechs Monaten hingegen gesunken: Im zweiten Quartal waren 18,4 Prozent weniger Jobs verfügbar als im Vorjahresquartal, im dritten Quartal sanken die freien Stellen noch einmal um 3,7 Prozent.
Arbeitsminister Martin Kocher bezeichnete die aktuelle Lage bei der Präsentation der jüngsten Arbeitsmarktdaten als „zwiegespalten“. Denn während die Zahl der Arbeitssuchenden steigt, bleibt die Zahl der Erwerbstätigen trotz Wirtschaftskrise noch stabil, im zweiten Quartal lag die Beschäftigtenquote bei 74 Prozent. Angesichts der vielen schlechten Nachrichten könnte sich der Wert aber Ende des Jahres negativ entwickeln.
Welche Branchen besonders betroffen sind
In welchen Branchen sind jetzt die meisten Jobs gefährdet? Im großen Ganzen gesehen gilt die Industrie als das „Sorgenkind“ der österreichischen Wirtschaft, da es im Dienstleistungssektor weniger kriselt. Besonders betroffen sind vor allem Unternehmen in der Automobilbranche. Viele internationale Konzerne bauen tausende Stellen ab, und das bekommen die Zulieferer und Standorte in Österreich zu spüren. Während die Technologiebranche lange boomte, wird nun auch hier gespart, zum Beispiel in der Halbleiterindustrie: Infineon baut weltweit rund 1.400 Stellen ab, fast 400 davon in Kärnten.
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Selbst in der Startup-Szene, wo lange über IT-Fachkräftemangel geklagt wurde, häufen sich die Firmenpleiten und Kürzungen. Anders sieht es – mit Ausnahme der Möbelkette Kika/Leiner – im Handel- und Dienstleistungssektor aus. Dort gab es im dritten Quartal laut Statistik Austria die meisten offenen Stellen, gefolgt vom produzierenden Bereich und vom öffentlichen und sozialen Bereich.
Wo Mitarbeiter:innen gesucht werden
Der Fachkräftemangel in der Industrie ist also trotz der negativen Entwicklung noch nicht vorbei. Auf der offiziellen Liste der bundesweiten Mangelberufe 2024 stehen ganz oben Starkstromtechniker:innen, Arbeitskräfte für den Maschinenbau, aber auch Krankenpfleger:innen. Die Österreichische Post machte nach der Kika/Leiner-Pleite darauf aufmerksam, aktuell rund 700 neue Mitarbeiter:innen zu suchen, im Verkauf, in der Logistik und in der IT.
Eine Erfolgsformel für den Arbeitsmarkt gibt es nicht, hat uns schon vergangenes Jahr ein Sprecher des AMS gesagt. Ein wichtiger Schlüssel ist aber Bildung, denn mit höherer Bildung steigen die Chancen am Arbeitsmarkt. Und so müssen sich besser qualifizierte Erwerbstätige weniger Sorgen machen. Die Lage dürfte aber trotzdem angespannt bleiben, wie AMS-Chef Johannes Kopf vergangene Woche im Interview mit der ZiB 2 sagte: „Wir reden hier wirklich von einem Wendepunkt in der europäischen Industrie.“ Er befürchtet weitere „schlechte Nachrichten von österreichischen Großbetrieben“.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
Im Oktober betrug die Arbeitslosenquote 6,9 Prozent, das sind 9,7 Prozent mehr Arbeitslose und AMS-Schulungsteilnehmer:innen als im Oktober 2023.
Die Insolvenzen bei Kika/Leiner und KTM betreffen knapp 5.000 Arbeitsplätze.
Der massive Stellenabbau bei internationalen Konzernen kostet in Österreich hunderte Jobs.
Quellen
Statistik Austria: Arbeitsmarkt im 2. Quartal 2024
Industriemagazin: KTM beantragt heute Insolvenzverfahren: 3.400 Jobs in Gefahr
Kurier: Sanierung gescheitert, Kika/Leiner-Pleite kostet weitere 1.400 Jobs
Der Standard: Siemens schließt bis Ende 2026 Wiener Werk für industrielle Stromversorgung
Statistik Austria: Zahl der offenen Stellen im 3. Quartal weiter zurückgegangen
ORF ZiB 2: KTM: Kopf über Hilfe für Beschäftigte
migration.gv.at: Liste der bundesweiten Mangelberufe 2024
Das Thema in anderen Medien
Momentum Institut: Stellenabbau: Österreich-Karte gibt Überblick über Personalkürzungen
Kleine Zeitung: Insolvenzlawine als Stresstest für Koalitionsverhandler
Tagesschau: Welche Konzerne gerade Tausende Stellen streichen