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Der “Brat Summer” ist sowas von 2024. 2025 sind Künstler wie Alex Warren, Morgan Wallen, Teddy Swims oder Benson Boone angesagt. Was das Tradpop-Revival mit Trump zu tun hat – und warum es trotzdem Hoffnung gibt.
2024 war ein gutes Pop-Jahr: Charli xcx gelang mit ihrem Album „Brat“ der Sprung aus der Nische, Chappell Roan erinnerte mit ihrem queeren Pop und exzentrischen Looks an eine frühe Lady Gaga, Sabrina Carpenter brachte uns mit ihren verspielt-expliziten Lyrics zum Schmunzeln. „Frauen dominieren den Pop“, hieß es, weibliche und queere Fans jubelten.
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Ein Jahr später sieht die Sache ein bisschen anders aus. Klar, Charli, Chappell, Sabrina (und auch andere Künstlerinnen wie Billie Eilish, Lorde oder Addison Rae) lassen sich so schnell nicht aus der Pop-Landschaft verdrängen. Aus den Charts schon eher – und zwar von Artists wie Alex Warren, Benson Boone oder Teddy Swims. Sie stehen im krassen Gegensatz zu den Frauen, die das Pop-Jahr 2024 definiert haben: Statt frech, queer und komplex geben sich Warren, Boone & Co. traditionell, konservativ, religiös, ein bisschen langweilig, wehende USA-Flaggen inklusive (nicht auf die subversive Beyoncé-Art).
Tradpop, Tradwives und Trump
Die Musik dieser Künstler zu hören, ist eine sichere Nummer. Alex Warrens Song „Ordinary“, in dem er seine Frau und seinen Glauben besingt, belegt in den Billboard Hot 100 Charts schon seit mehreren Wochen den ersten Platz, genauso in den Ö3 Austria Top 40.
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Auch sein Kollege Morgan Wallen ist in den US-Charts mit Songs wie „Just In Case“ oder „What I Want“ auf den vorderen Plätzen unterwegs. Letzteren veröffentlichte er gemeinsam mit Sängerin Tate McRae, die für die Zusammenarbeit viel Kritik von Fans einstecken musste. Wallen wurde 2021 von seinem Label fallengelassen, weil er in einem Video das N-Wort sagte, und sorgte auch später immer wieder für mittelgroße Shitstorms. Heute singt er überaus erfolgreich über „Rednecks“ und hantiert in Instagram-Posts mit Waffen.
Dass Popmusik gerade so konservativ und fad daherkommt, ist wohl kaum ein Zufall. Mit Trumps erneuter Präsidentschaft und dem weltweiten Erstarken von konservativen Kräften lässt sich ein breiter Vibe-Shift in der Popkultur feststellen. Dieser spiegelt sich in der Mode, in der Social-Media-Bubble der „Tradwives“, im Aufstieg von konservativen Influencerinnen wie Nara Smith und eben auch in der Musik wider.
Pop ist ein Pendel – zum Glück
Laut Pop-YouTuber Sam Murphy ließ sich schon während der Bush-Präsidentschaft eine ähnliche Entwicklung beobachten, genauso während Trumps erster Amtszeit. Plötzlich waren „Easy-Listening“-Acts wie Dido, Coldplay, und später Adele und Ed Sheeran angesagt. Nicht alle von ihnen vertreten wie Wallen auch selbst konservative Werte, stehen aber in jedem Fall für eine traditionelle, weniger gewagte Art von Musik. Musik, die einfach zu mögen und im Radio zu spielen ist, die Hörer:innen nicht herausfordert oder sie anregt, etwas zu überdenken. Musik von Künstler:innen, die nicht wie Lady Gaga über Transrechte oder wie Chappell Roan über die mangelhafte Gesundheitsversicherung von Musiker:innen in den USA sprechen.
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Es gibt aber zum Glück einen Lichtblick: Wie so vieles im Leben ist auch Popkultur wie ein Pendel, das hin und her schwingt. Pop spiegelt oft einen klar definierbaren Moment wider, und während wir diesen analysieren, hat sich alles ganz unbemerkt in eine andere Richtung gedreht. Das Gute an Pendeln ist, dass sie irgendwann wieder in die andere Richtung schwingen. Und: Je langweiliger der Mainstream, umso größer die Chance, dass sich in der Zwischenzeit in der Nische etwas Großes entwickelt, das wie „Brat“ nur darauf wartet, uns zu begeistern.
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Infos und Quellen
Genese
WZ-Kolumnistin Verena Bogner musste nach dem Powerpop-Jahr 2024 erschrocken feststellen, dass die Charts aktuell von überraschend vielen Männern dominiert werden. Also hat sie sich die Frage gestellt, wie es zu diesem scheinbar so plötzlichen Umschwung kommen konnte.
Daten und Fakten
“Tradpop” ist eine Art von Popmusik, die sich weniger dadurch auszeichnet, gesellschaftspolitische Gegebenheiten infrage zu stellen, künstlerische Grenzen zu überschreiten oder sich für Sichtbarkeit und Diversität einzusetzen. Ganz im Gegenteil spielen in “Tradpop”-Songs traditionelle Werte wie Hetero-Liebe, Ehe oder Glauben eine Rolle.
Quellen
- vogue.de: Danke, Taylor, Charli, Chappell & Co.: Warum 2024 das (Pop-)Musikjahr der Frauen war
- vox.com: How Black artists are reclaiming the American flag
- billboard.com: Alex Warren’s ‘Ordinary’ Rules Billboard Hot 100 for Fifth Week
- elle.com: Why Are Tate McRae Fans Upset About Her New Collab With Morgan Wallen?
- instagram.com
- nylon.com: Forget Mob Wives: 2025 Is The Year Of White House Wives
- betches.com: Trad Wife Influencer Accused Of Voting For Trump — But Why Are We Surprised?
- youtube.com: Pop Music Has Gone Conservative. How Did We Get Here?
- variety.com: Lady Gaga Says ‘Trans People Are Not Invisible’ During Grammy Win: ‘Trans People Deserve Love’
- variety.com: Chappell Roan Uses Grammy Win to Call Out Record Labels for Not Providing Health Insurance to Artists: I Felt ‘Betrayed by the System’
- bbc.com: Morgan Wallen issues video apology for racial slur
Das Thema in anderen Medien
- rollingstone.com: Why Does Everything Sound Like an Audition Song for ‘The Voice’?
- billboard.com: Christian Music Is Surging on Billboard’s Charts, Thanks to These Two Artists
- vox.com: How Christianity conquered the Hot 100
- variety.com: Does Being a Morgan Wallen Fan Make You MAGA? Why the Country Bad Boy’s Music Is Trump-Coded
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