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Es kann ja nicht schaden

7 Min
Und noch eine Pille zur Optimierung. Oder schaden wir unserem Körper dadurch?
© Yulia Reznikov / Moment via Getty Images

Ernährungsexperte Kurt Widhalm über die sinnvolle und unsinnige Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln


Sich um seine Gesundheit zu kümmern, liegt auf Social Media derzeit hoch im Trend. Dort bewerben Influencer verschiedene Nahrungsergänzungsmittelcocktails, die beim Training helfen sollen, angeblich das Immunsystem stärken oder „entgiften“. Follower verkaufen diese mittels Affiliate-Links, durch den die Influencer Provision erhalten. Ein häufiger Tenor in den Kommentaren: Ein Mehr an Vitaminen und Enzymen kann nicht schaden. Diese Annahme ist jedoch falsch, denn: die wahllose Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln kann zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen.

Dies bestätigt der Lebensmittelsicherheitsbericht des Gesundheitsministeriums. 2021 haben Forscher:innen 306 Nahrungsergänzungsmittel untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass jedes dritte zu beanstanden sei: Die meisten davon wegen irreführender Kennzeichnung, oder sie wurden sogar für den menschlichen Verzehr als ungeeignet deklariert.

Mit Vitaminen und Mineralstoffen wurden 2022 in Österreich etwa 124,1 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, 2023 prognostiziert Statista nochmals eine Marktsteigerung um 7,8 Prozent.

Ist es ratsam, Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen? Oder schaden wir unserem Körper dadurch? Kurt Widhalm ist Präsident des Österreichischen Akademischen Institutes für Ernährungsmedizin und beantwortet uns diese Fragen im Interview.

WZ I Julia Strohdorfer

Sollte der Durchschnittsmensch Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen?

Kurt Widhalm

Ich möchte den Durchschnittsmenschen als gesunde Person definieren: ausgewogene Ernährung und einigermaßen physisch aktiv. Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Solche Personen benötigen keine Nahrungsergänzungsmittel.

Das heißt natürlich nicht, dass es keine guten Gründe für die Einnahme gibt: vegane Ernährung, nach operativen Eingriffen oder Chemotherapien, bei entzündlichen Darmerkrankungen oder auch ältere Menschen können durchaus von Supplementen profitieren, da sie oft labortechnisch nachweisbare Mängel aufweisen.

WZ I Julia Strohdorfer

Wieso tendieren ältere Menschen zu Mangelerscheinungen?

Kurt Widhalm

Einerseits nimmt die Aufnahmefähigkeit von Nährstoffen des Körpers mit zunehmendem Alter ab, beispielsweise durch gastrointestinale Probleme. Andererseits spielt auch der Lebensstil mit: Wenn ich nicht mehr so gut kauen kann, nehme ich eher weiche Speisen zu mir und ernähre mich einseitig. Studien, die wir in Wien gemacht haben, zeigen, dass in Altersheimen die Unterversorgung mit Vitaminen leider sehr häufig ist. Der Speiseplan in Altersheimen ist leider auch nicht gerade ausgewogen oder vitaminreich. Oft ist daher eine Supplementierung von Eiweiß, Eisen, Vitamin B12 und Vitamin D sinnvoll, sollten Unterversorgungen durch einen Bluttest nachgewiesen sein.

WZ I Julia Strohdorfer

Wie sieht es beim Gang ins Fitnesscenter aus – sind Proteinshakes sinnvoll?

Kurt Widhalm

Bei einem zweistündigen Fitnesstraining ist eine extra Proteinzufuhr grundsätzlich nicht notwendig. Bei einer achtstündigen Bergtour allerdings sind Elektrolyte, Eiweiße und Mikronährstoffe sinnvoll und sogar notwendig. Es kommt schlicht auf die Intensität des Trainings an.


WZ I Julia Strohdorfer

Bei welchen Inhaltsstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln ist besondere Vorsicht geboten?

Kurt Widhalm

Kreatin oder Vitamin E sind in größeren Mengen schädlich, auch Kalzium sollte nicht zu viel zugeführt werden. Besonders Raucher sollten beispielsweise bei Beta-Carotin aufpassen, da bei zu hoher Konsumation ein erhöhtes Krebsrisiko besteht.

Aber es muss nicht gleich Krebs sein: Auch Herzrhythmus-Störungen, Schädigungen des Nierengewebes und Einschränkungen der Muskelfähigkeit sind Nebenwirkungen, die bei einer Überdosis von Nahrungsergänzungsmitteln auftreten können.

Daher sollte hier ein großes Umdenken stattfinden: Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht wie Süßigkeiten eingenommen werden.

WZ I Julia Strohdorfer

Wie sehen Sie die derzeitige Regulierung von Nahrungsergänzungsmitteln in Österreich?

Kurt Widhalm

Das größte Problem der Gesetzgebung ist, dass bei der Anmeldung eines neuen Nahrungsmittelergänzungsprodukts keine Studien verlangt werden. Sie gelten nicht als Medizin, sondern als Lebensmittel. Das heißt, ich muss nicht nachweisen, ob es Nebenwirkungen gibt oder ob es überhaupt wirkt. Das sehe ich als große Sicherheitslücke, die geschlossen werden sollte.


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Infos und Quellen

Genese

Der Autorin ist aufgefallen, dass ihr nach ein paar Google-Suchen nach Medikamenten und Erkrankungen ständig Social-Media-Werbungen für Nahrungsergänzungsmittel angezeigt wurden, die schon fast Wunderheilungen versprochen haben.

Gesprächspartner

  • Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Institutes für Ernährungsmedizin

Daten und Fakten

Quellen

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