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Viele Kliniken verweigern Schwangerschaftsabbrüche

6 Min
Betroffene haben einen weiten Weg zum Schwangerschaftsabbruch.
© Illustration: WZ

Der öffentliche Zugang zu selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüchen ist mangelhaft. Das zeigen Daten, die die WZ über ein Jahr hinweg gesammelt hat: Nur 31 Prozent aller öffentlichen Krankenhäuser gaben an, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.


Verbotene Eingriffe, weite Anfahrten und unangenehme Beratungsgespräche: Wer in Österreich eine Schwangerschaft auf eigenen Wunsch abbrechen will, hat mit einigen Hürden zu kämpfen. Nach wie vor ist ein selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch verboten – wenn auch innerhalb der ersten drei Monate straffrei möglich. In einigen Bundesländern ist der Eingriff kaum möglich. Erst kürzlich fand sich in Tirol eine zweite Privatklinik, welche bald Schwangerschaftsabbrüche durchführen soll. Die flächendeckende Versorgung ist kaum gegeben. Kritische Stimmen fordern eine Allgemeinversorgung in öffentlichen Spitälern.

In Österreich sind öffentliche Krankenhäuser zwar für die gesundheitliche Allgemeinversorgung zuständig, als sichere Anlaufstelle für einen Schwangerschaftsabbruch gelten sie aber nicht. Erstmalig zeigt eine landesweite Datenbank, wie mangelhaft die öffentliche Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen wirklich ist. Die Daten wurden von der WZ in Zusammenarbeit mit FragDenStaat erhoben. Dabei wurden sämtliche öffentliche Krankenhäuser mit gynäkologischer Abteilung gefragt, ob und unter welchen Umständen sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Nur ein Drittel der Klinken führt Abbrüche durch

Die Daten zeigen: Nur etwa 31 Prozent der befragten Krankenhäuser mit Gynäkologie gaben an, Schwangerschaftsabbrüche tatsächlich durchzuführen. Bei Schwangerschaftsabbrüchen auf Wunsch der Schwangeren ist die Zahl noch geringer – knapp 13 Prozent der Kliniken gaben an, selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Das sind österreichweit zehn Kliniken, wobei sich fünf davon in oder in unmittelbarer Nähe von Wien befinden. In Salzburg, Linz, Bregenz und St. Pölten finden sich weitere.

Die Kliniken im Burgenland sowie in Tirol gaben an, keine selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Kärnten ließ die Anfrage unbeantwortet und die Steiermark teilte mit, dass sie sich „an die gesetzlichen Bestimmungen halten“. Da ein Schwangerschaftsabbruch seit 50 Jahren im Strafgesetzbuch verankert und somit illegal ist, kann die Antwort der Steiermark auf die Frage der selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüche nicht eindeutig mit einem „Ja“ beantwortet werden.

In fünf Bundesländern ist ein Schwangerschaftsabbruch auf Wunsch der Schwangeren in einer öffentlichen Klinik möglich. In den anderen vier Bundesländern nicht, beziehungsweise wird keine Auskunft darüber gegeben. Betroffene finden keine Informationen – die landesweite Versorgung ist mangelhaft. Im Süden Österreichs müssen die Einwohnerinnen teilweise bis zu 200 Kilometer bis zur nächstgelegenen öffentlichen Klinik, die einen Schwangerschaftsabbruch auf Wunsch der Schwangeren durchführt, fahren.

Die regionale Versorgung im Westen wirft Fragen auf. Denn obwohl das Landeskrankenhaus Bregenz mitteilte, Schwangerschaftsabbrüche auch auf Wunsch der Schwangeren durchzuführen, zeigen Medienberichte eine andere Realität. Vergangenen Mai wurde eine ungewollt schwangere Frau aus ethischen Gründen abgewiesen.

Rechnet man Bregenz dennoch mit, zeigt sich: Ein Viertel der österreichischen Frauen im Alter von 15 bis 59 hat eine Distanz von über 70 Kilometern bis zur nächstgelegenen öffentlichen Klinik, welche eine Schwangerschaft auch auf eigenen Wunsch abbricht. Jedoch ist durch die stabilere Versorgung in Wien und den drei anderen Landeshauptstädten für rund 45 Prozent eine kürzere Anfahrt möglich.

Schwangerschaftsabbruch: Entscheidung liegt beim Krankenhausträger

Ob ein Krankenhaus Schwangerschaftsabbrüche durchführt oder nicht, entscheidet der Träger der jeweiligen Klinik. Während ein Krankenhaus seine Ärzt:innen nicht zur Durchführung eines Abbruchs verpflichten kann, ist das Gegenteil sehr wohl möglich: Ein generelles Verbot des Eingriffs kann vom Krankenhausträger festgelegt werden.

Träger kann der Bund sein, das Land, Gemeinden, Krankenkassen, Vereine, Privatgesellschaften oder auch geistliche Orden und Glaubensgemeinschaften. Die Entscheidungen gegen selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche sind vielfältig. Die Niederösterreichische Landesgesundheitsagentur sagt, dass die Eingriffe nicht im gesetzlichen Auftrag vorgesehen sind. Sie führen selbstbestimmte Abbrüche dennoch in zwei von 18 Kliniken durch.

Das Land Tirol hingegen meint, dass die Patientinnen durch niedergelassene Fachärzt:innen gut versorgt sind. Die monatelange Suche nach einer zweiten Klinik zeigt ein anderes Bild.

Ist der Träger ein geistlicher Orden oder eine Glaubensgemeinschaft, ist die Antwort eindeutiger. Nur drei der 15 kirchlichen Kliniken gaben an, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen – und dies auch nur im medizinischen Notfall. Die Heiligkeit des Lebens untersagt den Eingriff. In einer kirchlichen Wiener Klinik wird Wert darauf gelegt, dass es zwei interne Unterstützungsangebote für Frauen gibt, die Alternativen zum Schwangerschaftsabbruch bieten. Die Klinik bietet Unterstützung für unter 20-Jährige, mit welcher es laut eigener Aussage „vielen jungen Frauen leichter fällt, sich trotz aller Widerstände für ein Leben mit ihrem Baby und gegen einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden“.

Zudem bieten sie auch Betreuung für Familien an, deren Kind wahrscheinlich vor, während oder nach der Geburt sterben wird. Die Betroffenen sollen sich dadurch ebenfalls gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden.

Durch Entscheidungen der Trägerschaft über die Krankenhäuser und die Angestellten hinweg, zeigt sich österreichweit eine weitere lückenhafte Versorgung. Nur 25 Krankenhäuser gaben an, auch im medizinischen Notfall Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. 39 Kliniken verweigern den Eingriff, zwölf ignorierten die Anfrage und drei verweigerten die Auskunft.

ÖGF: „Auch Ärzt:innen unter Druck“

In einem Gespräch mit der WZ beschreibt auch die Österreichische Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) die öffentliche Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen als kritisch und ausbaufähig. Laut ÖGF decken die klinischen Angebote bei weitem nicht den Bedarf, weshalb sie durch Privatangebote ergänzt werden müssen. Die ÖGF kritisiert auch den Zustand, dass ein selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch eine Privatleistung ist. Die Kosten für den Eingriff liegen zwischen 490 und 640 Euro, die betroffenen Personen müssen sie selbst tragen.

Die ÖGF kritisiert, dass ein Schwangerschaftsabbruch die einzige Gesundheitsversorgung ist, die im Strafgesetzbuch geregelt ist. Das führt zur Diskriminierung aller Personen, die sich gegen die Fortsetzung einer Schwangerschaft entscheiden. Laut ÖGF geraten deshalb auch Ärzt:innen unter Druck, weshalb sie oftmals keine Abbrüche durchführen. Wenn doch, dann im Geheimen, um Attacken von Gegner:innen zu vermeiden.

Schwangerschaftsabbrüche: Nachfrage groß – Durchführung illegal

Laut Strafgesetzbuch droht den Betroffenen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bei Abbruch der Schwangerschaft – der ausführenden Ärztin oder dem ausführenden Arzt sogar bis zu drei Jahre. Eine offizielle Statistik über die Anzahl an durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen gibt es deshalb nicht. Hochrechnungen im österreichischen Verhütungsreport liegen bei jährlich etwa 35.000 Eingriffen. Zum Vergleich: In Österreich wurden 2024 rund 77.000 Geburten gezählt.

In der Regel ist ein Schwangerschaftsabbruch aber straffrei. Dafür muss medizinische Notwendigkeit festgestellt werden. Ein selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch ist in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten möglich, doch zuvor müssen Schwangere ein Beratungsgespräch wahrnehmen. In der Regel handelt es sich dabei um ein ärztliches Aufklärungsgespräch – es ist bei einer niedergelassenen Ärztin oder bei einem Arzt, aber auch bei einer von 265 Beratungsstellen möglich.

Österreichweit variiert die Versorgung von Beratungsstellen ebenfalls stark. In manchen Bezirken gibt es nicht einmal eine Beratungsstelle. In anderen Bezirken wiederum ist eine Beratungsstelle für 10.000 bis knapp 46.000 Frauen im Alter von 15 bis 59 verantwortlich. Hinzu kommt, dass wenig bis keine Information über die Größe und die Anzahl der Mitarbeitenden der Beratungsstellen gegeben ist.

Die Versorgungslage durch öffentliche Krankenhäuser sowie die Bereitstellung von ausreichend Beratungsstellen ist mangelhaft. Auch wenn die Versorgung durch privat niedergelassene Kliniken stellenweise gegeben ist, gibt es österreichweit starke Unterschiede. Vor allem im Westen des Landes muss sich die Situation in Zukunft ändern.


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Infos und Quellen

Genese

Correctiv.Lokal veröffentlichte 2022 eine umfassende Recherche samt Datenbank zur Versorgungslage mit Schwangerschaftsabbrüchen in den öffentlichen Kliniken mit Gynäkologie in Deutschland. 2023 veröffentlichte WZ-Redakteur Maximilian Hatzl in seiner Zeit als Praktikant bei DER SPIEGEL eine Geschichte über die Versorgungssituation in Deutschland. Da es in Österreich bis dato an einer umfassenden Datenbank fehlte, setzte der Redakteur eine ähnliche Geschichte für die WZ um.

Gesprächsparter:innen

  • Markus „Fin“ Hametner, Projektleiter FragDenStaat.at

  • DDr. Christian Fiala, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Ärztlicher Leiter Gynmed Ambulatorium Wien und GynMed Ambulanz Salzburg. Fiala ist ebenfalls Gründungsmitglied der MFG.

  • Alexandra Bieber, Koordination Advocacy der Österreichische Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF)

  • Sämtliche Krankenhausträger der öffentlichen Kliniken Österreichs. Fallweise verlief der Austausch über die interne Kommunikations- oder Pressestelle, sowie gegebenenfalls über die Rechtsabteilung.

  • Pro Choice Austria

Daten und Fakten

  • Ein Schwangerschaftsabbruch ist laut § 96 StGB verboten. Dieser kann in Ausnahmefällen jedoch straffrei durchgeführt werden. Die medizinische sowie die eugenische Indikation stellen eine Ausnahme dar, mit welcher ein Abbruch auch nach den ersten drei Schwangerschaftsmonaten durchgeführt werden kann. Die sogenannte Fristenlösung bietet eine Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs. Sie ist im Strafgesetzbuch (StGB) vom 29. 1. 1974, § 97, Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches, geregelt.

  • Woher stammen die Daten?

    In diesem Artikel wurden die Daten über die Krankenhäuser von der WZ erhoben. Die Anfragen verliefen über FragDenStaat auf der rechtlichen Grundlage der regionalen Auskunftspflichtgesetze.
    Die Daten über die Bevölkerungsanzahl wurden von Statistik Austria erhoben.
    Die Liste der Krankenanstalten in Österreich wurde vom Sozialministerium bereitgestellt.

  • Wie wurde gerechnet?

    Das vom Sozialministerium bereitgestellte Krankenhausregister verzeichnet österreichweit 265 Krankenhäuser, wobei 111 davon auch ein Öffentlichkeitsrecht aufweisen. 154 sind ohne Öffentlichkeitsrecht, sie sind beispielsweise private Kliniken, psychiatrische Einrichtungen, aber auch Rehakliniken mit Hotelanlagen. Von den 111 öffentlichen Krankenhäusern wurden jene 79 angefragt, welche auch eine gynäkologische Abteilung aufweisen. Die Anfrage verlief über die Mailadressen der Trägerschaften. Diese können Bund, Land oder private Gesellschaften sein. Grundsätzlich sind private Träger nicht an das jeweilige regionale Auskunftspflichtgesetz gebunden. Angefragt wurden sie dennoch und teilweise bekam die WZ auch Antwort.

    Die Antworten auf die jeweils angefragten Daten, beispielsweise ob im Haus Schwangerschaftsabbrüche nach der Fristenlösung durchgeführt werden, wurden eingeteilt in „Ja“ oder „Nein“, „Keine Auskunft“, falls es eine Antwort gab, ohne auf die eigentliche Frage einzugehen, und „Anfrage unbeantwortet“, wenn die Anfrage ignoriert wurde.
    Da es sich bei Schwangerschaftsabbrüchen um sensible Daten handelt und die Datenbank sowohl Adressen, Kontaktdaten und Standorte der Kliniken sowie stellenweise die Anzahl der tatsächlichen Eingriffe beinhalten, werden die Antworten der Krankenhäuser sowie die Datenbank selbst an dieser Stelle nicht veröffentlicht.
    Das Kartenmaterial im Artikel, die Entfernungen der Kliniken und Beratungsstellen, wurde mit einer freien Geoinformationssystemsoftware berechnet.

  • Gibt es Fehler in den Daten?

    Die Daten wurden unter der journalistischen Sorgfaltspflicht erhoben und ausgewertet. Fehler in großen Datenmengen sind jedoch nie auszuschließen. Sie könnten beim Messen, beim Speichern oder in der Auswertung auftreten. Auch maschinelle Fehler können nie zur Gänze ausgeschlossen werden.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien