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Mehr Sport, gesünder leben, aufhören zu rauchen, nachhaltiger leben. Jahresvorsätze gibt es viele. Ich habe beschlossen, Verbraucherin zu sein.
Ich räumte am 31. Dezember meine Wohnung auf, da ich im wahrsten Sinn des Wortes „aufgeräumt“ ins neue Jahr gehen wollte. Wohnen ist mir sehr wichtig, schon seit vielen Jahren ist meine Wohnung meine persönliche Höhle, mein Rückzugsort, meine Insel, mein Zuhause. Und in den vergangenen Jahren habe ich sie so richtig pandemie-ready gemacht: genügend Vorräte, Bücher, Sportgeräte und Möglichkeiten, mich zu beschäftigen. Ich stricke gern, im Kasten verstauben zwei Nähmaschinen, auch Zeichnen oder Sticken taugt mir, Wachskerzen gießen musste ich auch mal ausprobieren. Und für all diese Hobbies brauche ich jede Menge Zeug.
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Außerdem: Ich habe natürlich nicht nur eine Rolle Tixo, sondern mehrere. Leuchtstifte: Dutzende. Notizbücher: unfassbar, eine ganze Lade voll, viele waren Geschenke. Drei Packungen Kuverts – weil ich das eine Mal im Jahr, wenn ich ein Kuvert brauche, die anderen natürlich nicht finde und neue kaufe.
Es ist diese Bequemlichkeit, die auch bei mir immer wieder überhandnimmt: Finde ich etwas nicht sofort, kaufe ich es nach. So ordentlich und aufgeräumt kann meine Wohnung gar nicht sein, dass ich nicht mindestens einmal pro Woche Klarsichtfolie, Haargummis oder Zündhölzer suche.
So geht es vielen. Und Onlineservices mit Lieferung am nächsten Tag haben uns noch „fauler“ gemacht. Und reicher an Dingen. Eine immer wieder genannte Zahl: Wir Menschen in Europa besitzen im Durchschnitt 10.000 Dinge. Als Quelle wird immer wieder das Statistische Bundesamt angegeben – das jedoch dementiert, so etwas je gesagt zu haben. Lustig nur, dass wir alle das sofort glauben. Ist auch eine Aussage.
Wir Menschen gehen im Jahr 91 Stunden shoppen.Nunu Kaller
Andere Zahlen sind wohl sowieso aussagekräftiger: Wir Menschen haben einen konsumbasierten Fußabdruck, der den globalen Materialverbrauch auf individuellen Konsum umlegt und hochrechnet. Diesen Berechnungen zufolge hatten wir in Österreich im Jahr 2018 einen konsumbasierten Materialfußabdruck von 24 Tonnen pro Kopf und Jahr – und etwa die Hälfte dieses Fußabdrucks entfällt auf private Haushalte (besagt eine Untersuchung der Arbeiterkammer). Im Durchschnitt verbringen Herr oder Frau Österreicher:in laut Statistik Austria 21 Minuten pro Werktag mit Shopping, das macht hochgerechnet 91 Stunden pro Jahr.
Ich wette, von meinen 91 Stunden geht ein Viertel dafür drauf, Dinge zu kaufen, die ich längst besitze. Und die durch mein Raster nachhaltigen Konsums fallen, weil ich sie für entweder alternativlos (Tixo) oder eh schon wurscht, geht nicht in nachhaltig (Leuchtstifte) halte. Aber wie heißt es so schön: Kleinvieh macht auch Mist. Ich bin jetzt sicher nicht das schlimmste Beispiel für Überkonsum – mit Schrecken erinnere ich mich immer wieder an den randvoll gefüllten Keller der Mutter eines Freundes, die an keinem 3+1-Angebot vorbeigehen konnte: Allein der Limonadenvorrat in diesem Keller übertraf meinen Jahreskonsum bei weitem. Aber ich habe auch so meine Konsumleichen in den diversen Kästchen und Laden. Absolut sinnlose Käufe, denn: Ich habe das Zeug ja bereits.
Daher: Ab sofort bin ich wieder Verbraucherin. Und weiß jetzt schon, wie ich fluchen werde, wenn ich die Tixo-Rolle mal wieder nicht finde. Ich werde berichten. Aber alle meine Besitztümer werde ich nicht zählen, sorry.
Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Genese
Die Autorin reflektiert ihren eigenen Konsum sowie das heimische Konsumverhalten, das individuellem, aber auch kollektivem Klimaschutz im Weg steht.
Daten und Fakten
Der materielle Fußabdruck wird berechnet aus der Gesamtmenge verbrauchter fossiler Brennstoffe, Biomasse, Mineralien und Metalle inklusive Importen. Aktuell liegt dieser in Europa durchschnittlich auf der doppelten Höhe eines nachhaltigen Niveaus. Für jedes Land wird regelmäßig der Tag berechnet, an dem mehr als die Menge der Ressourcen verbraucht ist, die die Erde in einem Jahr regenerieren kann. In Österreich liegt dieser inzwischen bei Anfang April. Würden alle so viel verbrauchen wie in Österreich, wären drei Erden nötig. Die Hälfte dieses materiellen Fußabdrucks geht auf Privathaushalte zurück, die andere Hälfte auf öffentliche Infrastruktur und Wirtschaftsbetriebe.
Quellen
Arbeiterkammer Wien: Nachhaltiger Konsum. Potenziale und Hürden österreichischer Haushalte
Bundesministerium für Klimaschutz: Ressourcennutzung in Österreich 2020
Das Thema in anderen Medien
Die Zeit: Unser absurder Konsum
Der Standard: Besitzen wir wirklich 10.000 Dinge?