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Ralf Rangnick hat Weltvereinen abgesagt und auf Millionen verzichtet, um beim ÖFB zu bleiben. Dabei hat er in Österreich viel Ärger – mit Funktionären und laut WZ-Informationen auch mit Sportchef Peter Schöttel. Warum bleibt Rangnick trotzdem?
Vor wenigen Wochen war die Lage ernst. Die Bosse des Spitzenklubs Borussia Dortmund reisten nach Salzburg, um ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick abzuwerben. Leichter gesagt als getan. Rangnick plauderte zwar freundlich, gab aber schnell einen Korb. Schon im Mai 2024 hatte er dem FC Bayern eine Absage erteilt – trotz einer kolportierten Jahresgage von zehn Millionen Euro. „Für mich steht die österreichische Nationalmannschaft im Vordergrund“, erklärte der Deutsche.
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Rangnick ist eigentlich zu groß für den kleinen ÖFB. Er hat RB Leipzig und Manchester United trainiert. In Österreich verdient er bloß ein Zehntel des Bayern-Angebots. Dazu hat er einen Haufen Ärger.
Im ÖFB dominieren Machtkämpfe, Streitereien und Beamtenhaftigkeit. Mit den Funktionären lag er zuletzt öffentlich im Clinch. Die von ihm vorangetriebene Professionalisierung der Nationalmannschaft stockte. Und auch ÖFB-Sportchef Peter Schöttel war dabei keine große Hilfe. Im Gegenteil. Während der EM kam es laut WZ-Informationen zum Krach.
Anfang des Jahres stand gar Rangnicks Abgang im Raum. WZ-Recherchen geben Einblick in sein Dilemma, warum der Mann trotzdem bleibt – und wie er intern energisch für den Erfolg des heimischen Fußballs kämpft.
Einmalige Chance – mit einer großen Hürde
Als Rangnick im Mai 2022 Teamchef wurde, war das ein Kulturschock für den gemütlichen ÖFB. Der 66-jährige Schwabe ist ein Ehrgeizling und getriebener Perfektionist. Lang war das ÖFB-Nationalteam mutlos und ängstlich aufgetreten. Unter Rangnick greifen die Spieler überall an. Sie besiegten Deutschland und Italien. Die EM-Vorrundengruppe wurde gar vor Frankreich und den Niederlanden gewonnen. Rangnick wird im Land als Wunderwuzzi verehrt. Die Menschen strömen zu den Spielen in ausverkaufte Stadien – und wollen das neue draufgängerische Österreich sehen.
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Rangnick hat große Ziele. Kommende Woche startet das Nationalteam ins Länderspieljahr. Der Deutsche will sich mit Österreich für die WM 2026 qualifizieren. Und dort für Furore sorgen. Das Problem: ausgerechnet der eigene Verband. Denn für die Bedingungen von Rangnick und Co. sorgen ehrenamtliche Funktionäre, die vordergründig für ihre Landesverbände zuständig sind und persönliche Interessen verfolgen.
60 Millionen Umsatz – und ein Verteilungskampf
Wie unterschiedlich die Interessen im ÖFB sind, wurde schnell klar. Etwa bei einer Sitzung der Funktionäre im August 2024. Dort soll Rangnick laut ÖFB-Vizepräsident Johann Gartner den Ex-Teamspieler Sebastian Prödl als Sportchef für das Nationalteam vorgeschlagen haben. Rangnick will ständig besser werden – und gute Leute ins Boot holen. Das Anliegen sei jedoch „nicht auf der Tagesordnung gestanden“, unkte Funktionär Gartner. Außerdem sei es „auch eine Kostenfrage“.
Eigentlich steht der ÖFB finanziell gut da – zuletzt wurde ein Umsatz von 60 Millionen Euro erzielt. Trotzdem legten sich die Funktionäre quer. Denn: Die Einnahmen des ÖFB wurden zuletzt vermehrt für die Entwicklung des Nationalteams verwendet anstatt, wie früher üblich, in großen Teilen an die Landesverbände ausgeschüttet. Das warfen die Funktionäre vor allem Geschäftsführer Bernhard Neuhold vor, den sie nun loswerden wollten.
Ex-Teamspieler Prödl als Ersatz für Schöttel?
Noch ein zweiter Grund verärgerte die ÖFB-Bosse. Rangnick nämlich habe Prödl „als Ersatz für Peter Schöttel“ vorgeschlagen, monierte Gartner. Schöttel aber hatten die Funktionäre einst extra in sein Amt gehievt, „weil er sich auch etwas einreden lässt“, wie Gartner betonte.
Als ÖFB-Sportchef ist Schöttel für die strategische Ausrichtung des heimischen Fußballs zuständig – auch für die Nationalmannschaft. Nicht immer wirkte er dabei sattelfest. 2017 setzte er den mutigen Teamstars den unpassenden, weil vorsichtigen Trainer Franco Foda vor die Nase, der einschläfernden Fußball spielen ließ – und Spieler gegen sich aufbrachte. Schöttel wusste vom Missstand, deckte ihn aber lang zu.
Erst als Österreich in der WM-Qualifikation 2022 hinter Dänemark, Schottland und Israel auf dem blamablen vierten Platz landete, reagierte er. Als neuen Teamchef wollte er seinen Kumpel Peter Stöger präsentieren, mit dem er sich schnell einig war. Nur auf Drängen des damaligen Präsidenten Gerhard Milletich rief er halbherzig bei Rangnick an, „ohne aber zu glauben, dass das wahnsinnig interessant für ihn sein könnte“. Schöttel täuschte sich – und befindet sich seither in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite erwartet der ehrgeizige Rangnick von Sportchef Schöttel, dass er die Professionalisierung des Nationalteams bei den ÖFB-Bossen durchboxt. Doch der agiert zögerlich im Dickicht der Interessen, weil sein Job eben auch vom Gutdünken der Funktionäre abhängt.
Es lässt sich schwer verhindern, dass jemand für sein Vaterland spielen will.Petter Schöttel, ÖFB-Sportchef
Kritik am ÖFB-Sportchef
ÖFB-intern heißt es, dass Schöttel behäbig und entscheidungsschwach agiere. Rangnick kümmerte sich also vermehrt um Aufgaben, die niemand so recht anpackte, die aber eigentlich in den Bereich von Schöttel fallen. Er stieß eine einheitliche Spielweise für alle ÖFB-Teams an, suchte geeignete Stadien für Nationalspiele und forciert die Talente-Förderung.
So versuchte Rangnick auch talentierte Kicker mit Doppel-Staatsbürgerschaft – die dem ÖFB zuhauf verloren gehen – zu überzeugen, für Österreich zu spielen. Schöttel schob die Sache lang von sich weg – und überließ den wichtigen Bereich einzelnen Nachwuchs-Trainern. Es lasse sich eben „schwer verhindern, dass jemand für sein Vaterland spielen will“, betonte er zuletzt. Sportchef und Teamchef sind grundverschieden. Rangnick hält nichts für unmöglich, Schöttel steckt schnell den Kopf in den Sand. Rangnick aber brauche jemanden, „der ihn unterstützt und Dinge umsetzt“, betont einer aus dem innersten ÖFB-Kreis.
Krach während der EM
Während der EM im Juni 2024 eskalierte die Situation. Wie der WZ von mehreren Seiten bestätigt wurde, krachte dort ein Mann aus Rangnicks Trainerstab mit Sportchef Schöttel zusammen. Schöttel soll sich nach der Auftaktniederlage gegen Frankreich beklagt haben, nirgends einbezogen zu werden. Worauf ihm wiederum vorgeworfen wurde, sich selbst aus vielem rauszuhalten. Ein Disput entbrannte. Auch Spieler bekamen den Konflikt mit – und hinterfragten hinter vorgehaltener Hand die Rolle Schöttels. „Ich weiß nicht, was Schöttel macht“, sagt einer aus dem innersten Nationalteam-Kreis. „Er setzt sich in ein Eck und hofft, dass ihn keiner anredet. Da sagen einige natürlich: Das kann es nicht sein!“
Rangnick aber will flott vorankommen. „Wenn wir uns schnell entwickeln wollen, braucht es nicht nur jemanden, der die Lokomotive fährt, sondern auch einen, der hinten ständig Kohlen hineinwirft, damit der Kessel ordentlich dampft“, erklärte er zuletzt. Dabei wären „Wegbegleiter hilfreich, die sagen: Komm, ich bin auch im Maschinenraum, wir machen das zusammen!“ Prödl sei „einer, der anpacken will“, erklärte Rangnick. Er sah ihn nicht als Ersatz für Schöttel, der im Verband auch ohne Nationalteam viele Aufgaben abzudecken hat, sondern als Ergänzung, um das Nationalteam schneller voranzubringen. Doch Prödl wanderte auf die lange Bank. Und dann wurde im Herbst 2024 auch noch die Kündigung von Geschäftsführer Neuhold beschlossen.
Rangnick: „Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen“
Rangnick schlug verärgert einen Wirbel – und prangerte den machtpolitischen Hintergrund an. „Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen“, polterte er öffentlich. Gemeinsam mit Starspielern wie David Alaba verschickte er ein E-Mail an die ÖFB-Bosse. In Hinblick auf die WM sei „Neuholds Expertise und Kompetenz unverzichtbar“, betonten sie. Sportchef Schöttel hielt sich laut WZ-Informationen aus der Sache raus. Er soll zwar gefragt worden sein, ob er das Schreiben unterzeichnen wolle, lehnte aber ab.
Anders Alaba und Co., die ihre Muskeln spielen ließen. Sie drohten den Funktionären im November 2024, künftig nicht mehr weit unter ihrem Marktwert für ÖFB-Sponsoren zur Verfügung zu stehen – sondern höhere Gagen zu verlangen. Das schreckte wiederum Sponsoren wie Raiffeisen auf, die in den letzten Wochen Druck auf die Funktionäre ausübten – und mit dem Abzug ihrer Sponsoring-Millionen drohten.
Jeder muss in seiner Kompetenz bleiben – und dem anderen Luft zum Atmen lassen.Wolfgang Bartosch, ÖFB-Präsident
Viele Funktionäre sehen Rangnick zunehmend kritisch. Sie fürchten die Allianz aus dem mächtigen Teamchef, Starkickern und Sponsoren, die sie zusehends ihrer Stärke beraubt. „Ich versuche, mit dem Teamchef auf einer Linie zu sein“, erklärt ÖFB-Präsident Wolfgang Bartosch im WZ-Gespräch. Dieser habe eben „hohe Ansprüche, ist ein Perfektionist – und erwartet von jedem Perfektionismus“. Kritischer Nachsatz: „Aber irgendwo muss jeder in seiner Kompetenz bleiben – und dem anderen Luft zum Atmen lassen.“
Rangnick aber will sein großes Ziel vorantreiben: die Teilnahme an der WM 2026. Eine Qualifikation würde dem ÖFB viel Geld bringen – das wissen auch die Funktionäre, die zuletzt relativ still waren.
Rangnick überlegte Abgang – Zugeständnisse von Präsident Bartosch
Laut WZ-Informationen überlegten Rangnick und sein Trainer-Stab nach den Querelen im Herbst, beim ÖFB hinzuschmeißen, sollten sich ihre Arbeitsbedingungen massiv verschlechtern. Im Jänner kam es dann zu einem Gespräch zwischen Präsident Bartosch und Rangnick. Der Teamchef soll dabei klipp und klar erklärt haben, künftig die bestmögliche Unterstützung des Verbands zu erwarten. Bartosch willigte ein – und machte Rangnick Zugeständnisse. Er nahm die Kündigung von Geschäftsführer Neuhold zurück und auch Prödl wurde Ende letzten Jahres engagiert. Nicht aber – wie von Rangnick angedacht – als Sportchef des Nationalteams, sondern als Leiter der Nachwuchs-Auswahlen. ÖFB-Sportchef Schöttel wäre es wichtig gewesen, erzählt einer aus dem innersten Kreis, „dass er Prödl unter sich eingliedert, um sich nicht selbst abzuschaffen“.
Rangnick-Verlängerung „kein Thema“
Rangnick will sich nun auf seine Spieler konzentrieren, für die er einst nach Österreich gekommen ist und ihretwegen gar Top-Klubs abwimmelte. Als Präsident Bartosch ihn kürzlich zu einer Sitzung mit den Funktionären einlud, lehnte Rangnick dankend ab. Auch eine Vertragsverlängerung über die WM 2026 hinaus ist ungewiss. Anfangs soll Rangnick Interesse an einem Langzeitprojekt gehabt haben. Dann aber ging niemand auf ihn zu. Und nun gibt er sich zurückhaltend. „Wir sind übereingekommen, dass das derzeit kein Thema ist“, erklärt Präsident Bartosch auf WZ-Nachfrage.
Rangnick betont, sich trotz aller Querelen in Österreich wohlzufühlen. „Das hier ist ein Perfect Match zwischen meinem Trainerstab, der Mannschaft, dem ganzen Land und mir“, erklärte er zuletzt. Die Funktionäre erwähnte er mit keinem Wort.
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Infos und Quellen
Genese
Fußball-Teamchef Ralf Rangnick hat beim ÖFB viel Ärger – doch trotz zweier Millionen-Angebote bleibt er in Österreich. Warum eigentlich? Und wie lang noch? ÖFB-Insider Gerald Gossmann hat für diese Geschichte mit Funktionären, Angestellten und immer wieder mit dem Teamchef gesprochen. Die Geschichte gibt einen exklusiven Einblick in den Maschinenraum Österreichischer Fußball-Bund. Und sie handelt von Rangnicks Plänen, seinen Problemen, von Machtkämpfen, einem möglichen Abgang, reinigenden Gesprächen – und einem Krach mit Sportchef Peter Schöttel.
Gesprächspartner
ÖFB-Präsident Wolfgang Bartosch
Vizepräsident Johann Gartner
Funktionäre und ÖFB-Angestellte
Der Geschichte liegen zudem zahlreiche Gespräche mit Personen zugrunde, die anonym bleiben möchten.
Daten und Fakten
Das ÖFB-Präsidium besteht aus neun ehrenamtlichen Landesverbandspräsidenten, dem ÖFB-Präsidenten und Vertretern der österreichischen Bundesliga.
Der Fußball-Bund wird von zwei Geschäftsführern geleitet. Bernhard Neuhold, der in der Geschichte vorkommt, fungiert als CEO der ÖFB-Wirtschaftsbetriebe. Dabei ist er etwa für die Nationalmannschaft und die Betreuung der Sponsoren zuständig.
Sportdirektor Peter Schöttel ist für die strategische Ausrichtung des Verbands verantwortlich. Er ist dabei nicht nur für die A-Nationalmannschaft zuständig, sondern auch für die Trainerausbildung, die Nachwuchsauswahlen, die Talente-Förderung oder den Breitensport.
Sebastian Prödl ist ein Ex-Nationalspieler, der zuletzt zum Leiter der Nachwuchsauswahlen bestellt wurde. In seiner Funktion soll er sich auch um talentierte Spieler mit Doppel-Staatsbürgerschaft kümmern, um sie für den österreichischen Fußball zu gewinnen.
Teamchef Ralf Rangnick ist ein international renommierter Trainer, der als kompromissloser Erneuerer gilt. Er hat RB Leipzig, RB Salzburg und die TSG Hoffenheim zu Champions-League-Startern geformt, stand mit Schalke 04 im Champions League-Halbfinale und war Trainer von Manchester United.
Quellen
ÖFB: Die Mitglieder des ÖFB-Präsidiums
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
Kurier: Dortmund will Rangnick
Der Standard: Rangnick über Zwist im ÖFB: „Lassen uns nicht für dumm verkaufen“