Eine Erbschaftssteuer wäre eine Möglichkeit der vermögensbezogenen Abgaben. Doch Zahlen über das Erbvolumen in Österreich gibt es kaum. Klar ist: Erben ist eine Glückslotterie, die weiter zur ungleichen Verteilung des Vermögens beiträgt.
Erbschaften tragen einen maßgeblichen Teil zum Vermögensverteilung bei. Zu diesem Schluss kamen Forscher:innen der Oesterreichischen Nationalbank in einer Studie aus dem Jahr 2015. Deshalb glauben Wirtschaftsforscher:innen, dass eine Erbschaftssteuer zielgerichteter wäre als eine generelle Vermögenssteuer. Die Umsetzung wäre demnach einfacher, weil sie nicht auf eine freiwillige Meldung basieren würde, und es würde nicht Leistung besteuert. Und Erbschaften tragen zur Konzentration dieses Vermögens bei: OeNB-Schätzungen zufolge besitzt ein Prozent der Bevölkerung bis zu 50 Prozent des Gesamtvermögens. Ein großer Teil davon kommt aus Erbschaften – und auch hier gibt es wenig konkrete Zahlen, nur Schätzungen.
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Autos und Immobilien
Die Forscher:innen Severin Rapp und Franziska Disslbacher analysieren an der Wirtschaftsuniversität in einem neuen Projekt die Verlassenschaftsakten in Wien und gehen dabei der Vermögensweitergabe auf den Grund. Klar ist jetzt schon: Hierzulande ist Erben ein großer Faktor: „Es wurde in einer Studie über 13 europäische Länder gezeigt, dass das Erbe in keinem anderen Land eine so große Bedeutung wie in Österreich hat. Wenn Sie also in der Vermögensverteilung aufsteigen wollen, kommen Sie durch Erben in Österreich besonders weit nach oben”, erklärt Rapp. Das aktuelle Erbvolumen liege derzeit laut Schätzungen bei 15 Milliarden Euro jährlich. Rapp weist darauf hin, dass diese Zahlen auf Umfragen basieren. Für präzise Daten bräuchte es die Besteuerung dieser Erbschaften. In Österreich wurde allerdings die Erbschaftssteuer 2008 abgeschafft.
Wie sieht es nicht nur auf gesamter, sondern auf persönlicher Ebene? In einer Analyse der europäischen „Household Finance and Consumption Survey“ 2021 kommt die OeNB auf ein durchschnittliches Erbe von 141.900, inklusive Schenkungen auf einen Transfer von 159.200 Euro. „In den unteren 90 Prozent der Vermögensverteilung erbt etwa jede:r Zweite bis Dritte. Hier geht es meist um Wertgegenstände, etwa um ein Auto. Bei den höheren Erbschaften in dieser Gruppe, mit einem Durchschnitt von etwa 120.000 Euro, ist der Klassiker die Immobilie, der elterliche Hauptwohnsitz oder ein Anteil daran. Das Reichste Prozent erbt durchschnittlich bereits um die 3,5 Millionen Euro”, berichtet WU-Ökonomin Disslbacher.
Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft
Eine Erbschaft bedeutet aber mehr als nur ein Geldtransfer, betont Disslbacher: „Hohe Erbschaften in Form von Immobilien, Finanzanlagen oder Unternehmen sind nur ein weiterer Ausdruck der Vererbung von gesellschaftlichen Vorteilen sind, die Spitze eines Eisbergs. Wer eine materielle Erbschaft erhält, hat in der Regel im Laufe des Lebens viele andere Vorteile, quasi per Geburtslotterie. WU-Kollege Rapp spricht einen weiteren Aspekt an, die Folgen der Erbschaften auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes: „So gibt es zahlreiche Studien, die uns nahelegen, dass Erb:innen weniger arbeiten.“ Außerdem seien Unternehmen, die in der nächsten Generation der Familie übernommen werden, weniger wirtschaftlich erfolgreich.
Nicht immer hinterlassen Menschen ihren Erben Vermögen, sondern auch Schulden. Darüber, wie oft ein Erbe wegen Verbindlichkeiten nicht angenommen wird, gibt es laut Disslbacher ebenfalls noch keine Daten. Im aktuellen Forschingsprojekt gehen sie und Rapp dieser Frage nach. Grundsätzlich hinterlasse ein substanzieller Teil der Bevölkerung kein Erbe oder ist überschuldet, da die letzten vorhandenen finanziellen Mittel niedriger sind als die Ausgaben für die Bestattung. „Das hat zwei Gründe und betrifft zwei verschiedene Bevölkerungsgruppen – jene, die im Laufe ihres Lebens nie Vermögen hatten, und jene, die hohe Vermögen hatten und schon Jahre vor ihrem Tod ihre Vermögen, also das Erbe, strategisch auf ihre Nachkommen verteilt haben“, so Disslbacher.
Steuer für mehr Chancengerechtigkeit
Während eine Vermögenssteuer mehr darauf abziele, die Vermögensungleichheit zu reduzieren, würde die Erbschaftssteuer eher die Chancengerechtigkeit stärken. Wie effizient diese Steuer wirkt, hängt nicht nur von der Höhe, sondern auch von den Freibeträgen ab. Forscherin Disslbacher sieht hier als Richtwert die Erbschaftshöhe, ab der Erben zur Vermögensungleichheit beiträgt: „Diese liegt in Österreich bei etwa 500.000 Euro.“ Im Gegensatz zu einer regelmäßigen Vermögenssteuer wäre die Erbschaftssteuer weniger häufig und würde deshalb auch nicht so hohe Einnahmen bringen. „Die letzten zehn Jahre ökonomischer Forschung haben eindeutig gezeigt, dass eine Gesellschaft, die Chancengerechtigkeit befürwortet, es sich nicht leisten kann, auf die Besteuerung von Erbschaften zu verzichten.“
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Genese
Bei den Diskussionen um Vermögensverteilung und Vermögenssteuer geht es auch um den Aspekt des Erbens. Wir wollten uns deshalb genauer ansehen, wie hoch das Erbschaftsvolumen in Österreich ist und in welchen Bevölkerungsgruppen dieses landet.
Gesprächspartner
Franziska Disslbacher und Severin Rapp, Forscher:innen für Verteilungsfragen und Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien
Fakten
Wie beim Vermögen gibt es auch zu den Erbschaften in Österreich keine konkreten Daten
Der durchschnittliche Erbwert in Österreich liegt Umfragen zufolge bei 141.900 Euro
Das reichste Prozent der Bevölkerung erbt durchschnittlich 3,5 Millionen Euro
Quellen
OeNB: Vermögenskonzentration
Momentum Institut: Erbschaften in Österreich
Das Thema in anderen Medien
Standard: Warum die Erbschaftssteuer ein zutiefst liberales Projekt ist
Die Presse: Der Effekt der Erbschaftssteuer