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Was bedeutet eine Rezession für uns persönlich?

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Ein langfristiges Schrumpfen der Wirtschaft hätte negative Auswirkungen für die Bevölkerung. Derzeit sieht es aber nicht danach aus.
© Illustration: WZ

„Geht´s der Wirtschaft gut, geht´s uns allen gut”, lautet ein Werbeslogan der Wirtschaftskammer Österreich. Heißt das im Umkehrschluss, dass es uns in der aktuellen Rezession schlecht gehen wird?


„Haarscharf an einer Rezession vorbeigeschrammt”, lautete noch im Juli der Ausblick der heimischen Wirtschaftsforscher:innen. Ein Quartal später sieht die Situation anders aus: Bei der Konjunkturprognose Anfang Oktober gehen das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) für dieses Jahr von einem Minus bei der Wirtschaftsleistung aus. Eine Rezession tritt technisch gesehen dann ein, wenn das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP, der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums hergestellt wurden) eines Landes sechs Monate in Folge sinkt. In Österreich war dies zuletzt im ersten Halbjahr 2020 der Fall, zu Beginn der Corona-Pandemie.

Milde Rezession kaum bemerkbar

Für das Gesamtjahr 2023 rechnet das WIFO jetzt mit 0,8 Prozent weniger Wirtschaftsleistung als im Vorjahr, das IHS mit 0,4 Prozent. Beide Institute sprechen von einer „milden Rezession“. Österreich habe das Schlimmste bereits hinter sich, betonte IHS-Chef Holger Bonin bei der Präsentation der Prognose. Nächstes Jahr rechnet das IHS mit einem BIP-Plus in Höhe von 0,9 Prozent. Die aktuelle Rezession sei unter anderem der schlechten Lage der Bauwirtschaft und der Industrie zuzuschreiben.

Doch was bedeutet ein Rückgang der Wirtschaftsleistung für die Bevölkerung? Bekommen wir die Rezession in unserem Alltag zu spüren? In dieser Größenordnung nicht, sagt IHS-Ökonom Helmut Hofer und weist darauf hin, dass es in Österreich sehr selten eine lange negative Wirtschaftsentwicklung gab. Zwei Zehntel mehr oder weniger Wirtschaftsleistung machen demnach kaum einen Unterschied.

Wie sich eine größere Rezession auswirken kann

Ein langfristiges Schrumpfen der Wirtschaft hätte aber schon negative Auswirkungen für die Bevölkerung, erklärt Hofer: „Vereinfacht gesagt: Bei einer Rezession wurde weniger produziert als vor einem Jahr, deshalb gibt’s auch weniger zu verteilen. Zuerst geht’s der Industrie schlecht, die Lohnabschlüsse dort fallen geringer aus und die Beschäftigung sinkt, dann betrifft es auch den Dienstleistungssektor, die Arbeitslosigkeit steigt und der Konsum sinkt, die Unternehmen investieren weniger und das BIP sinkt weiter”, skizziert der Experte den Teufelskreis, der bei einer größeren Rezession möglich wäre.

Bei einem solchen Szenario wären laut Hofer vor allem Jugendliche als erstes betroffen, da diese neu am Arbeitsmarkt und deshalb leichter zu kündigen sind als langjährige Mitarbeiter:innen. Greift die Rezession so tief, dass Budgetanpassungen notwendig sind, könnte es etwa zu Einsparungen bei Pensionen kommen.

Diese Gefahr sieht IHS-Ökonom Hofer allerdings in Österreich noch nicht. Die aktuelle Rezession sei auch deshalb unüblich, weil die Arbeitslosenquote robust sei. Die aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen in der Industrie stehen allerdings im Zeichen der schlechten Auftragslage, wie erwähnt könnten deshalb die Lohnerhöhungen niedriger ausfallen.

Was die Rezession für die Teuerung bedeutet

Ein weiterer Effekt der Rezession: Wenn die Nachfrage sinkt, müssten Unternehmen ihre Preise senken oder sie zumindest nicht erhöhen. Ob sich die Inflation in Österreich entspannt, hängt laut Hofer unter anderem von den Verhandlungen zwischen Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften ab. Bei höheren Löhnen könnte es zu weiteren Preissteigerungen kommen, wenn Unternehmen die Personalkosten weitergeben.

Auch wenn das Schrumpfen der Wirtschaftsleistung vorerst keine Auswirkungen auf unseren Alltag hat, warnt der Wirtschaftsforscher: „Man sollte alles tun, um eine Rezession zu verhindern. Eine Unsicherheit in der Bevölkerung führt dazu, dass weniger ausgegeben wird, was wiederum die Rezession verstärkt.“


Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Genese

Vor einigen Monaten gingen wir der Frage nach, ob Österreich einer Rezession entkommt. Jetzt, wo sie da ist, fragen wir uns, inwiefern uns diese wirtschaftliche Lage beunruhigen sollte und wie wir die Rezession persönlich zu spüren bekommen.

Gesprächspartner

Helmut Hofer, Ökonom am Institut für Höhere Studien

Daten und Fakten

  • Die österreichische Wirtschaftsleistung wird dieses Jahr laut aktuellen Prognosen um 0,4 bis 0,8 Prozent sinken.

  • Für 2024 rechnen die Wirtschaftsforscher:innen von IHS und WIFO mit einem leichten Plus, außerdem soll die Kaufkraft nächstes Jahr spürbar steigen.

Quellen

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