Die großen Zentralbanken erhöhen seit Mitte 2022 stetig die Leitzinssätze. Die US-Notenbank hat nun Mitte Juni eine Pause bei den Zinsschritten eingelegt. Erleben wir bald die Zinswende?
Die kurze Antwort: Nein. Ende Juni trafen sich die Zentralbanken zu einer jährlichen Konferenz, dabei stellten sowohl Vertreter:innen der US-Notenbank als auch der Europäischen Zentralbank weitere Zinsschritte in Aussicht. Die Aufgabe der öffentlichen Institutionen ist es, mit ihren Maßnahmen die Geldpolitik und somit die Märkte zu steuern und wirtschaftliche Entwicklungen zu beeinflussen – unter anderem eben die Inflation, also den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus von Produkten und Dienstleistungen. Da die hohe Inflation noch immer nicht ausreichend abgeschwächt ist, bleiben die Zentralbanken beim aktuellen Kurs. Die EZB strebt im Euroraum ein langfristiges Einpendeln der Inflation auf zwei Prozent an. Dieser Wert trägt laut Expert:innen der Oesterreichischen Nationalbank am besten dazu bei, „ein nachhaltig kräftiges Wirtschaftswachstum mit hoher Beschäftigung zu unterstützen und Verzerrungen beim real verfügbaren Einkommen zwischen Bevölkerungsgruppen zu vermeiden.“ Als verfügbares Einkommen wird die Summe bezeichnet, die Privathaushalte ohne Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten für Konsum und Ersparnis zur Verfügung haben.
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Teuerung fällt erst nach 2025 wieder
Laut aktuellen Prognosen der Zentralbank wird die Teuerung in der Eurozone erst nach 2025 wieder auf diesen Wert fallen. Immerhin ist die Rate seit Beginn des Jahres rückläufig: Die jährliche Inflationsrate lag im Dezember noch bei 9,2 Prozent, im Mai bei „nur“ noch 6,1 Prozent. Dabei ist die Bandbreite zwischen den einzelnen EU-Ländern groß: In Luxemburg beträgt der Wert zwei Prozent, in Lettland und der Slowakei 12,3 Prozent. Auch Österreich liegt noch über dem EU-Schnitt.
Die europäische Zinspolitik, also die Strategie zur Steuerung der Wirtschaft, zeigt zwar schon positive Effekte, aber auch negative: „Die Effekte einer Zinsanhebung sind unter anderem eine restriktive Kreditvergabe, ein geringeres Wirtschaftswachstum und letztlich ein Rückgang der zu hohen Inflation“, erklärt die Oesterreichische Nationalbank (OeNB). Das spiegelt sich in den Konjunkturprognosen, also dem Ausblick der heimischen Wirtschaftsforscher:innen auf die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Monate, wider. Die aktuelle Zinspolitik sorgt laut Gabriel Felbermayr, dem Direktor des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo, auch für Unsicherheit bei den Ökonom:innen: „Die Wirkung ist unsicher, da wir keine rezenten Informationen haben, nachdem wir jahrelang keine hohen Zinsen hatten.“
Bürger:innen spüren Entwicklung bei Krediten
Die Bürger:innen spüren die Zinsentwicklung vor allem bei den Krediten sowie bei Sparprodukten. Konsumentenschützer:innen sehen hier aber eine Tendenz: Demnach geben die heimischen Banken Kreditzinsen schneller weiter als Sparzinsen. Das geht zumindest aus Analysen der Arbeiterkammer, des Momentum Instituts sowie der Vergleichsplattform Durchblicker hervor. Besonders Haushalte, die ihr Eigenheim mit einem variablen Zinssatz finanziert haben, bekommen die Mehrbelastung nach Anhebung des Leitzinses zu spüren. Denn dieser dient den Banken als Richtwert für ihre Zinsen. Inwiefern die Banken die Zinserhöhungen an Kund:innen weitergeben, ist laut der OeNB schwierig zu beantworten, da es je nachdem, wie lange das Kapital gebunden ist, unterschiedliche Zinssätze gebe. „Die konkrete Entwicklung der Kredit- und Sparzinsen unterliegt der jeweiligen Geschäftspolitik der einzelnen Kreditinstitute“, hält die Nationalbank fest.
In der aktuellen Ausgabe der vierteljährlichen Umfrage über das Kreditgeschäft meldeten die heimischen Finanzinstitute im ersten Quartal 2023 einen Rückgang sowohl bei Unternehmens- als auch bei Wohnkrediten. Dieser Trend soll sich der Umfrage zufolge im zweiten Quartal fortsetzen. Und vielleicht könnte dieser Trend dafür sorgen, dass die Banken ihre Sparprodukte weiter attraktivieren, um die fehlenden Einnahmen bei den Krediten auszugleichen.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner:innen
Expert:innen der Oesterreichischen Nationalbank
Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (im Rahmen einer Pressekonferenz am 28. Juni 2023)
Daten und Fakten
Der Leitzins der EZB lag seit 2016 bei null Prozent, bis im Juli 2022 die erste Erhöhung mit 0,5 Prozentpunkten kam.
Im Juni 2023 erhöhte die Zentralbank den Zinssatz um 0,25 Prozentpunkte auf vier Prozent.
Auch andere große Wirtschaftsmächte haben im vergangenen Jahr die Leitzinsen erhöht, nur Japan hält seinen Leitzinssatz bei minus 0,1 Prozent.