Die Astrophysikerin Lisa Bugnet über Frauen in der Wissenschaft, ihre Karriere und die Sterne am Nachthimmel.
Lisa Bugnet ist nominell Assistenzprofessorin, doch an ihrem Institut hat der Titel ein anderes Gewicht. Sie forscht als Astrophysikerin am Ista, einem Spitzenforschungsinstitut in Klosterneuburg, dessen System nach US-Vorbild aufgebaut ist. Daher arbeitet man in ihrer Position wie eine Professorin an einer klassischen Universität. Das heißt, Bugnet trägt schon jung Verantwortung für eine Forschungsgruppe. Wie es ihr dabei geht, erzählt sie der WZ.
Du bist mit 29 Jahren die jüngste Professorin am Ista (Institute of Science and Technology Austria) und laut Berichten in Google und Google Scholar auch eine der jüngsten in Österreich. Wie fühlt es sich an, so früh in einer verantwortungsvollen Position zu sein?
Es ist neu und eine Herausforderung, aber auch ereignisreich und spannend. Ich arbeite sehr gern mit meinen Studierenden. Als Post-Doc hatte ich kein Team und habe relativ isoliert an meinen Themen gearbeitet. Jetzt sind wir in meiner Gruppe zu viert und teilen unser Wissen und das macht mir Freude.
Laut Statistischem Bundesamt haben Akademiker:innen im Durchschnitt ein Alter von 43,2 Jahren, wenn sie erstmals zu einer Professur berufen werden. Warum ging es bei dir schneller?
Am Ista bewerben sich viele gute Leute für eine Position, ich hatte also Glück. Zudem strebte ich eine Uni-Position lieber früher als später an, da ich einen fixen Wohnort wollte, anstatt mich von Forschungsprojekt zu Forschungsprojekt und von Land zu Land zu hanteln. Ich habe daher Zeit und Energie in eine Karriereplanung investiert, von der ich annahm, dass sie mir auch später im Leben sinnvoll erscheinen würde.
Aber es gab enorme Konkurrenz – du hast dich gegen 1.229 Bewerber:innen durchgesetzt! Wie war der Auswahlprozess?
In meiner Bewerbung musste ich erklären, welche Forschung ich am Ista machen will. Der folgende Interviewprozess dauerte zwei Tage. Ich musste meine Arbeit präsentieren und mit den anderen Fakultäten diskutieren. Danach wurde unsere Performance von den Verantwortlichen intern diskutiert.
Das Fach Astrophysik ist neu am Ista. Warum war das Forschungsinstitut trotzdem attraktiv für dich?
Ich kannte das Ista nicht, bevor ich mich bewarb, eben weil es hier keine Astrophysik gab. Das Institut hat sich bei mir gemeldet, weil es junge Wissenschaftler:innen suchte. Ich hielt das für eine einmalige Möglichkeit, denn ich wollte in Europa bleiben, wo es nur wenige Positionen gibt. Man bekommt relativ schnell eine befristete Stelle für ein Forschungsprojekt, aber es gibt kaum Budget für die Gründung von Forschungsgruppen. Hier habe ich ein Budget, um eine Gruppe in der Astronomie aufzubauen.
Woran forschst du?
Ich untersuche, was unter der Oberfläche von Sternen passiert. Welche Prozesse regieren das Leben eines Sterns? Wie verändern sich seine Form, Größe und Temperatur? Um das herauszufinden, bedienen wir uns der Astero-Seismologie.
Die Seismologie ist die Lehre von Erdbeben und der Ausbreitung seismischer Wellen in Festkörpern. Sie ist die wichtigste Methode, um den inneren Aufbau der Erde zu erforschen. Ist das Prinzip bei Sternen das Gleiche?
Genau das ist es. Mit der gleichen Technik schauen wir in den Mantel und in den Kern von Sternen. Sterne haben nämlich keine perfekt runde Form, sondern sie vibrieren. Diese Vibrationen zeigen an, was im Inneren vorgeht.
Vibriert auch unsere Sonne?
Unsere Sonne ist ein junger Zwergstern, der in Fünf-Minuten-Abständen vibriert. Das ist bei ihrer Größe ultraschnell. Je weiter ein Stern evolviert, also je älter er wird, desto größer wird er, bis er irgendwann zu einem Roten Riesen heranwächst und seine Vibrationen aufgrund der schieren Größe verlangsamt.
Manche Sterne scheinen am Nachthimmel zu flackern. Sehen wir mit diesem Flackern so etwas wie die Lebenszyklen dieser Sterne?
Nein. Das Flackern von Sternen, das wir von der Erde aus sehen können, geht auf atmosphärische Störungen zurück, wie Nebel oder Wind.
Und welches Flackern studierst du?
Wenn ein Stern im Lauf seines Lebens seine Form verändert, flackert er tatsächlich. Beispiel: Wenn er sich ausdehnt, entfernt sich seine Oberfläche vom Kern, der die Wärme- und Energiequelle ist. Je weiter sich die Oberfläche vom Kern entfernt, desto kälter und dunkler wird sie. Wenn er hingegen schrumpft, bewegt sich die Oberfläche zum Kern. Je näher die Oberfläche zu ihrer Energiequelle ist, desto intensiver brennt der Stern und desto mehr Licht gibt er ab.
Und was sagt uns das?
Wir können aus unseren Messungen die Masse und den Radius eines Sterns errechnen und das wiederum gibt Aufschluss über sein Alter. Außerdem können wir bestimmte Prozesse im Sterninneren messen, wie etwa die Rotationsgeschwindigkeit, die an der Oberfläche anders ist als im Sterninneren. Auch das Magnetfeld im Sonneninneren können wir ablesen.
Und was sagt uns das wiederum über den Stern?
Wir können nur Annahmen treffen. Dynamische Sterne mit einem schwachen Magnetfeld, die schnell rotieren, leben länger als stabilere Sterne, die von einem starken Magnetfeld beherrscht werden, welches Bewegung und Rotation im Inneren des Himmelskörpers abbremst. Wir studieren dieses Zusammenspiel, das man erst seit kurzem messen kann.
Wie hast du den Entschluss gefasst, dich auf die Sterne zu konzentrieren?
Ich wollte immer Astrophysikerin werden. Während des Studiums begann ich mich auch für Erdatmosphäre, Klima, Ozeane und Seismologie zu interessieren. Und dann entdeckte ich die Bewegung von Himmelskörpern und deren Seismologie.
Dein Rat an junge Menschen, die Wissenschaftler:innen werden wollen?
Ich würde einer jungen Frau einen anderen Rat geben als einem jungen Mann, denn junge Frauen haben es nach wie vor schwerer, aber generell würde ich sagen: Lasst euch nicht entmutigen, auch wenn ihr in einem nicht-wissenschaftlichen Umfeld aufwachst, in dem Mathematik und Naturwissenschaften als schwierig gelten. Solange ihr wisst, was ihr machen wollt, macht es, und wenn das Mathematik ist, habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie mit zunehmender Intensität immer schwerer, aber auch immer interessanter wird. Also bleibt dran, solange es interessant ist.
Nach wir vor haben es Frauen in den Wissenschaften schwerer als Männer.Lisa Bugnet
Du sagtest, dass es für Frauen nach wie vor schwieriger ist, eine wissenschaftliche Karriere zu machen – richtig?
Ja natürlich! Normalerweise dauert es fünf bis sechs Jahre, um nach dem PhD einen fixen Job zu bekommen. Das heißt, man muss bis etwa Mitte, Ende 30 von Forschungsprojekt zu Forschungsprojekt ziehen und immer wieder den Wohnsitz wechseln. Unter solchen Umständen ist es schwer, ein Leben aufzubauen und sich irgendwo zu etablieren, insbesondere für Frauen. Ich glaube, das ist der Hauptgrund, dass Frauen früher aus den Wissenschaften aussteigen als Männer.
Weil sie die Familienplanung zu spät beginnen müssen?
So wollte ich es nicht formulieren, aber dieser Fall kann durchaus eintreten. In der zweiten Hälfte der Dreißiger wird die Familiengründung schwieriger.
Welche Faktoren spielen noch mit?
Es gibt wirklich gute Bemühungen, auch hier am Ista, jedem und jeder die gleichen Chancen zu geben. Aber wenn es kürzer dauern würde, um eine fixe Stelle zu bekommen, würden weniger Frauen aus den Wissenschaften aussteigen. Weil das aber nicht der Fall ist, fehlen die Rollenmodelle für junge Frauen. Je weniger Frauen in die Wissenschaft gehen, desto weniger Vorbilder haben die Mädchen.
Welche Entdeckung der Astrophysik hat dich in den letzten Jahren am stärksten beeindruckt?
Es ist keine Entdeckung, sondern eine technische Entwicklung: Das riesige James-Webb-Teleskop (JWST) der Nasa liefert Daten in einer noch nie dagewesenen Qualität. Vor seinem Start Ende 2022 war ich überzeugt, dass die Mission scheitern würde, weil so viele Faktoren zusammenspielen mussten, damit es ins All und in die richtige Position gebracht werden kann und all seine Geräte den Betrieb aufnehmen können. Nun funktioniert das JWST perfekt und liefert exzellente Daten von fernen Galaxien.
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Infos und Quellen
Genese
Bei einem Treffen des Ista für Journalist:innen kam das Gespräch auf den neuen Forschungsbereich der Astronomie und Lisa Bugnet als jüngste Professorin. Das interessierte WZ-Redakteurin Eva Stanzl.
Gesprächspartnerin
Lisa Bugnet (29), Professorin für Astrophysik, Institute of Science and Technology (Ista). Als sie ein Kind war, ließ ihr Vater, ein Amateur-Astrofotograf, sie durch sein Teleskop schauen. Die schönen Bilder faszinierten sie. „Ich wollte wissen, was alles hinter den Bildern steckt“, erinnert sie sich. Die Faszination aus Kindheitstagen wurde zu ihrem Beruf. Nach ihrer Doktorarbeit am französischen Kommissariat für Atomenergie und alternative Energien in Paris und zwei Postdoc-Jahren am Flatiron Institute in New York City, USA, wurde sie Assistenzprofessorin am Ista in Klosterneuburg nahe Wien. Diese Position wird an diesem Institut wie eine Professur geführt.
Daten und Fakten
Das Institute of Science and Technology Austria (Ista) in Klosterneuburg ist ein multidisziplinäres Forschungsinstitut mit Promotionsrecht für Spitzenforschung in den Bereichen Physik, Mathematik, Informatik und Biowissenschaften. Es wurde 2006 durch die österreichische Bundesregierung und das Land Niederösterreich gegründet, 2009 erfolgte die Eröffnung des Campus in Klosterneuburg nahe Wien. Im Jahr 2022 waren bereits 76 Professor:innen mit ihren Forschungsgruppen tätig. Heute gilt das Ista international als Top-Forschungsinstitut für Postgraduale Studien. Das heißt, man kann dort kein Erststudium, etwa mit Abschluss Bachelor oder Master, absolvieren. Das Durchschnittsalter aller Mitarbeitenden ist 33,6 (Stand 2022).
Ein postgraduales Studium setzt ein erfolgreich abgeschlossenes, grundsätzliches Studium voraus. Sein Ziel ist in der Regel ein weiterer akademischer Grad.
Der PhD (Doctor of Philosophy) ist der wissenschaftliche Doktorgrad in fast allen Fächern und der höchste Abschluss des Postgraduiertenstudiums.
Ein Postdoc (Postdoktorand) ist ein:e Wissenschaftler:in mit Doktorgrad, der oder die an einer Universität oder einem Forschungsinstitut befristet tätig ist. Die Anstellung umfasst einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu sechs Jahren; typisch sind zwei Jahre. Insbesondere in den Naturwissenschaften – speziell in der Grundlagenforschung – kann es notwendig sein, statt einer festen Anstellung eine oder mehrere Postdoc-Stellen nacheinander anzunehmen.
Eine Professur bezeichnet im deutschen Sprachraum zumeist eine Stellung als Hochschullehrer:in mit festgelegtem Fachgebiet. Die Professur wird durch ein formalisiertes Auswahlverfahren besetzt, das sicherstellen soll, dass nach den Kriterien Eignung, Leistung und Befähigung die Besten zum Zug kommen. Die Hauptaufgabe ist die eigenverantwortliche Durchführung wissenschaftlicher Forschung und Lehre.
Geburt von Sternen: Sterne können mehrere Millionen bis hin zu mehreren Milliarden Jahren alt werden. Unsere Sonne hat ein Alter von 4,6 Milliarden Jahren. Sie ist einer von Millionen von Sternen in unserer Galaxie, die wiederum nur eine der Milliarden von Galaxien im Universum ist. Ohne die Sonne gäbe es kein Leben auf der Erde. Sterne werden geboren, wenn sich Wolken aus Gas und Staub unter ihrer eigenen Gravitation (Schwerkraft) zusammenziehen. Sobald sich genug Masse angesammelt hat, steigen Druck und Temperatur so sehr an, dass Fusionsreaktionen starten. Um einen Stern zu bilden, braucht es nur Gas und Staub. Die Schwerkraft erledigt den Rest. Sie zieht Gas und Staub zu einem glühenden Ball zusammen – einem Protostern. Schließlich startet ein nukleares Feuer in seinem Kern, und der Stern beginnt zu leuchten.
Sternentypen: Ein Stern ist ein massereiches Objekt im Weltall, zusammengehalten durch Gravitationskräfte, das sich von einem Planeten durch seine Leuchtkraft unterscheidet – oder die Tatsache, dass es Licht erzeugt.
Über 90 Prozent aller Sterne sind Zwergsterne – gemäßigte Sonnen wie unsere. Dieser Typus – die Gruppe wird Hauptreihensterne genannt – reicht von den roten, leuchtschwachen Sternen (Rote Zwerge) über die Gelben Zwerge zu den hellen, blauleuchtenden und sehr heißen Sternen – den Blauen Zwergen. Das Dasein als Hauptreihenstern ist in der Entwicklung eines Sterns die lange, stabile Ruhephase des Wasserstoffbrennens: Im Kern des Sterns werden durch enormen Druck und Hitze Wasserstoffatome zu Helium fusioniert. Der Stern ist sehr stabil und leuchtet mit konstanter Helligkeit und Farbe. Doch wenn der Wasserstoff im Kern zur Neige geht, bläht sich der Stern zu einem gigantischen Riesen oder Überriesen auf, in seinem Inneren werden Helium oder schwerere Elemente verschmolzen.
Quellen
Das Thema in anderen Medien
National Geographic: Faszination der Sterne
ARD Alpha: Sternentypen
APA Science: Zwei neue Astrophysik-ProfessorInnen am Ista