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Offener Brief: Forderungen gegen digitale Hetzjagden

4 Min
"Stirb du Hure!" - Frauen müssen sich in den sozialen Netzwerken oft wüst beschimpfen lassen.
© Illustration: WZ

Acht Autorinnen fordern in einem offenen Brief Maßnahmen gegen Hass im Netz. Anlass ist der Fall Alexandra Föderl-Schmid. Die WZ veröffentlicht den offenen Brief im Wortlaut.


„Stirb du Hure!“, „Schleich dich du linksversiffte Fotze!“, „Du widerliches Stück Dreck gehörst gefickt bis du den Mund hältst!“ – Diese und ähnliche Hass-Nachrichten gehören heute zum traurigen Alltag von Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen. Wohin dieser systematische misogyne Hass führen kann, das haben uns nach dem furchtbaren Ableben von Lisa-Maria Kellermayr auch die letzten Tage wieder erneut schmerzlich vor Augen geführt.

Nach einer hervorragenden Ärztin wurde auch gegen eine hoch integre, erfolgreiche Journalistin eine hemmungslose Hasskampagne ohne Rücksicht auf die Konsequenzen losgetreten. Aber was und wer kommt als Nächstes? Wie weit werden diese digitalen Jagden noch getrieben, wie offen dürfen Menschen und insbesondere Frauen im Netz noch zur Zielscheibe gemacht werden?

Die bestehenden Gesetze schützen uns nicht

Während wir noch um Alexandra Föderl-Schmid bangten, haben Frauen, die ihre Sorgen öffentlich äußerten, hunderte Hassnachrichten und Drohungen erreicht - innerhalb weniger Stunden. Falsche und echte Accounts haben regelrechte Hass-Bombardements über sie niedergehen lassen. Das Ziel dieser Hetzjagden ist es, einzuschüchtern und mundtot zu machen. Wir sollen schweigend und am besten unsichtbar, jedenfalls aber nicht kritisch sein. Dieser Hass und die Hetze können Scham und Einsamkeit auslösen. Kursierende Gerüchte über ein vermeintliches Fehlverhalten, ob beruflich oder privat, können eine Isolation verstärken. Gleichzeitig ist die Normalisierung verbaler Gewalt der erste Schritt zu physischer Gewalt.

Es ist uns bewusst, dass wir nicht nur als Gesellschaft den Solidargedanken rechtzeitig erkennen wollen (müssen), sondern auch bei uns selbst. Doch es ist die Aufgabe der Politik und insbesondere der aktuellen Bundesregierung, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass Hass im Netz vorgebeugt und von Betroffenen und der solidarischen Zivilgesellschaft effektiv bekämpft werden kann. Die bestehenden Gesetze und Möglichkeiten der Behörden reichen dafür nachweislich nicht aus.

Wir fordern daher:

  • Beschimpfungen und Beleidigungen, auch wenn sie nicht vor einer (digitalen) Öffentlichkeit ausgesprochen, sondern via Direktnachrichten, Mails & Co übermittelt werden, sollen rechtlich geahndet werden können;

  • Menschen sollen sich bei der Nutzung von Plattformdiensten, darunter etwa Mailprogramme, soziale Netzwerke und Foren, einmalig verifizieren müssen, so dass sie im strafrechtlichen Anlassfall schnell von einer Ermittlungsbehörde gefunden werden können. Auf den Klarnamen soll nur behördlich und nur im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Verstößen wie gefährlichen Drohungen zugegriffen werden dürfen;

  • Es muss Anspruch auf staatlichen Kostenersatz geben, wenn ein Verfahren zwar gewonnen wird, das Gegenüber aber nicht willens oder in der Lage ist, die vom Gericht festgesetzten und zugesprochenen Kosten aufzubringen;

  • Es braucht eine rund um die Uhr zugängliche, niederschwellige und bundesweit zuständige behördliche Stelle, die bei der Abwehr von Hass im Netz und der Ahndung von Rechtsverstößen berät, begleitet und unterstützt;

  • Auch die Plattformen selbst sollen dafür haften müssen, wenn sie ihrer Verantwortung nicht nachkommen und strafrechtlich relevante Inhalte nicht löschen, nachdem sie über diese informiert wurden.

Wir sind nicht länger bereit, zuzusehen, wie Menschen durch diese Hetze in der Öffentlichkeit gezielt bedroht, erniedrigt und zerstört werden. Es ist eine der ureigensten Aufgaben des Staates, seine Bürger:innen zu schützen – das muss auch im Netz gelten. Dieser Verantwortung kann er aktuell nicht nachkommen und das birgt ein enormes Gefahrenpotenzial. Nicht nur für die Opfer der Hetzjagden und ihren Angehörigen, sondern für unsere Demokratie insgesamt.

  • Veronika Bohrn Mena (Autorin und Vorsitzende COMÚN)

  • Natascha Strobl (Politikwissenschafterin und Autorin)

  • Barbara Prainsack (Univ.-Professorin für Vergleichende Politikfeldanalyse Uni Wien)

  • Birgit Hebein (Vorsitzende des NS-Opferverband, KZ-Verband VdA NÖ)

  • Julya Rabinowich (Schriftstellerin, Kolumnistin, Dramatikerin und Malerin)

  • Magdalena Baran-Szołtys (Promovierte Literatur- und Kulturwissenschaftlerin an der Uni Wien

  • Nicola Werdenigg (ehemalige Skirennläuferin, Vorstand von Vorstand des von ihr im Jänner 2018 mitbegründeten gemeinnützigen Vereins #WeTogether)

  • Susanne Scholl (Journalistin und Schriftstellerin)


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Infos und Quellen

Genese

Die stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, Alexandra Föderl-Schmid, war in den vergangenen Wochen Diffamierungen in den Sozialen Medien ausgesetzt. Die genannten Autor:innen haben einen offenen Brief an die Bundesregierung verfasst und wandten sich mit der Bitte um Veröffentlichung an die WZ. Dieser Bitte kommen wir gerne nach, da wir uns als öffentlich-rechtliches Medium unserer Verantwortung für das gesellschaftspolitische Zusammenleben in besonderem Maße bewusst sind.

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