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Party als Protest: Die Regenbogenparade in Österreich

4 Min
Erhobene Faust als Zeichen des Protests
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Die Regenbogenparade wird zunehmend aufgrund ihres Party-Charakters kritisiert. Schließen sich Party und Protest aus?


Es ist Pride. Monatelang wird geplant: Wann ist der Treffpunkt, was zieht man an und wo legen die besten DJs auf? Ja, bei der Regenbogenparade wird gefeiert. Das wird zunehmend kritisiert. Wir haben mit dem queeren Historiker Andreas Brunner gesprochen, warum für ihn Feiern auch ein Akt der Rebellion ist.

Glitzer auf die Wangen, Regenbogenfächer, Outfit on fleek, aus dem Lautsprecher dröhnt Charli XCX. Bevor ich mich auf den Weg zur Regenbogenparade mache, noch einen Blick in den Kühlschrank. Ich greife zum Bier. Das hier erinnert mich ans Fertigmachen vorm Fortgehen. Ich werde nachdenklich: Hat das wirklich noch was mit Protest zu tun?

Nicht alle meine Freund:innen gehen mit mir auf die Pride. Ihnen ist nicht nach Feiern und damit sind sie nicht allein. Es gibt immer mehr Menschen, die die große Party als Teil der Regenbogenparade hinterfragen: Geht sich das aus? Verstehen die Besucher:innen noch, worum es eigentlich geht?

Organisationen wie „PRIDE RECLAIMED“ sehen das Feiern auf der Pride kritisch. In ihrem Statement fordern sie eine Rückaneignung der Demonstration ein: „Auch in Wien hat sich die Pride zu einem unternehmensfreundlichen Festival entwickelt, das Politiker:innen unterstützt, die an der Unterdrückung der Schwächsten beteiligt sind. In dessen Mittelpunkt steht eine privilegierte weiße Bevölkerung, die einfach nur ‚Party‘ machen will.“ Es ist inzwischen nichts Außergewöhnliches mehr, dass sich auf der Pride neben Vereinen aus der Community auch Firmen und politische Parteien einreihen.

Sich die Straße nehmen

Brunner kann die Kritik nachvollziehen, hat aber einen anderen Blickwinkel darauf:
„Bei aller Kommerzialisierung, die inzwischen an diesen Prides zu kritisieren ist – die Vereinnahmung durch Firmen, das Rainbow Washing – all das sind wichtige Punkte, die diskutiert werden müssen. Aber ich bin trotzdem nach wie vor der Meinung, dass es ein politisches Zeichen ist, wenn wir uns einmal im Jahr die Straße nehmen. Denn die Ringstraße ist die Repräsentationsfläche aus der Monarchie und auch der Republik. Es ist der bekannteste und prächtigste Boulevard, den wir in Österreich haben, und uns diesen einmal im Jahr als Raum anzueignen, ist für mich das zentrale, politische Statement.”

Nicht reduziert auf Leid und Verfolgung

Im Jahr 1996, als Brunner und seine Kolleg:innen die Regenbogenparade von New York nach Wien geholt haben, galt es noch andere Probleme zu bekämpfen. „Es war damals noch eine ganz andere politische Situation", so Brunner, „es gab noch drei Strafrechtsparagrafen, die Aids-Krise war 1996 aktuell."

Wir wollten auch nicht immer auf Leid und Verfolgung reduziert werden.
Andreas Brunner

Darf ich Teil dieses Protests sein?

Bei all den Rückschritten und Herausforderungen, denen queere Personen auch 2025 wieder ausgesetzt sind, rückt der Zusammenhalt mehr in den Vordergrund. Auf der Pride sind alle willkommen, die sich queeren Menschen gegenüber solidarisch und offen zeigen wollen. Denn die queere Community kann ihre Kämpfe nicht allein kämpfen. Brunner erinnert sich an die Anfänge der Regenbogenparade in Wien: „Wir hätten die ersten Prides ohne unsere ‚Straight Allies‘ nicht über die Bühne gebracht. Die haben an dem Tag die Securities gemacht, die sind helfend eingesprungen. Es gibt innerhalb der queeren Community, auch auf Social Media, jetzt die Diskussionen, die Straight Allies ausschließen wollen. Dass sie mit Verachtung überschüttet werden, finde ich ist ein vollkommen falscher Weg. Alle, die dort hingehen wollen, sollen da bitte hingehen.“

Am Ende des Tages geht es bei der Pride um Raumschaffen und darum, so sein zu können, wie man ist. „Wir sind trotzdem fröhlich. Wir sind trotzdem bunt. Wir wollen uns trotzdem so zeigen, wie wir sind. In all unserer Individualität. Das ist die Grundidee der Pride für mich“, sagt Brunner.


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Infos und Quellen

Genese

Am 14. Juni findet wieder die Pride Parade in Wien statt. Tausende von Menschen nehmen daran teil, ziehen ihre Runden am Ring, demonstrieren und feiern. WZ-Autorin Mimi Gstaltner hat ein ambivalentes Verhältnis zur Regenbogenparade und möchte sich deshalb mehr damit auseinandersetzen. Nora Schäffler fragt sich: „Darf ich da überhaupt hingehen?“ Die beiden haben mit Andreas Brunner über die Grundidee der Pride gesprochen.

Gesprächspartner

Andreas Brunner ist queerer Autor, Historiker und Leiter des Forschungszentrums Qwien. Er hat die erste Regenbogenparade in Wien mitorganisiert.

Daten und Fakten

  • Der Begriff queer wird als Sammelbegriff verwendet für Menschen, deren Identitäten und Orientierungen sich nicht als heterosexuell und/oder cisgeschlechtlich versteht. Das heißt: Sie passen nicht in die gesellschaftlichen Vorstellungen von „Mann liebt Frau“ oder „Mensch ist genau das Geschlecht, das bei der Geburt festgelegt wurde“.
  • Die drei erwähnten Strafrechtsparagraphen, die 1996 noch gültig waren sind:
    § 220 StGB: Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts § 221 StGB: die Gründung von „Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht”
    § 209 StGB: gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren
  • Ein:e Ally ist jemand, der sich mit benachteiligten Gruppen solidarisch zeigt und die eigenen Vorteile – etwa durch Herkunft, Geschlecht oder soziale Stellung – nutzt, um diese Gruppen zu unterstützen und gegen Ungleichheiten vorzugehen. Dabei gehört die Person meist nicht selbst zur betroffenen Gruppe.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien