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Die weiblichen Pop-Perspektiven auf Hetero-Liebe sind aktuell so verschieden wie vielleicht noch nie – und sagen so einiges über den Zustand des Dating-Kosmos aus.
An Taylor Swifts jüngstem Album „The Life of a Showgirl“ gab es so einige Kritikpunkte, die durchaus gerechtfertigt waren: Da wären zum Beispiel das manchmal an Millennial-Cringe anmutende Songwriting oder weltfremde Millionärinnen-Aussagen wie „I like my friends cancelled“. Eine Sache, die im Diskurs gerne romantisiert wird, mir aber sauer aufstößt, ist das Narrativ über Taylors Beziehung zu ihrem Verlobten Travis Kelce. Seit Anbeginn ihrer Karriere nahm uns Taylor durch die Irrungen und Wirrungen ihres Liebeslebens mit, sang von gescheiterten Situationships, gemeinen Typen, und Schals, die (angeblich) immer noch in Jake Gyllenhaals Schublade liegen.
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Als Taylor und Travis ihre Beziehung bekanntgaben, freuten sich alle für sie – auch ich: Sie wirkten von Beginn an glücklich, endlich schien Taylors lange Suche ein Ende zu haben. Auf ihrem neuen Album entfaltet sich aber ein Blickwinkel, der dann doch ein bisschen unemanzipiert daherkommt, was mich nach Lines wie „No deal / the 1950s shit they want from me“ auf dem „Midnights“-Song „Lavender Haze“ dann doch überrascht hat.
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Schon auf dem „Showgirl“-Opening-Track „The Fate of Ophelia“ wird klar: Travis hat Taylor gerettet. Im Verlauf des Albums hören wir von Taylor, dass sie gelogen hat, als sie behauptete, dass sie nicht an die Ehe glaubte, und dass sie sich nichts mehr wünsche als einen ganzen Block voller Kinder. Bitte nicht falsch verstehen: Es ist Taylor Swifts gutes Recht, sich nach einer traditionellen Kernfamilie zu sehnen. Was mich stört, ist, dass eines bei all diesen Schilderungen immer mitschwingt: Endlich habe ich es geschafft. Ich habe das Ziel erreicht, das mich als Frau insgeheim immer angetrieben hat. Ich bin vollständig. Und ihr nicht.
Das Z in Gen Z steht für zynisch
Im krassen Gegensatz zu Taylor steht für mich Sabrina Carpenter. Sie singt eindeutig zweideutig über Sex, macht sich über unfähige Männer lustig, framed Beziehungen mehr als Quelle witziger Storys für den Gruppenchat und weniger als Lebensziel. Sabrina ist die klassische Heteropessimistin: Sie hasst Männer, aber steht leider nun mal auf sie.
Im „Guardian“ erklären drei Forscher:innen mit Gender-Schwerpunkt, dass Sabrina Carpenters Inhalte die tatsächlichen Erfahrungen junger Frauen widerspiegeln, die es immer häufiger mit „emotional nicht bereiten“ Partnern zu tun haben. Sie stehe mit ihren Erzählungen stellvertretend für die romantischen Erfahrungen der Gen Z, die sich immer mehr vom Dating zurückzieht, während Taylor Swift eher die Millennials repräsentiere, die tendenziell eher an die märchenhafte Erzählung von der großen Liebe glauben.
„Decentering Men“ mit Addison Rae
Nicht nur Sabrina und Taylor singen auf ihre ganz eigene Weise über Liebe und Sex aus weiblicher Perspektive – auch Künstlerinnen wie Lola Young oder Addison Rae tun das. Lola Young zeigt mit Songs wie „One Thing“, dass Frauen auch mal einfach nur horny sind, ganz ohne romantische Gefühle, während Addison Rae Männer in ihren Songs meistens als hübsches Beiwerk erwähnt.
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Besonders letzteren Zugang finde ich spannend – und damit bin ich nicht allein. Dieses gesellschaftliche Phänomen hat bereits einen Namen: „Decentering Men“. In Songs wie „Diet Pepsi“ singt Addison Rae zwar über ein hottes Intermezzo auf dem Rücksitz, spricht aber in erster Linie darüber, wie iconic und heiß sie sich selbst findet. Laut Sherese Taylor, der Autorin des Buchs „Decentering Men“, steht der Begriff Folgendes: „Es geht um Erschöpfung, die entsteht, wenn man sein Leben nach dem Potenzial, den Meinungen oder der Bequemlichkeit von Männern ausrichtet. Es geht um die Klarheit, die entsteht, wenn man endlich aufhört, sich zu verrenken, wenn man endlich sagt: ‚Ich werde mich nicht für ein System opfern, das dazu da ist, mich zu verzehren.‘“
Wenn ich mich für eine Facette des breiten Hetero-Pop-Spektrums entscheiden müsste, dann schwanke ich irgendwo zwischen Sabrina und Addison. Anderen Perspektiven kann ich bei aller Kritik aber auch etwas Gutes abgewinnen: Dass gerade so viele verschiedene, mal mehr, mal weniger komplexe, weibliche Perspektiven auf heterosexuelle Liebe die Charts und Feeds dominieren, ist dann doch ziemlich sexy.
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