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Die wichtigsten Antworten zum Krieg in Israel

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Israel erlebt das schlimmste Blutbad an Zivilisten in der Geschichte des Staates.
© Fotocredit: Tsafrir Abayov / AP / picturedesk.com

Der Hamas-Angriff ist ein Terrorakt. Warum war Israels Armee nicht vorbereitet? Woher stammen die Waffen und warum gleicht Gaza einem Druckkochtopf?


Was ist am 7. Oktober in Israel geschehen?

Die islamistische Hamas hat am Morgen dieses Tages von Gaza aus mit einem Großangriff auf Israel begonnen. Bewaffnete Palästinenser walzten Grenzabsperrungen nieder, kamen mit Paragleitern aus der Luft und mit Booten vom Meer. Sie griffen Menschen in den Orten nahe der Grenze zu Gaza an. Gleichzeitig ging ein Raketenhagel auf Israel nieder, das Abwehrsystem „Iron Dome“ war überlastet und weitgehend wirkungslos. Die israelische Armee wurde völlig überrumpelt, mehr als 700 Menschen sind auf israelischer Seite getötet worden. Es ist das schlimmste Blutbad an Zivilist:innen in der Geschichte Israels, das die politischen Gegebenheiten in Nahost dort von Grund auf ändern wird.

Sind die Hamas-Leute Terroristen?

Die palästinensischen Angreifer verhalten sich eindeutig terroristisch. Sie töten wahllos unbewaffnete Zivilisten, haben bei einem Musikfestival in der Negev-Wüste ein unvorstellbares Massaker angerichtet; bisher wurden 260 Leichen gefunden. Geschätzte 100 israelische Zivilist:innen wurden in den Gaza-Streifen verschleppt, geschlagen, verletzt und dabei gefilmt. Niemand weiß, was mit den Entführten geschehen wird und wo genau sie sich befinden. Die Hamas wird von der EU und von den USA seit vielen Jahren als Terrororganisation geführt.

Eine Karte von Israel und den Palästinensergebieten.
Israel und die Palästinensergebiete.
© Illustration: WZ

Was ist Israels Beitrag im Konflikt mit den Palästinensern?

Der Gazastreifen, von dem aus die Hamas angreift, wird von Israel seit vielen Jahren hermetisch abgeriegelt; der Küstenstreifen, der kleiner ist als das Wiener Stadtgebiet, gilt als großes Freiluft-Gefängnis. Die Menschen leben dort zusammengepfercht, das Leben in Gaza ist von Armut und Perspektivlosigkeit geprägt, vor allem von den Jungen wird das als große Belastung erlebt. Zuletzt hat die israelische Regierung, in der ultranationalistische und religiöse Kräfte großes Gewicht haben, den Druck auf die Palästinenser weiter erhöht. Nach dem Angriff vom 7. Oktober wird der schmale Küstenstreifen durch eine Totalblockade unter anderem von Nahrungsmitteln abgeschnitten. Auch ein Stopp der Strom- und Wasserversorgung durch Israel wurde befohlen. Israelische Kampfjets bombardieren Ziele in Gaza; hunderte Palästinenser, auch Zivilist:innen, wurden dabei getötet.

Vertritt die Hamas alle Palästinenser?

Die radikalislamische Hamas hat die Kontrolle im Gazastreifen und dort auch große Unterstützung. Im Westjordanland, das über eine gewisse politische Autonomie verfügt und wo die Palästinenser-Behörde ihren Sitz hat, regiert die Fatah, eine gemäßigtere politische Kraft. Fatah und Hamas sind zerstritten, trotzdem distanziert sich die Fatah nicht klar von den jüngsten Terrorangriffen. Daneben gibt es Palästinenser:innen, die in den umliegenden Ländern wie Libanon oder Jordanien als Flüchtlinge leben, sowie Araber:innen mit israelischer Staatsbürgerschaft. Letztere begreifen sich als israelische Bürger:innen zweiter Klasse.

Eine Karte die die Größenverhältnisse zwischen Israel und Österreich darstellt
Größenvergleich mit Österreich: So klein ist Israel.
© Illustration: WZ

Warum stand Israels Armee dem Angriff völlig unvorbereitet gegenüber?

Der Hamas-Angriff trifft Israel zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Das Land ist tief gespalten, in den vergangenen Monaten gab es an den Wochenenden regelmäßig wütende Massenproteste gegen die rechte Regierung von Premier Benjamin Netanjahu. Ihm wird vorgeworfen, die Justiz entmachten und Israels Demokratie beschneiden zu wollen. Die Armee stellt sich in dem Konflikt gegen die Regierung; Pilot:innen von Kampfjets kündigten bereits „Streiks“ an. Israels Militärapparat war in den vergangenen Wochen und Monaten zu einem gewissen Maß gelähmt. Man ging zwar von einem Angriff aus, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Wo hat die Hamas ihre Waffen her?

Wie das Waffenarsenal der Terrororganisation genau aussieht, ist schwer zu sagen. Es stammt aus Syrien, dem Iran, Libyen und anderen Ländern in Nahost, Kleinwaffen kommen auch aus China und Staaten des ehemaligen Ostblocks. Bei vielen Waffen handelt es sich auch um erbeutetes israelisches Gerät. Aus dem Iran fließen erhebliche Finanzmittel nach Gaza. Die Raketen sind zumeist selbstgebaut und von ihrer Wirkung her relativ schwach.

Wie geht es jetzt weiter?

Israel ist schwer getroffen, die Menschen sind traumatisiert. Die Atommacht ist militärisch weit überlegen; sie wird jetzt versuchen müssen, die Hamas langfristig auszuschalten. Um die verschleppten Israelis freizubekommen, müsste die Armee mit Bodentruppen in den Gazastreifen eindringen – ein Szenario, das Israel bisher unbedingt vermeiden wollte, denn Bodenkämpfe sind in der Regel mit großen Verlusten verbunden. Zugleich stellt sich die Frage, ob sich der Krieg ausweiten wird. Im Süden des nördlichen Nachbarn Libanon sitzt die Hisbollah, ebenfalls ein Erzfeind Israels. Sollten israelische Soldat:innen in Gaza einmarschieren, würde die Hisbollah eigenen Angaben zufolge in den Krieg eingreifen. Dann wäre Israel in einen Mehrfrontenkrieg verwickelt. Warnschüsse in Richtung Israel hat die Hisbollah bereits abgegeben.


Faktenbasierte Information zum Krieg in Israel findet ihr auch auf ORF, in der Süddeutschen Zeitung und im israelischen Medium Haaretz.


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Infos und Quellen

Genese

Die Informationsflut im Netz und auf den Sozialen Medien zum Krieg in Israel ist enorm. Das Ziel des WZ-Autors Michael Schmölzer war es deshalb, einige grundlegende Fragen zu beantworten, um für den Leser eine fundierte Basis für weiteren Medienkonsum zu schaffen.

Quellen

Die Informationen zu den aktuellen Ereignissen stammen aus verschiedenen Presseagenturen. Der Autor konnte sich vor einiger Zeit von der grundsätzlichen Problematik vor Ort ein Bild machen, er berichtet seit Jahren immer wieder über das Thema Nahost.

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