Österreich ist ein Wanderland. Viele Menschen kommen und viele Menschen gehen. Doch woher, und wohin?
Österreichs Demografie ist seit Jahrhunderten im Wandel. Aber was bedeutet das für uns? Was passiert, wenn die Geburtenrate sinkt? Wenn die Zuwanderung ausfällt? Wir haben für euch einen Überblick zusammengestellt.
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Wie viele Menschen in Österreich leben, interessierte schon Kaiserin Maria Theresia im Jahr 1754. Sie führte die erste Volkszählung in Österreich durch − zur Erfassung der wehrfähigen Bevölkerung. Die Zählung war und blieb lang einmalig. Erst über 100 Jahre später, zu Beginn der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, verordnete Kaiser Franz Joseph I. eine regelmäßige Volkszählung im Zehn-Jahres Rhythmus. Die erste moderne Volkszählung wurde 1869 durchgeführt, mit sogenannten Haus- bzw. Wohnungsbögen − ein einheitlicher Merkmalskatalog für Demografie-, Sozial- und Berufsstruktur. Seither gibt es recht schlüssige Daten zur Bevölkerung in Österreich − wenn auch mit Lücken, vor allem im Zeitraum um den Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Im Kaiserreich war Österreich größer als heute. Die Bevölkerungsdaten von damals können aber auf den heutigen Gebietsstand Österreichs übertragen werden. Damit ist für jede Region ein Blick in die Vergangenheit möglich.
Die Karte zeigt, dass Wien erst seit 2001 wieder im Trend ist und die Bundeshauptstadt aktuell weniger Einwohner hat als noch vor 100 Jahren. Wir sehen auch, dass im nördlichen Waldviertel und im südlichen Burgenland heute weniger Menschen wohnen als noch zur Kaiserzeit 1869.
Immer weniger Menschen im Norden
Im nördlichen Waldviertel leben aktuell weniger Menschen als noch vor 150 Jahren. Aber warum? Zentral ist die Abwanderung, ein Prozess, bei dem Menschen Grenzen überqueren, um in einer anderen Region zu leben. Das erklärt uns Martina Schorn, Expertin für Soziologie, Raumforschung und Raumordnung von der Universität Wien. Abwanderung ist grundsätzlich ein neutraler Prozess. Am Land sind es meistens junge Menschen, die abwandern – oft nach der Schule in urbane Regionen. Wenn in einer Region die Zuwanderung jedoch geringer ist als die Abwanderung, ist der sogenannte Wanderungssaldo negativ. Dieser ist neben dem Geburtensaldo für die Bevölkerungsentwicklung essenziell.
Im Waldviertel ist auch der Geburtensaldo negativ – es gibt weniger Geburten als Sterbefälle. Der Abwanderungssaldo ergibt gemeinsam mit dem Geburtensaldo die Bevölkerungsentwicklung.
Schorn erklärt, dass das nördliche Waldviertel zur Kaiserzeit nicht wie heute am Rand Österreichs lag, sondern mitten in der Donaumonarchie. Die Region war damals noch landwirtschaftlich geprägt und die Textilindustrie blühte. Seit 1870 hat sich ökonomisch aber einiges verändert. Gerade das nördliche Waldviertel hat viel an Industrie und Arbeitskraft verloren – die Nachfrage in der Region minimierte sich. Die Menschen wanderten ab, es gab weniger Geburten. Die Bevölkerungszahl des Waldviertels schrumpft.
Österreich wächst durch Zuwanderung
Seit 1869 ist mit Ausnahme des Waldviertels und des Burgenlands jedoch in allen Regionen in Österreich die Bevölkerungszahl gestiegen. Österreich wächst also weiter. 2066 wird die Zehn-Millionen-Grenze vermutlich überschritten. Allerdings ist dies nur durch Zuwanderung aus dem Ausland möglich, denn ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung Österreichs schrumpfen. Das zeigen Prognosen von Statistik Austria. Das statistische Amt Österreichs rechnet dabei mehreren Szenarien durch: Was passiert mit Österreich, wenn die Lebenserwartung steigt? Was, wenn die Geburtenrate abnimmt? Wenn die Zuwanderung ausfällt?
Die drei wichtigsten Szenarien sind in der folgenden Grafik dargestellt. Einerseits der extreme Fall, dass Lebenserwartung, Geburtenrate und Zuwanderung zunehmen, andererseits das andere Extrem, wenn Lebenserwartung und Geburtenrate abnehmen sowie die Zuwanderung komplett ausfällt. Die wahrscheinlichste Entwicklung aber trifft sich in der Mitte: eine Mischung aus allem und die aktuelle Prognose.
Woher die Menschen kommen – und wohin sie gehen
Da Österreich ohne Zuwanderung schrumpfen würde, lohnt sich ein Blick auf die Weltkarte. Woher kommen die Menschen – und wohin gehen sie? Das zeigen uns die Wanderdaten. Eine Wanderung ist die Verlegung des Wohnsitzes. Ist ein Mensch mehr als 90 Tage durchgehend mit seinem Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet, erscheint dieser im Zentralen Melderegister (ZMR). Dabei wird auch die Staatsbürgerschaft erfasst.
Die Wanderdaten Österreichs reichen zurück bis ins Jahr 1996. Sie geben einen guten Einblick, wie sich die Bevölkerung Österreichs zusammensetzt. Dabei zeigt der Wanderungssaldo, wie viele Menschen aus einem Land kommen und gehen. Er kann positiv oder negativ ausfallen.
In der Karte sehen wir Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit. Ersichtlich ist die hohe Zuwanderung bei der EU-Osterweiterung 2004 sowie aus dem Nahen Osten 2015, welche kurz darauf wieder zurückging. Die größte Zuwanderung aus einem Land erlebten wir 2022 mit der Ukraine – mehr als 67.000 Menschen flüchteten nach Österreich. Die Grafik zeigt auch, dass der Wandersaldo mit der Ukraine aber bereits 2023 wieder auf Vorkriegsniveau abflachte.
Zuwanderung hilft gegen Vergreisung
Zurück in Österreich. Ohne Zuwanderung würde die Zahl der Menschen hier nicht nur schrumpfen, wir würden auch vergreisen. Denn Österreichs Bevölkerung ist alt und wird immer älter. Liegt die aktuelle Lebenserwartung für Frauen bei rund 83 Jahren und für Männer bei 78 Jahren, erhöht sich diese bis 2040 bereits um fünf Jahre. Bis 2100 werden Österreichs Frauen im Durchschnitt sogar 92 Jahre, Männer hingegen 90 Jahre. Auch wenn 2100 noch weit weg klingen mag, dieses stolze Durchschnittsalter erreichen bereits die Menschen, die nach 2010 geboren wurden.
Problematisch kann die Angelegenheit werden, wenn die Geburtenbilanz sinkt, wie es aktuell bereits der Fall ist. 2023 erlebte Österreich das höchste Geburtendefizit seit dem Zweiten Weltkrieg. Ein Defizit im Wachstum also – es sterben mehr Menschen, als geboren werden. Was dagegen hilft, ist Zuwanderung aus dem Ausland. Dadurch werden wir nicht nur mehr, wir werden auch jünger.
Auch Schorn erklärt, dass die Babyboomer-Generation gerade ins Pensionsalter kommt. Das ist eine relativ gesehen große Anzahl an Menschen. Aufgrund der internationalen Zuwanderung hat Österreich jedoch Potenzial, an jüngere erwerbsfähige Menschen zu kommen, die Vergreisung fällt weniger dramatisch aus.
Menschen wandern nicht primär nach Österreich aus, weil sie in ihrem Heimatland von Krieg bedroht sind, sondern weil sie auf der Suche nach einem Job sind. Das ist wichtig für unser Pensionssystem und für die soziale Infrastruktur und Pflege, sagt Schorn. Denn die Geburtenrate wird weiterhin abnehmen, während die Sterberate steigt. Österreichs Bevölkerung kann also nur durch die Zuwanderung aus dem Ausland wachsen.
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Infos und Quellen
Genese
Die Wanderdaten sowie die Daten der österreichischen Bevölkerung sind gut dokumentiert. In der jüngsten Geschichte haben wir viel Zuwanderung erlebt, was auch viele Unstimmigkeiten erzeugte. Die WZ legt dazu Zahlen und Fakten auf den Tisch.
Gesprächspartner:innen
Martina Schorn, Politikwissenschaftlerin, Soziologin sowie Raumforscherin am Institut für Stadt- und Regionalforschung an der Universität Wien
Pressestelle Statistik Austria
Daten und Fakten
Woher stammen die Daten?
In diesem Artikel wurden die Wanderdaten sowie die Bevölkerungsdaten von Statistik Austria verwendet.
Gibt es Fehler in den Daten?
Fehler in Daten sind nie auszuschließen. Sie könnten beim Messen und beim Speichern auftreten. Es gibt auch staatenlose Menschen sowie ungeklärte und nicht zuordenbare Fälle der Zuwanderung und Abwanderung. Ebenfalls wurden die Volkszählungen seit 1869 mit heute nicht mehr verwendeten Methoden durchgeführt. Statistik Austria gibt ebenfalls den Hinweis der Nicht-Vollständigkeit der Daten von 1910 bis 1940.