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Pushbacks, Asylobergrenze und „politischer Islam": Welche Änderungen sind realistisch?
Wenn es um Migration und Asyl geht, fährt die ÖVP besonders seit Sebastian Kurz einen härteren Kurs als früher. Nun verfolgen die ÖVP und die FPÖ ähnliche Ziele: Sie wollen die illegale Einwanderung stoppen und härter gegen Asylwerber:innen vorgehen. Das bedeutet, dass abgelehnte Asylwerber:innen abgeschoben werden sollen. Ein weiteres gemeinsames Thema ist die Bekämpfung des politischen Islam (mehr dazu auf der Transparenzseite). Beide Parteien fordern, ein Gesetz zu verabschieden, das den politischen Islam verbietet – ähnlich wie das Verbot des Nationalsozialismus. Die Einführung eines Gesetzes zum Verbot des politischen Islam ist rechtlich schwierig, da dieses gegen die Grundrechte der Religionsfreiheit und Europäisches Recht verstoßen könnte – außerdem herrscht unter Jurist:innen Skepsis darüber, wie der Begriff definiert werden soll.
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Was geht, was geht nicht?
Die FPÖ fordert zudem die Einführung einer „Asylobergrenze“, was bedeutet, dass keine Asylanträge mehr in Österreich gestellt werden dürfen. Das Aussetzen von Asylanträgen sowie die Einführung besagter Obergrenze ist rechtlich problematisch und verstößt gegen internationale Menschenrechtsverpflichtungen, einschließlich der Genfer Flüchtlingskonvention und EU-Recht. Asyl ist ein Menschenrecht, und ein genereller Stopp würde die Rechte von Geflüchteten verletzen. Ein solcher Vorschlag ist daher schwer umsetzbar, ohne bestehende internationale Abkommen zu verletzen. Die FPÖ möchte außerdem Pushbacks an den Grenzen zulassen. Pushbacks, also das Zurückdrängen von Geflüchteten an der Grenze, verstoßen eindeutig gegen EU-Recht und die Europäische Menschenrechtskonvention, da sie das Recht auf Asyl und den Schutz vor unmenschlicher Behandlung verletzen.
Sowohl die ÖVP als auch die FPÖ möchten, dass Asylwerber:innen nicht mehr Bargeld bekommen, sondern nur noch spezielle Bezahlkarten oder Sachleistungen wie Lebensmittel. Das ist politisch umsetzbar. In einigen europäischen Ländern wie Schweden oder Italien wurden bereits ähnliche Maßnahmen umgesetzt – dort erhalten Asylsuchende Prepaid-Karten, auf die sie ihre Unterstützungsleistungen überwiesen bekommen.
Einig sind sich FPÖ und ÖVP in Sachen Sozialleistungen: Diese sollen für Nicht-Staatsbürger:innen gekürzt werden. Eine Reduzierung der Sozialhilfe in den ersten Jahren nach Ankunft ist realistisch, da diese Politik in vielen europäischen Ländern bereits verfolgt wird. Außerdem möchten beide Parteien, dass Sozialbetrug härter bestraft wird.
Kinder sollen schon ab dem Alter von drei Jahren auf ihre Deutschkenntnisse geprüft werden, also noch bevor sie in die Schule kommen. Auch das ist grundsätzlich umsetzbar, die praktische Umsetzung im Bildungssystem wäre aber herausfordernd. Darüber hinaus wird Wiens Kindergartenpolitik kritisiert, es werden strengere Vorgaben gefordert, wie eine Kindergartenpflicht ab drei Jahren für Kinder mit Sprachförderbedarf und eine massive Qualitätsverbesserung der Deutschförderung in den Kindergärten, damit die Kinder bei der Einschulung nicht als außerordentliche Schüler:innen geführt werden müssen.
Die FPÖ fordert auch die Einführung von Ausreisezentren und die Schließung von Asylunterkünften in kleinen Gemeinden. Das könnte politisch durchgesetzt werden, jedoch mit dem Risiko von Widerstand auf lokaler Ebene. Die Verlagerung von Asylverfahren in Länder außerhalb Europas, wie es im dänischen Modell vorgeschlagen wird, ist politisch umstritten und könnte gegen EU-Recht und die Rechte der Geflüchteten verstoßen. Außerdem stellt sich die Frage, wie die Bedingungen – wie das Recht auf ein faires Asylverfahren, Schutz vor Gewalt und menschenwürdige Lebensbedingungen in diesen Drittstaaten gewährleistet werden könnten.
Ein weiteres Ziel: Die Staatsbürgerschaft soll nur noch an Menschen vergeben werden, die Asyl „wirklich verdient haben“. Was das genau bedeutet, ist (noch) nicht definiert. Zudem will die FPÖ, dass im Fall von unbegleiteten Minderjährigen die Familienzusammenführung erschwert wird. Das ist politisch durchsetzbar, könnte aber rechtlich auf Widerstand stoßen, wenn sie die Rechte von Minderjährigen einschränkt.
Die ÖVP verfolgt ähnliche Ziele, jedoch mit einem stärkeren Fokus auf EU-Recht und internationale Vereinbarungen. Sie möchte die Grenzkontrollen verstärken und Rücknahmeabkommen mit anderen Staaten schließen, um abgelehnte Asylwerber:innen schnell abzuschieben. Verstärkte Grenzkontrollen sind in vielen europäischen Ländern gängige Praxis und könnten auch in Österreich weiter ausgebaut werden. Im Gegensatz zur FPÖ spricht sich die ÖVP jedoch nicht explizit für Pushbacks aus, auch wenn sie diese Möglichkeit in bestimmten Fällen nicht ausschließt. Die ÖVP möchte auch, dass Asylverfahren schneller abgewickelt werden, um raschere Entscheidungen zu treffen. Eine Beschleunigung von Asylverfahren ist prinzipiell möglich.
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Infos und Quellen
Genese
Welche Forderungen der bevorstehenden Koalition sind tatsächlich realistisch durchsetzbar? Diese Frage hat sich die WZ-Redaktion gestellt und Themenbereiche verteilt. Dieser Text behandelt den Themenkomplex Asyl und Migration.
Daten und Fakten
Die FPÖ hat im Sommer die EU-Wahl mit 25,4 Prozent der Stimmen gewonnen. Es folgte die ÖVP mit 24,5 Prozent, dann die SPÖ mit 23,2 Prozent. Die Grünen erhielten 11,1 Prozent, die Neos 10,1 Prozent.
Bei der Nationalratswahl fiel der Sieg der FPÖ deutlicher aus: Die Freiheitlichen errangen 28,85 Prozent, die ÖVP 26,7 Prozent und die SPÖ 21,14 Prozent. Es folgen die Neos mit 9,14 Prozent und die Grünen mit 8,24 Prozent. Eine Koalition der ÖVP mit der SPÖ hätte einen ganz knappen Überhang von einem Mandat gehabt. FPÖ und ÖVP haben mit 108 Sitzen eine komfortable Mehrheit.
Im Jahr 2024 wurden laut dem Österreichischen Integrationsfonds in Österreich insgesamt 23.113 Asylanträge gestellt, was einen Rückgang von 59 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum darstellt.
Was sind Pushbacks?
Pushbacks sind das Zurückdrängen von Menschen, die versuchen, die Grenze eines Staates zu überqueren, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, einen Asylantrag zu stellen.
Gemäß Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) haben Menschen das Recht auf Asyl in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention und den relevanten EU-Verträgen. Pushbacks verhindern de facto, dass Personen ihr Recht auf Asyl geltend machen können. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (CEAS) schreibt vor, dass Personen, die die EU-Grenze betreten, Zugang zu einem fairen Asylverfahren erhalten müssen. Pushbacks verhindern diesen Zugang und stehen im Widerspruch zu mehreren Richtlinien, wie der Asylverfahrensrichtlinie (2013/32/EU).
Was ist der „politische Islam"?
Der Begriff des „politischen Islam“ ist umstritten. Die Dokumentationsstelle Politischer Islam definiert ihn als „Herrschaftsideologie, die die Umgestaltung beziehungsweise Beeinflussung von Gesellschaft, Staat und Politik zum Ziel hat durch Akteure, deren Werte von ihnen selbst als islamisch bezeichnet werden und im Widerspruch stehen zu demokratischen Grundfesten, zur Verfassung und zu den Menschenrechten.“
Die IGGÖ, die offizielle Vertretung der Muslim:innen in Österreich, hat sich wiederholt gegen die pauschale Verwendung des Begriffs „politischer Islam“ ausgesprochen. Sie kritisiert, dass der Begriff dazu beitrage, alle Muslim:innen und islamische Gemeinschaften unter einen Verdacht zu stellen, selbst wenn sie sich nicht mit politischen Islambewegungen oder extremistischen Strömungen identifizieren. Diese pauschale Zuschreibung führe zu einer Stigmatisierung von Muslim:innen und einer Verzerrung der Realität des Islams in Österreich.
Quellen
Das Thema in der WZ
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