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Rechte Macht und weibliche Entrechtung

5 Min
Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zu einem feministischen Thema in der WZ.
© Illustration: WZ

Immer, wenn Rechte an die Macht kommen, sind die reproduktiven Rechte von Frauen gefährdet.


Hast du dich schon einmal gefragt, an welchem Ort in Österreich die Sterbewahrscheinlichkeit am höchsten ist?

Laut Statista ist es das Burgenland mit einer Sterberate von 11,4 pro 1.000 Einwohner:innen im Jahr 2023 und damit das Heimatbundesland von Norbert Hofer, seines Zeichens Autor des „Handbuches freiheitlicher Politik“, in dem wiederum fälschlicherweise behauptet wird, die weibliche Gebärmutter sei „der Ort mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in Österreich“. Platz zwei knapp hinter dem Burgenland ist übrigens Kärnten mit 11,3 pro 1.000 Einwohner:innen und damit quasi FPÖ-Kernland. Man möchte fast meinen, starke FPÖ-Präsenz würde sich negativ auf die Lebenserwartung der Österreicher:innen auswirken, aber Korrelation ist ja nicht gleich Kausalität.

Europa

Ein klarer kausaler Zusammenhang besteht allerdings zwischen rechter Politik und dem Einschränken reproduktiver Rechte von Frauen.

Das zeigt uns die jüngste Vergangenheit und zwar international: Immer dann, wenn rechte Parteien an die Macht kommen, wenn Systeme autokratisch umgebaut werden, wenn liberale Demokratien zu illiberalen umgebaut werden, geht das auf Kosten der reproduktiven Gesundheit und Freiheit von Frauen.

In Viktor Orbáns Ungarn wurde beispielsweise 2022 ein Gesetz verabschiedet, das Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen lassen wollen, dazu zwingt, mit den „lebenswichtigen Funktionen“ des Fötus „in klar erkennbarer Weise“ konfrontiert zu werden. Das bedeutet in der Praxis beispielsweise, dass sie den Herzschlag hören müssen, bevor sie eine Schwangerschaft beenden können. Es bedeutet ebenso mehrfache Arztbesuche, im Versuch, medizinisches Personal davon zu überzeugen, dass die Frau den Abbruch auch wirklich will. Das wiederum kann bedeuten, dass die Frist von zwölf Wochen, in denen ein Abbruch stattfinden darf, zu knapp wird.

In Polen ist Abtreibung seit 1993 mit drei Ausnahmen verboten: Frauen durften eine Schwangerschaft vorzeitig beenden, wenn ihr eigenes Leben und ihre Gesundheit in Gefahr sind, wenn die Schwangerschaft durch Vergewaltigung oder Inzest zustande kam und wenn der Fötus schwerwiegende Missbildungen aufwies. Als die konservative und nationale Pis („Recht und Gerechtigkeit“) 2015 an die Macht kam, hatte sie vor, die restriktive Gesetzeslage noch weiter zu verschärfen – dies konnte durch den „Schwarzen Protest“ („Czarny Protest“) verhindert werden. Trotzdem wurden 2020 die reproduktiven Rechte der Polinnen eingeschränkt – durch den polnischen Verfassungsgerichtshof. Dieser kippte nämlich die dritte Indikation, die einen Schwangerschaftsabbruch möglich machte – Föten mit schwerwiegenden Missbildungen müssen nun ausgetragen werden. Abtreibungen sind nur mehr möglich, wenn Frauen oder Mädchen vergewaltigt wurden oder wenn ihr eigenes Leben in Gefahr ist.

Süd- und Nordamerika

Im Februar 2024 brachte die Partei La Libertad Avanza des rechtspopulistischen Präsidenten Javier Milei, der Abtreibung als „Mord“ bezeichnet, in Argentinien einen Gesetzentwurf ein, der das Recht auf einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch abschaffen soll. Der Entwurf sieht vor, Abtreibungen nur noch bei akuter Gefahr für das Leben der Mutter zu erlauben und für die betroffenen Frauen eine Haftstrafe von ein bis drei Jahren. Ärzt:innen, die Abbrüche vornehmen, drohen Freiheitsstrafen von bis zu vier Jahren. Und sogar nach einer Vergewaltigung sollen Frauen gezwungen werden, zu gebären.

In den USA wurde, in Folge der konservativen Bestellungen zum Supreme Court unter Donald Trumps erster Präsidentschaft, die dazu führten, dass das Höchstgericht nun eine klar konservative Ausrichtung hat, 2022 Roe vs. Wade gekippt. Damit wurde das bundesweite Recht auf Abtreibung ausgehebelt und die Gesetzgebung bezüglich Schwangerschaftsabbruch wieder Sache der einzelnen Bundesstaaten. Diese können nun selbst gestalten, ob und in welchem Ausmaß sie Abtreibungen möglich machen wollen, oder: sicher möglich machen wollen. Dies führte in einigen konservativ regierten Bundesstaaten zu massiven, für Frauen zum Teil lebensbedrohlichen Verboten und Einschränkungen ihrer Entscheidungsfreiheit.

Übrigens: Noch am Abend der erneuten Angelobung Donald Trumps im Jänner 2025 wurde die Regierungsseite offline genommen, die über reproduktive Gesundheit und Schwangerschaftsabbrüche informiert.

Österreich

Auch den Rechtskonservativen und Rechtspopulisten Österreichs ist die Entscheidungsfreiheit von Frauen über ihren Körper ein Dorn im Auge. So unterstützen sowohl FPÖ als auch ÖVP parlamentarische Petitionen, die diese Freiheit einschränken möchten. Die FPÖ, die sich in ihrer politischen Vision, nämlich Orbáns Fidesz-Partei und ihre Vorgehensweise, ein Land von einer liberalen zu einer illiberalen Demokratie umzuformen, zum Vorbild nimmt, hat sich in der Vergangenheit mehrfach gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ausgesprochen. Die Rede vom Uterus als „Ort mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit“ ist also keineswegs ein Einzelfall. Herbert Kickl sagte in einer parlamentarischen Rede beispielsweise in Bezug auf die Fristenlösung: „Gewissen ist nicht ein Freifahrtschein für die persönliche Willkür.“ Der freiheitliche Parlamentsklub verschickt Presseaussendungen, in dem das positive Besprechen von Schwangerschaftsabbrüchen als „ideologische Perversion“ bezeichnet wird. Die ehemalige FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek meinte: „Es gibt kein Recht auf Abtreibung."

Auch wenn dieser Satz vermutlich als ethische Bewertung zu verstehen war, hat Schimanek damit juristisch tatsächlich recht. Denn: In Österreich gibt es nach wie vor kein Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Abtreibung steht nach wie vor im Strafgesetzbuch, inklusive Freiheitsstrafe. Abtreibung ist in Österreich auch 2025 noch illegal, wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen (unter anderem einer Frist von zwölf Wochen) straffrei.

Das führt in der Praxis zu allerlei Hürden – von hohen Kosten bis hin zu Stigmatisierung.

Auch diese ohnehin schon höchst repressive und für Frauen höchst prekäre Gesetzeslage ist – inklusive Fristenlösung – keineswegs davor gefeit, noch weiter ausgehöhlt zu werden.

Österreich ist zwar gerade noch und viel zu knapp und vielleicht auch nur vorerst und bis zur nächsten Wahl mit einem blauen Auge und ohne einen selbsternannten „Volkskanzler“ davongekommen, aber Frauen können sich noch lang nicht zurücklehnen.

Denn wann und wo immer Rechte an die Macht kommen, sind Frauenrechte gefährdet. Und das Recht (und die Möglichkeit), eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen zu können, ist das erste auf der Abschussliste.

Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Feminismus. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Zur Autorin

Beatrice Frasl war schon Feministin, bevor sie wusste, was eine Feministin ist. Das wiederum tut sie, seit sie 14 ist. Seitdem beschäftigt sie sich intensiv mit feministischer Theorie und Praxis – zuerst aktivistisch, dann wissenschaftlich, dann journalistisch. Mit ihrem preisgekrönten Podcast „Große Töchter“ wurde sie in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten feministischen Stimmen des Landes.

Im Herbst 2022 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel „Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse und Psyche“ im Haymon Verlag. Als @fraufrasl ist sie auf Social Media unterwegs. Ihre Schwerpunktthemen sind Feminismus und Frauenpolitik auf der einen und psychische Gesundheit auf der anderen Seite. Seit 1. Juli 2023 schreibt sie als freie Autorin alle zwei Wochen eine Kolumne für die WZ.

Quellen

Das Thema in der WZ

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