Die Einnahmen, die Österreich durch CO2-Emissionsrechte lukriert, waren 2022 so hoch wie nie. Allerdings müssen sie nicht zwangsläufig in den Umweltschutz fließen.
381,7 Millionen Euro. So viel Geld hat Österreich 2022 durch die Versteigerung von CO2-Verschmutzungsrechten eingenommen, wie aus Zahlen des Finanzministeriums hervorgeht. Im Vergleich zu 2013 haben sich die Einnahmen versiebenfacht. Damit könnte man zum Beispiel 45 moderne Windräder errichten, die rund 200.000 Haushalte mit Strom versorgen. Das Problem – die Einnahmen aus den Emissionsrechten sind nicht zweckgebunden. Sie können also auch zur Förderung fossiler Brennstoffe verwendet werden.
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Doch was sind Emissionsrechte und warum gibt es sie? Die Europäische Union will den Ausstoß von Treibhausgasen, also Kohlenstoffdioxid, Methan und Lachgas, drastisch reduzieren. Dafür wurde 2005 der Europäische Emissionshandel, kurz EU-ETS, geschaffen. Er ist das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Er soll helfen, dass energieintensive Unternehmen wie etwa Gaskraftwerke, Zementwerke, Stahlhersteller und Raffinerien ihren Ausstoß reduzieren.
Der ETS-Handel legt eine Obergrenze fest, wie viele Treibhausgas-Emissionen von den Fabriken, Kraftwerken und Industrieanlagen insgesamt in einer Handelsperiode (2021-2030) ausgestoßen werden dürfen. Die Mitgliedstaaten verteilen dann eine entsprechende Menge an Verschmutzungsrechten, teilweise kostenlos, teilweise über Auktionen. Ein Verschmutzungsrecht berechtigt ein Unternehmen, eine Tonne CO2 auszustoßen. Wie teuer es ist, bestimmt der Markt, das heißt der Preis für Emissionsrechte entsteht durch Angebot und Nachfrage. Dieser liegt seit mehreren Monaten bei rund 85 Euro pro Tonne. Vor drei Jahren lag er noch unter 20 Euro. Umweltverschmutzung wird sukzessive teurer. 2022 kostete ein Zertifikat im Schnitt fast 30 Euro mehr als ein Jahr zuvor – laut Finanzministerium lag der Preis bei 79,6 Euro.
Kritik an Verwendung der Gelder
Unternehmen müssen für Luftverschmutzung zahlen, das Geld bekommt der Staat. Doch es gibt Kritik daran. Denn die Einnahmen fließen nicht in Umweltschutzmaßnahmen, sondern in den Bundeshaushalt. „Die Einnahmen aus der Versteigerung der Verschmutzungsrechte sollten zweckgewidmet werden für den Klimaschutz, und zwar für die Transformation der Industrie“, sagt Lukas Hammer, Energiesprecher der Grünen, zur WZ. „Die Industrie zahlt einerseits ein und bekommt Gelder zurück, indem sie direkt in Dekarbonisierung investiert.“ Hammer verweist auf das Umweltförderungsgesetz, auf dessen Basis von 2023 bis 2030 Förderungen von 2,975 Milliarden Euro für die klimafreundliche Umgestaltung der Industrie vergeben werden.
„Als Industrieunternehmen ist das schon eine klare Forderung von uns, dass die Mittel aus dem ETS-Handel zurückfließen in die Industrie“, sagt etwa Berthold Kren, CEO von Holcim Österreich. Der internationale Zementkonzern gehört zu den größten CO2-Emittenten in Österreich. Kren rechnet bis 2035 mit Kosten von 2,3 Milliarden Euro für ETS-Zertifikate. „Ein Gutteil des Geldes muss zurückfließen, sonst können wir den Standort nicht halten.“
Warum will das Finanzministerium die Einnahmen aber nicht dezidiert für Umweltschutzmaßnahmen einsetzen? „Die jährlichen Ausgaben des Bundes für Klima- und Umweltschutz übersteigen die jährlichen Einnahmen aus dem ETS-Handel um ein Vielfaches“, argumentiert ein Sprecher des Finanzministeriums. Die Einnahmen aus der Versteigerung der Verschmutzungsrechte würden quasi zur „Querfinanzierung“ klimapolitischer Maßnahmen herangezogen. Es ginge aber auch anders. In Deutschland fließt das Geld aus dem Verkauf von Zertifikaten komplett in einen Energie- und Klimafonds, aus dem unter anderem Klimaschutzprojekte finanziert werden. EU-weit wurden zwischen 2013 und 2019 im Schnitt 76 Prozent der Zertifikats-Einnahmen in Klima- und Energieprojekte investiert.
Emissionen dank Handel zurückgegangen
Um das Klima zu schützen, müssen die Emissionen sinken. Der Emissionshandel ist quasi ein Strafanreiz für Unternehmen, etwas gegen ihren CO2-Ausstoß zu tun. Doch reduziert man damit wirklich die Emissionen? Experten sagen ja. Sie halten den Emissionshandel für eines der effizientesten Instrumente, um die Treibhausgase zu reduzieren. „Die Menge, die emittiert werden darf, ist vorgegeben. Das ist die große Stärke des Emissionshandels“, sagt Karl Steininger, Klimaökonom am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz. Dies habe dazu geführt, dass zwischen 2005 und 2021 die Emissionen der Industrieanlagen um 37 Prozent zurückgegangen sind. Die EU will bis 2050 klimaneutral sein. Der Preis für eine Tonne wird also teurer. Steininger rechnet in Zukunft mit weiter steigenden Preisen.
Bisher war es den EU-Mitgliedsländern selbst überlassen, was sie mit den Einnahmen aus dem Emissionshandel machen. In der bestehenden ETS-Richtlinie heißt es, mindestens 50 Prozent der Einnahmen aus der Versteigerung von Zertifikaten „sollten“ für Zwecke wie Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen oder Entwicklung erneuerbarer Energieträger genutzt werden.
Aus dem „sollten“ wird künftig ein „müssen“. In einer reformierten ETS-Richtlinie, die noch heuer in Kraft tritt, wird der Verwendungszweck für die Einnahmen aus CO2-Rechten verpflichtend. Die EU-Staaten haben sich darauf geeinigt, dass die Zahl der Verschmutzungsrechte deutlich gekürzt wird und die kostenlose Zuteilung bis 2034 komplett auslaufen soll. 2024 soll die Schifffahrt erstmals in den Handel aufgenommen werden. Ziel ist es, dass 75 Prozent aller EU-Emissionen vom CO2-Handel erfasst sind.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner:innen
Karl Steininger, Klimaökonom Wegener Center for Climate and Global Change, Universität Graz
Sabine Berger, Leiterin Presse und Kommunikation EU-Kommission Wien
Daten & Fakten
Was ist der EU-Emissionshandel?
Die Europäische Union will den Ausstoß von Treibhausgasen, also Kohlenstoffdioxid, Methan und Lachgas, drastisch reduzieren. Dafür wurde 2005 der Europäische Emissionshandel, kurz EU-ETS, geschaffen. Er ist das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Er soll helfen, dass energieintensive Unternehmen wie etwa Gaskraftwerke, Zementwerke, Stahlhersteller und Raffinerien ihren Ausstoß reduzieren. Der Handel legt eine Obergrenze fest, wie viele Treibhausgas-Emissionen von den Fabriken, Kraftwerken und Industrieanlagen insgesamt in einer Handelsperiode (2021-2030) ausgestoßen werden dürfen.
Werden damit alle Emissionen in der EU berücksichtigt?
Das Emissionshandelssystem (EU-ETS) deckt rund 40 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in der EU ab. Europaweit sind rund 12.000 Anlagen der Energiewirtschaft und energieintensiven Branchen erfasst, die viel CO2 ausstoßen.
Was heißt das für Österreich?
In Österreich sind rund 200 Industrieanlagen Teil des Handelssystems. Die größten CO2-Verschmutzer sind der Stahlkonzern Voestalpine, der Mineralölkonzern OMV und das Energieunternehmen Wien Energie. Der Handel mit den Verschmutzungsrechten soll ein Anreiz für die Unternehmen sein, ihren Treibhausgas-Ausstoß zu reduzieren und in klimafreundliche Technologien zu investieren.
Wieviel CO2 wird in Österreich ausgestoßen?
Die Emissionen in Österreich sind 2021 um 4,9 Prozent gestiegen. Insgesamt wurden 77,5 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Eine Tonne CO2 entspricht etwa dem Volumen eines acht Meter hohen Würfels. Jede:r Österreicher:in verursacht pro Jahr den Inhalt von mehr als acht solcher Würfel. Man bräuchte acht Buchen, die 80 Jahre wachsen, bis sie diese Menge an CO2 aufgenommen haben.