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Sag mir, wo die Blumen sind

5 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© Illustration: WZ, Bildquelle: privat

Schnittblumen aus dem Supermarkt sind verlockend, ruinieren aber die CO2-Bilanz. Zum Glück gibt es lokale Alternativen.


Letztes Wochenende war Muttertag. Dankenswerterweise sagt meine Mutter seit Jahrzehnten „Geh lasst’s mich in Ruh mit dem Bledsinn!“, aber über Blumen freut sie sich trotzdem. Also eigentlich freut sie sich immer über Blumen, aber dass sie in den Tagen nach dem Muttertag nur noch die Hälfte kosten, freut sie noch mehr. Zuhause bei ihr steht immer irgendwo ein Blumenstrauß herum, am liebsten Tulpen.

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Und ich? Ich habe diese Freude an Blumen inzwischen von ihr geerbt. Ranunkeln und Pfingstrosen machen mich einfach nur glücklich, sobald ich sie ansehe. Calla für die Kaller im Freundeskreis sind auch eine Bank, seit Jahren. Tulpen gern in Weiß oder – erst einmal gesehen – leuchtendem Pink. Nur Rosen, die find ich am Strauch schöner, wenn aus einer Verästelung ganz viele Blüten rauskommen. Flieder aus unserem Garten wiederum landet fast schon ästeweise in meinen Vasen, denn dann riecht die ganze Wohnung nach Sommer.

Blumen stammen oft aus dem Ausland

Doch diese Freude hat mehrere große Haken. Blumen haben einen irren CO2-Abdruck, wenn sie nicht direkt aus Österreich kommen: Rosen zum Beispiel – die stammen oft entweder aus einem beheizten Gewächshaus in den Niederlanden oder werden per Luftfracht aus Kenia importiert – haben pro Blume einen durchschnittlichen Abdruck von 2,4 Kilogramm CO2. PRO BLUME. Zur Veranschaulichung, mit einem durchschnittlichen Benziner kann man bis zu 16 Kilometer fahren, um so viel CO2 zu emittieren wie eine einzige Rose.

Vergangene Woche – Muttertag eben – gab es in vielen Supermärkten schöne, bunt gemischte Sträuße. Sagen wir mal, Rosen, Lilien und Schleierkraut. Bei zehn Rosen, fünf Lilien und ein bisschen Schleierkraut kommt man auf happige 32,3 Kilogramm CO2. Kauft man sich sowas regelmäßig, kann sich das ordentlich aufsummieren am persönlichen Fußabdruck: Jede Woche so ein Strauß macht bis zu 1,5 Tonnen CO2 auf der persönlichen Jahresbilanz nur für Blumen – wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche persönliche Jahresverbrauch an CO2 elf Tonnen beträgt, ist das keine Lercherlabsonderung. Besser also: Warten auf den Sommer, wenn es vielerorts Selbstpflückfelder gibt. Oder vom Rand eines Sonnenblumenfelds ein, zwei kleine Blüten stehlen. Das habt ihr jetzt natürlich nicht von mir.

Schnittblumen haben einen höheren CO2-Abdruck als Rindfleisch

Der Autor Mike Berners-Lee schreibt in seinem sehr empfehlenswerten Buch „Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem“: „Zuchtblumen haben noch ein weiteres Problem. Alle kommerziell gezüchteten Blumen wachsen auf Land, auf dem ansonsten Nahrung angebaut werden könnte. Der Bedarf an landwirtschaftlicher Nutzfläche treibt die Abholzung bereits voran, die wiederum für 9 bis 18 Prozent der vom Menschen gemachten Emissionen verantwortlich ist. Wenn man es so betrachtet, bedeuten Blumensträuße zugleich auch weniger Regenwald – ihr wahrer Fußabdruck ist also vermutlich ungleich höher als meine Zahlen hier nahelegen.“ Bitter, vor allem, weil Berners-Lee schon zuvor schreibt, dass Schnittblumen außerhalb der Saison in heimischen Supermärkten das Produkt mit dem höchsten CO2-Abdruck relativ zum Verkaufspreis sind. DEM HÖCHSTEN. Mehr als Rindfleisch. Unfassbar.

Doch Schnittblumen tragen noch ein anderes Umweltproblem in ihren Blättern und Blüten: Die Pestizidbelastung ist enorm. GLOBAL 2000 hat es jüngst untersucht – in verschiedenen Blumenläden und Supermärkten wurden Blumensträuße gekauft und auf Pestizidrückstände getestet. Das traurige Ergebnis: In ALLEN Sträußen wurden Pestizidrückstände gefunden, je gemischter der Strauß war, desto bunter auch der Reigen an Pestiziden, die drin waren. Auf einem Blumenstrauß von Lidl fand man ganze 32 verschiedene Pestizide, bei sortenreinen Sträußen war es ein bisschen besser, aber dennoch: Im Durchschnitt wurden Rückstände von 14 verschiedenen Pestiziden pro Strauß gefunden. Die Zusammenfassung von GLOBAL 2000 liest sich wie ein Schauermärchen: „12 Sträuße waren mit Pestiziden belastet, die zum Zeitpunkt der Probennahme keine EU-Zulassung hatten. Darunter auch gesundheitlich besonders bedenkliche Substanzen wie Carbendazim, Chlorpyrifos und Iprodion.“

Viele dieser Pestizide sind auch potenziell für die menschliche Gesundheit problematisch: Sie können krebserregend oder fortpflanzungsschädigend sein oder den Hormonhaushalt stören. Da schenkt man der Mutter gleich mal die Stimmungsschwankungen mit!

Das Fazit ist – für mich persönlich zumindest – traurig. Ich kaufe zwar sehr, sehr gern Blumensträuße im Supermarkt; samstagnachmittags, wenn sie um die Hälfte reduziert sind, und garantiert im Müll landen würden, würd ’ ich sie nicht kaufen. Dann macht der Supermarkt keine allzu große Marge mehr damit. Aber das zaubert weder CO2-Abdruck noch Pestizidbelastung weg, sondern trägt nur dazu bei, dass ich nicht das Gefühl habe, das ganze System auch noch zu unterstützen.

Also nach dieser Recherche wirklich gar keine Blumensträuße mehr? Nein! Es gibt inzwischen einige ganz tolle Gärtnereien in Österreich, die sich auf den Bio-Anbau von Wiesenblumen spezialisiert haben – und deren Sträuße wunderschön sind. Es gilt halt auch bei Blumen: Supermarktsträuße sind die Fast Fashion der Blumen, heimische Wiesenblumen teurer, aber besser für Umwelt und uns. Und zu Mutters Tulpenleidenschaft: Auf einem heimischen Tulpenstrauß vom Spar wurde wenigstens nur ein Pestizidrückstand gemessen.

Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

Schnittblumen im Supermarkt kommen fast immer entweder aus beheizten Glashäusern oder aus Übersee, oft aus afrikanischen Ländern wie Kenia. Die Pestizidbelastung ist enorm, und viele der Pestizide sind noch dazu in der EU verboten. Die Alternative sind heimische Wiesenblumen, immer mehr Gärtnereien fokussieren sich darauf.

Quellen

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