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Crashtest-Dummys sind bis heute dem durchschnittlichen Nordamerikaner der 1970er nachempfunden. Wie sicher Autounfälle für Frauen sind, wird nicht getestet.
Morgens um neun am ADAC-Testzentrum in Landsberg am Lech. Ein Auto fährt gegen die Wand. Es kracht. Der Oberkörper des Dummys hinterm Steuer landet im Airbag, während der Sicherheitsgurt den restlichen Körper im Sitz fixiert. Mit dem Dummy soll die Sicherheit eines Autos bei einem Unfall überprüft und verbessert werden.
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Für das Sicherheitsbewertungssystem zuständig ist die Euro-NCAP (European New Car Assessment Programme). Nach diesem 5-Sterne-Testsystem richten sich ÖAMTC, ADAC und andere europäische Verkehrsklubs. In den meisten Fällen vertritt während des Crashtests der sogenannte 50-Prozent-Mann den Menschen. In den 1970er-Jahren vom Unternehmen General Motors entwickelt, ist er mit seinen 78 Kilogramm und 1,75 Metern Körpergröße dem durchschnittlichen nordamerikanischen Mann der damaligen Zeit nachempfunden. Er stellt die Norm dar und sitzt bei jedem regulären Crashtest hinterm Steuer. Ergänzt wird er von einer Reihe anderer Dummys in verschiedenen Größen. Auffällig ist jedoch, dass sie alle in ihrer Form an den männlichen Körper erinnern: Die Hüften sind schmal, dafür sind die Schultern meist etwas breiter, Brüste hat keiner von ihnen.
Sicherheit im Auto: Nur für Männer
Die Konsequenz ist, dass die Sicherheit eines Autos eher an den durchschnittlichen Mann angepasst ist als an den Rest der Bevölkerung. Ausgehend von dieser Problematik hat die schwedische Ingenieurin Astrid Linder „Eva“ entworfen, einen Crashtest-Dummy, der zum ersten Mal realistisch den Körper einer Frau darstellt. Die Idee kam Linder, als sie während ihres Doktorats auf eine Studie stieß, wonach Frauen deutlich geringer gegen Schleudertraumata geschützt sind als Männer. Die Direktorin für Verkehrssicherheit am schwedischen Straßen- und Transportforschungsinstitut legte somit besonderen Wert auf den Bau von Evas Wirbelsäule. Bei Frauen ist die Muskulatur im Bereich der Halswirbel schwächer ausgeprägt als bei Männern. Gerade wenn es um den Halsbereich geht, braucht es also eindeutige Messungen, um die Verletzungsgefahr während eines Unfalls korrekt abschätzen zu können. Betroffen von der Einseitigkeit der Dummys sind jedoch nicht nur Frauen und Personen, die nicht dem typisch männlichen Körperbau entsprechen – auch auf die Bedürfnisse der älteren Bevölkerung wird zu wenig eingegangen. Im Alter werden die Knochen immer poröser und es kann schneller zu einem Bruch kommen, während jüngere Menschen noch glimpflich davonkommen würden.
Weibliche Dummys nicht Teil der EU-Vorschrift
Nach Euro-NCAP-Vorschrift wird ein Einsatz Evas nicht verlangt. Laut Richard Schram, dem technischen Direktor des Programms wird allerdings auch hier an einem Dummy gearbeitet, der eine verbesserte Strategie zum Schutz von weiblichen Personen zulässt, dem THOR 5th Dummy. Anders als Eva, die in erster Linie für Heckcrashs entwickelt wurde, soll dieser auch bei Frontalcrashs eingesetzt werden können. Wann es jedoch so weit ist, ist noch unklar.
Ob und welche Änderungen in der Anwendung von Crashtest-Dummys zu erwarten sind, weiß Max Lang, ÖAMTC-Technikexperte. Im Interview mit der WZ gibt er genaue Auskunft darüber, mit welchen Entwicklungen in Zukunft zu rechnen ist.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner
Max Lang, Technikexperte des ÖAMTC
Expert:innen vom Euro-NCAP
Daten und Fakten
Laut dem Deutschen Automobil- und Verkehrssicherheitsklub gibt es unterschiedliche Arten von Verletzungen:
- Männliche Unfallopfer, die eingeklemmt werden, erleiden eher schwere Verletzungen an Kopf, Gesicht, Brust und Gliedmaßen.
- Weibliche Unfallopfer werden hingegen häufiger an den Wirbeln und am Rückenmark verletzt.
Quellen
- Die schwedische Ingenieurin Astrid Linder wurde von der Studie „Addressing Female Whiplash Injury Protection - A Step Towards 50th Percentile Female Rear Impact Occupant Models“ von Anna Carlson inspiriert, einen weiblichen Crashtest-Dummy zu entwerfen.
- Pressemitteilung des schwedischen Verkehrsinstituts
- Das Sicherheitsbewertungssystem des Euro-NCAP (European New Car Assessment Programme) erklärt.