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Trauer lässt sich nicht kontrollieren. Sie verändert sich, aber hört nie auf. Wer jemanden verliert, „soll stark bleiben”. Floskeln bringen in Krisen aber meist wenig. Was wirklich hilft, beschreibt Madeleine Geosits in ihrem persönlichen Kommentar.
Die letzten Jahre glichen einer Achterbahnfahrt durch die dunkelsten Täler meines Lebens. Zwischen Haltlosigkeit, Schmerz und der Suche nach einem neuen Gleichgewicht. Ich habe mich noch nie so einsam gefühlt, wie nach dem Tod meiner Mutter. Ich war umgeben von lieben Menschen und trotzdem so unendlich allein. Den Schmerz kann mir niemand abnehmen. Nicht damals, nicht heute.
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Sich diesem Leid zu stellen, ist wohl die härteste Aufgabe, die das Leben bereithält. Und früher oder später steht jeder von uns einmal vor dieser Herausforderung, die anfangs nicht zu bewältigen scheint. Der Verlust eines geliebten Menschen ist so individuell, so unvergleichlich, dass es kein Patentrezept zur Linderung gibt. Und nein, die Zeit heilt keine Wunden. Wir lernen nur, mit ihnen zu umzugehen. Der Schmerz bleibt, tief verwoben mit den Erinnerungen an jemanden, den wir lieben.
Lois Tonkin, eine neuseeländische Trauerforscherin, hat ein Modell entwickelt, das genau dieses Gefühl beschreibt. Sie sagt: „Trauer bleibt genauso groß, aber das Leben wächst um sie herum.“
Zu Beginn füllt die Trauer den ganzen Raum, sie überwältigt alles. Doch mit der Zeit wächst unser Leben mit all den positiven Ereignissen, die es mit sich bringt, neben dem Schmerz Stück für Stück weiter. Neue Erfahrungen vergrößern den Raum, ohne dass der Verlust verschwindet. Die Trauer bleibt also ein Teil von uns. Immer. Sie verändert sich, aber sie vergeht nicht. Und das muss sie auch nicht, finde ich, denn sie ist ein Ausdruck von Liebe.
Und genau hier liegt der Punkt, an dem unsere Gesellschaft oft scheitert. Wir sprechen von einem Trauerjahr, als gäbe es ein Ablaufdatum für den Schmerz. Einen Tag, an dem ich plötzlich aufhören muss zu weinen.
Viele Menschen fühlen sich im Umgang mit Trauernden oft überfordert. Es sind Berührungsängste, die genauso allgegenwärtig sind, wie der Tod selbst.
Manche ziehen sich zurück, andere sagen: „Melde dich, wenn du was brauchst“ und übersehen aber vielleicht, dass ein trauernder Mensch im Dunkel des Schmerzes oft gar nicht die Kraft hat, um Hilfe zu bitten. Was wirklich hilft ist nicht das Angebot, sondern die Umsetzung in die Tat. Da zu sein. Eine Nachricht zu schicken. Mir hat ein Emoji schon geholfen, weil ich wusste: Da ist jemand und denkt an mich und die Person, die wir gerade verloren haben. Anzurufen, auch wenn der Anruf unbeantwortet bleibt. Essen vor die Tür zu stellen. Die Namen der Verstorbenen immer wieder auszusprechen, auch Jahre später. Es ist keine alte Wunde, die aufgerissen wird. Nein. Es bedeutet: Ich möchte mich mit dir erinnern.
Trauer braucht Raum, Zeit und Zusammenhalt. Sie ist kein Problem, das gelöst werden muss, sondern Liebe, die plötzlich ins Leere läuft.
Trauer braucht Raum und Unterstützung, wenn du dich überfordert fühlst, solltest du nicht zögern, Hilfe anzunehmen:
Caritas: Unterstützung für trauernde Menschen
Auch die Telefon-Seelsorge unter der Rufnummer 142, Rat auf Draht für Kinder und Jugendliche unter der Telefonnummer 147 und die Ö3-Kummernummer unter 116 123 helfen weiter.
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