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Trump und das Klima: Verbannte Worte sind nur der Anfang

6 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Privat

George Orwell, schau oba. Tag für Tag wird es unerträglicher, was Trump Neues einfällt. Aber immerhin: Er schafft es immer noch, zu schockieren.


Grade noch dachte man, das Absurdeste, das die orangefarbene Präsidentschaft liefern kann, war die Mail von Elon Musk an alle US-Bundesbediensteten mit der Frage nach ihrer Leistung und der unverhohlenen Drohung, bei Nichtbeantwortung der Mail gekündigt zu werden – was von einem Gericht glücklicherweise in Windeseile wieder aufgehoben wurde („Wos woar mei Leistung?“ drängt sich auf). Jetzt veröffentlichte die New York Times eine Liste von fast 200 Wörtern, die von nun an in der offiziellen Kommunikation der US-Behörden nicht mehr genutzt werden sollen.

Einfach: „Das dürft’s jetzt nicht mehr sagen, wenn ihr im Namen der Behörden kommuniziert“. Das muss wohl dieses „Freedom of Speech“ sein, von dem die immer reden.

Der Großteil betrifft DEI-Themen, also Diversity, Equality und Inclusion. Dass Worte wie „Feminism“ und „Woman“ auf der Liste stehen, zeichnet ein sehr eindeutiges und erschreckendes Bild. De facto wird alles, was nicht gerade ein weißer, männlicher Republikaner ist, abgelehnt. Aber auf der Liste stehen auch die Begriffe „clean energy“, „climate crisis“ und „climate science“: Saubere Energie, Klimakrise und Klimawissenschaft.

Klimawandel sei ein „großer Schwindel“

Trump bezeichnet den Klimawandel als „großen Schwindel“. Der neue Energieminister Chris Wright betonte kürzlich in einer Rede: „Die Trump-Regierung wird den Klimawandel als das behandeln, was er ist: ein globales physikalisches Phänomen, das eine Nebenwirkung des Aufbaus der modernen Welt ist.“ Das heißt: Ja, mei, dann wird’s halt heißer - wir subventionieren weiterhin Öl, Gas und Kohle, weil wir das brauchen, um wirtschaftlich vorwärtszukommen. Alter Republikaner zu sein heißt wohl auch, alt zu denken.

Nachrichten aus den USA lesen löst in mir gerade die gleichen Gefühle aus wie das Ansehen einer Folge von „Black Mirror“ – mit dem Unterschied, dass die in Black Mirror dargestellten Dystopien (noch) nicht echt sind. Alles in Zusammenhang mit der US-Regierung fühlt sich gerade an wie dieses Meme, wo der Hund in einem brennenden Raum sitzt und „This is fine!“ sagt. Trumps Entscheidungen, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, die Mietverträge von 20 Forschungseinrichtungen zu kündigen (unter anderem von jenem, in dem 1956 die Kohlendioxidüberwachung gleichsam erfunden wurde) und über 90 wissenschaftliche Studien zum Thema Klima zu stoppen, sind leider sehr, sehr echt.

Best of Klimakatastrophe

Was auch echt ist: Die sichtbaren Auswirkungen der Klimakatastrophe in den USA. Das deutsche Umweltbundesamt beobachtet seit 2010 weltweite Temperaturschwankungen und Extremwetterereignisse. Hier ein kleines „Best of“ der USA:

  • 2010: „Auf einen kühlen Sommer folgte in Teilen der westlichen USA eine Hitzewelle im September. Am 27. September wurde in Los Angeles eine Rekordtemperatur von 45 °C gemessen.“

  • 2011: „Unter dem Einfluss des La Niña-Ereignisses herrschte große Trockenheit in Nordmexiko und in südlichen Teilen der USA. Ende November litt Mexiko unter der schlimmsten Trockenheit seit Beginn der Aufzeichnungen 1941.“

  • 2012: „Heißester Juli und gleichzeitig heißester Monat überhaupt seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen in den USA vor 118 Jahren.“

  • 2013: „Starkniederschläge im September in den USA brachten Boulder (Colorado) einen neuen 24-Stunden-Rekord von 231 l/m2 ein und einen Rekord im Monats- und Jahresniederschlag.“

  • 2014: „Ende April traten im Osten der USA starke Niederschläge auf. In Pensacola (Florida) fielen innerhalb von zwei Tagen 520 l/m2 (das ist mehr als die Hälfte des Jahresniederschlages in Deutschland).“

  • 2015: „Ende März herrschten trockene Bedingungen im Westen der USA. In Kalifornien führte die Trockenheit zu Einschränkungen in der Wasserversorgung und setzte sich bis zum Jahresende fort.“

  • 2016: „Es war das wärmste Jahr in Nordamerika seit dem Beginn der kontinentalen Messungen im Jahr 1910 und damit auch wärmer als das bisherige Rekordjahr 1998.“

  • 2018: „Im April wurde für die USA ein neuer nationaler Niederschlagsmengenrekord beobachtet. So fielen auf Hawaii innerhalb von 24 Stunden 1262,13 mm Regen pro Quadratmeter.“

  • 2019: „In den USA sorgten Schneeschmelze und starke Regenfälle entlang des Missouri, Mississippi, Platte und Arkansas River für Rekordüberschwemmungen.“

  • 2020: „Im Death Valley, Kalifornien, wurde am 16. August 2020 eine Höchsttemperatur von 54 °C gemessen. Dies ist die wärmste Augusttemperatur seit Beginn der Aufzeichnungen und die drittwärmste Temperatur für einen beliebigen Monat in den USA.“

  • 2021: „Hurricane Ida traf am selben Tag wie Hurricane Katrina 16 Jahre zuvor auf die US-Küste und verursachte sowohl in den USA als auch auf Kuba signifikante Schäden. Allein in den USA werden die Schäden auf 75 Milliarden USD geschätzt.“

  • 2023: „Die durchschnittliche Temperatur lag in Nordamerika bei 2,01 °C über dem Referenzzeitraum von 1901-2000 und war damit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.“

Ja ne, ist klar, das sind halt die ganz normalen Auswirkungen, wenn wir unsere Welt weiterentwickeln wollen. Dass die Welt halt dabei draufgeht, geschenkt! Dass es übrigens auch ganz schön teuer ist, nach den ganzen Extremwetterereignissen wieder aufzuräumen, ist ein bissl weniger geschenkt. Dennoch wurde vor wenigen Wochen die Umweltbehörde EPA angewiesen, nicht mehr zu deklarieren, dass Treibhausgasemissionen die menschliche Gesundheit gefährden. Was seit spätestens 2009 wissenschaftlicher Konsens war.

Es gibt hier nichts zu sehen

Apropos Wissenschaft: Auf behördlicher und offizieller Ebene nicht mehr über Klimawandel sprechen zu können bedeutet auch, dass wissenschaftliche Ergebnisse (so die Klimaforschung noch einen Weg der Finanzierung finden möge) verzerrt werden. Die wissenschaftliche Community in den USA ist nur noch in Aufruhr.

Diese Entscheidungen haben globale Auswirkungen. Und werfen uns alle um Jahre zurück. Was mich daran wirklich nervös macht: Es ist nicht irgendeine reiche Clique, die halt für sich und ihre Buddies empathiefrei auf alles pfeift, was anderen helfen könnte. Solche Gestalten wird es leider immer geben. Aber: Es ist die Regierung einer der mächtigsten Wirtschaften der Welt – und es braucht zur Eindämmung der Klimakatastrophe nicht nur individuelle CO2-Abdruck-Verkleinerungen, sondern es braucht vor allem klare und strenge Regulative, da auf dieser Ebene der sehr viel größere Hebel liegt. Das liegt jetzt völlig brach: Wozu etwas regulieren, das es laut US-Präsident gar nicht gibt?

Trump ist per Freitag, 21. März bereits 60 und noch 1.401 Tage im Amt. Gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen.

Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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