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Die männliche Dominanz auf den Theaterbühnen ist noch im Jahr 2025 ungebrochen – auch im Musical.
Vor Kurzem übernahm ein Mann (Stefan Bachmann) den Direktorposten des Burgtheaters von einem anderen Mann (Martin Kusej).
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Überhaupt übernehmen sehr oft Männer Direktorposten, überall ist das so, aber im Theater ganz besonders. Da ist das „sehr oft“ sogar ein „fast ausschließlich“.
So war mit Katrin Bergmann überhaupt erst eine Frau Direktorin des Burgtheaters seit seiner Gründung im Jahr 1748. Das sind ja aber immerhin erst 277 Jahre und Frauen sind nur mehr als die Hälfte der Bevölkerung, da dauert es eben, bis man welche findet.
Das Wiener Volkstheater war in seiner Frauensuche bislang doppelt so erfolgreich: Ganze zwei Frauen waren bislang Direktorinnen: Anna Badora und Emmy Werner. Und das immerhin in nur 136 Jahren.
Männerquote
Ganz unsarkastisch lässt sich feststellen, dass an den Entscheidungshebeln und an den Machtpositionen in Theatern fast ausschließlich Männer sitzen. Der Theaterbetrieb ist, ebenso wie der Literaturbetrieb, eine Männerdomäne. Wichtige Posten, gut bezahlte Engagements, Intendanzen, Direktorate sind in aller Regel Männern vorbehalten, und: je wichtiger das Haus, desto männlicher die Toppositionen. Je höher und entscheidender die Entscheidungsposition, desto höher die Männerquote. Beispielsweise findet man als Regieassistent:innen noch etwa gleich viele Frauen wie Männer, bis zur Regisseurin werden allerdings die wenigsten Frauen durch die gläserne Decke gelassen. Hier findet sich ein Verhältnis von 70:30. Bei den Autor:innen ist die Männerdominanz besonders hoch. Der einzige Beruf, bei dem das Verhältnis zugunsten von Frauen ausfällt, ist einer im Niedriglohnbereich: die Souffleuse. Männer übernehmen leitende Posten, Frauen machen die Zuarbeit.
Und dass, obwohl der Großteil des Theaterpublikums (ebenso der Großteil der Leser:innen von Büchern) Frauen sind.
Die Suche nach Frauen
Martin Kusej zeigte sich zum Antritt seines Direktorpostens im Interview mit dem Standard einigermaßen verzweifelt über die mangelnde Auffindbarkeit von Frauen: „Wo sind Künstlerinnen, die man nach oben bringen kann? Ich tue mein Bestes dafür. Ich habe in meinem Spielplan einige Frauen. Aber mir tut es leid, dass ich da zu wenig machen kann.“ Auf die Gegenfrage, ob er nicht als Direktor des wichtigsten Theaterhauses des Landes in einer Position wäre, Frauen zu engagieren antwortete er: „Ja, vorausgesetzt ich finde diese Frauen. Die Frage ist auch, ob sie gut genug sind – das gilt natürlich auch für Männer!“
Stefan Bachmann, der Mann, der nun auf ihn folgte, hat in der Zwischenzeit ein paar Frauen gefunden, die Regie führen können. Mitte Mai präsentierte das Burgtheater nämlich in feierlicher Stimmung das Jubiläumsprogramm. Und siehe da: Es finden sich einige Frauen als Regisseurinnen in diesem Programm. Die Suche nach Autorinnen gestaltete sich aber offenbar etwas schwieriger, da wurde nur eine gefunden. Ob Stefan Bachmann noch weiter nach Frauen sucht, ist nicht überliefert.
Männliche Perspektiven
Während der Großteil des Theaterpublikums insgesamt weiblich ist, gibt es ein Genre, bei dem sich eine besonders starke Geschlechterdiskrepanz unter seinen Fans zeigt: das Musical.
Auch im Musical lässt das die Führungsebenen unbeeindruckt, auch bei den Vereinigten Bühnen Wien war bislang nur eine Frau (Kathrin Zechner) Intendantin.
Nun könnte man davon ausgehen, dass die aktuelle männliche Führung angesichts des überwiegend weiblichen Publikums ein besonderes Interesse hätte, weibliche Geschichten zu erzählen. Das tun die Vereinigten Bühnen auch. Aber aus einer exklusiv männlichen Perspektive, wie sich das gehört im Patriarchat.
Wichtige Frauen und wichtige Männer
Mitte Mai wurde eine große Pressekonferenz zum neuen Stück „Maria Theresia“ abgehalten. Maria Theresia war eine der wichtigsten Frauen der österreichischen Geschichte, eine, so Intendant Christian Struppeck, „der bedeutendsten Figuren Europas […] in einer Zeit, in der Frauen eigentlich keine Macht ausüben sollten." Bei den Vereinigten Bühnen Wien ist die Zeit, in der Frauen das dürfen, leider bis heute nicht angebrochen.
Denn auf der Pressekonferenz wurden präsentiert: die männlichen Komponisten des Stückes, der männliche Liedtexter, der männliche Buchautor, der männliche Regisseur, der männliche Choreograf, der männliche Bühnenbildner, der männliche Lichtdesigner, der männliche Sounddesigner. Ganz aus waren Frauen in Wien aber dann doch nicht, eine hat man dann gefunden: eine Kostümbildnerin nämlich. Herzlichen Glückwunsch!
Frauen dürfen zuarbeiten
Auf die auf sozialen Medien geäußerte Kritik, dass es vielleicht nicht die beste Idee ist, die Geschichte einer Frau durch eine exklusiv männliche Perspektive zu erzählen , wurde entgegnet, dass Frauen sehr wohl mitmachen durften, aber halt hinter den Kulissen, unsichtbar und im Hintergrund. Frauen durften zuarbeiten und im Hintergrund beraten, wie sie das immer dürfen. Die Macht, die Führungspositionen, die künstlerischen Entscheidungen und die Lorbeeren bleiben bei den Männern. Dass das Statement „Frauen haben uns eh auch beraten“ für ein gutes und feministisch progressives gehalten wird, sagt viel aus über die Zustände auf und hinter Österreichs Bühnen, inklusive Österreichs Musicalbühnen. Ach ja, und dann war da noch das Casting: Maria Theresia war eine dicke Frau und eine die 16 Kinder geboren hat. Gespielt wird sie von einer sehr schlanken und sehr jungen Frau.
Frauen sind eben auch auf der Musicalbühne keine Menschen, sondern Figuren, irgendwas zwischen Projektions- und Identifikationsobjekten für Männer.
Und solange ihre Geschichten aus ausschließlich männlichen Perspektiven erzählt werden, wird sich daran auch nichts ändern.
Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Feminismus. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Zur Autorin
Beatrice Frasl war schon Feministin, bevor sie wusste, was eine Feministin ist. Das wiederum tut sie, seit sie 14 ist. Seitdem beschäftigt sie sich intensiv mit feministischer Theorie und Praxis – zuerst aktivistisch, dann wissenschaftlich, dann journalistisch. Mit ihrem preisgekrönten Podcast „Große Töchter“ wurde sie in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten feministischen Stimmen des Landes.
Im Herbst 2022 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel „Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse und Psyche“ im Haymon Verlag. Als @fraufrasl ist sie auf Social Media unterwegs. Ihre Schwerpunktthemen sind Feminismus und Frauenpolitik auf der einen und psychische Gesundheit auf der anderen Seite. Seit 1. Juli 2023 schreibt sie als freie Autorin alle zwei Wochen eine Kolumne für die WZ.
Quellen
- deutschlandfunkkultur.de: „Das Publikum hat ein Recht auf Qualität und Vielfalt“
- Der Standard: Martin Kušej will Burgtheater zu "Hort der Opposition" machen
- ORF: Burgtheater präsentiert Jubiläumsprogramm
- miz.org: Bevorzugte Musikrichtungen nach Geschlecht
- Instagram: @musicalviennavbw