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Vertrauen riecht nach frisch gemähtem Gras …

3 Min
"Wissen wissen" ist eine Kolumne von Eva Stanzl. Darin ordnet sie aktuelle Themen aus Wissenschaft und Gesundheit ein.
© Illustration: WZ, Bildquellen: Adobe Stock

… und wer nichts riecht, fühlt sich von der Fülle der Welt getrennt. Der Geruchssinn ist eine unterschätzte Dimension unseres Gefühlslebens.


    • Der Geruchssinn beeinflusst Emotionen. Er liegt nahe am Gefühlszentrum im Gehirn.
    • Bestimmte Düfte Ist halt schade, wenn die wie etwa Hexanal, dessen Aroma an frisch gemähtes Gras erinnert, fördern laut Forscher:innen das Vertrauen zwischen Menschen.
    • Abhängig von den Gefühlslagen sendet der Körper unterschiedliche Moleküle aus, die den Geruch, den wir über die Haut abgeben, verändern.
    • Der Geruchssinn entwickelt sich beim Embryo vor Sehen und Hören.
    • Stress-Schweiß riecht laut Studie nach gebratenem Lauch.
    • Körpergerüche spielen unbewusst eine Rolle bei sozialer Bindung und Partnerwahl.
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

Ankunft zu Hause nach einem langen Tag. In der Luft hängt ein schwerer Geruch, der an das gestrige Abendessen erinnert. Schnell die Fenster auf – ein frischer Wind weht herein, und schon fühle ich mich hier wieder wohl.

Der Geruchssinn ist eine unterschätzte Dimension des Lebens. Düfte können betören, erfreuen oder den Appetit anregen – das Aroma von frisch gebackenem Kuchen etwa lässt das Wasser im Mund zusammenlaufen und kann sogar ein Wohlgefühl erzeugen. Gestank hingegen kann ekeln oder zumindest ein Unwohlsein aufkommen lassen. Gerüche lösen Gefühle aus und beeinflussen sie.

„Wir nehmen an, dass der Geruchssinn ebenso stark, wenn nicht sogar stärker als Bilder, Lieder oder andere sensorische Reize, emotionale Reaktionen hervorrufen kann“, wird der US-Geruchsforscher Dan Wesson vom University of Florida College of Medicine in einer Studie zitiert, in der er mit seinem Team erforscht, was beim Riechen im Gehirn vorgeht.

Der Riechsinn, genannt olfaktorisches System, bildet sich beim Embryo vor dem Sehen und dem Hören aus, damit das Baby die Mutter schon am Geruch erkennt. Das olfaktorische System liegt außerdem besonders nahe an der Amygdala: Diese Struktur in unserem Gehirn spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen wie etwa Angst und hat eine Schlüsselrolle beim Auslösen der Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Wenn wir also zum Beispiel durch die Nase Rauchgas einatmen, ist das Gefühlszentrum im Gehirn sogleich alarmiert, denn giftige Dämpfe bedeuten in der Regel Gefahr.

Stress und Angst riechen nach Lauch

Gleichermaßen haben wir selbst in Stress- und Angstsituationen eine besondere Körperausdünstung. Denn nicht nur Substanzen, sondern auch Gefühle lassen sich riechen. Ein japanisches Forschungsteam hat die nonverbale Kommunikation nicht etwa im Bereich der Gestik oder der Mimik, sondern anhand des Körpergeruchs erforscht. Die Wissenschaftler:innen haben Testpersonen in Stress versetzt, indem sie ihnen im Rahmen von Interviews unangenehme Fragen stellten. Während dieser Verhöre steckten die Hände der Proband:innen in Plastiksäcken, um den Angstschweiß einzufangen. Die Beutel wurden danach Geruchsexpert:innen übergeben: Und diese wiederum gaben an, dass die Stress-Ausdünstungen nach gebratenem Lauch riechen würden.

Ob die Emotion der Zufriedenheit dann vielleicht nach Vanille riecht, oder das Gefühl von Gelassenheit wie ein Erdbeerzuckerl, wurde nicht erforscht. Jedoch ist ein anderes Forschungsteam der Frage nachgegangen, wie der Mensch Körpergerüche wahrnimmt und auf sie reagiert. Monique Smeets und ihre Kolleg:innen von der schwedischen Universität Utrecht analysieren die Wirkung der chemischen Stoffe, die wir ausdünsten. Ein Molekül namens Hexanal, das den Duft von frisch gemähtem Gras verströmt, und unter anderem ein Bestandteil von Lavendelduft ist, scheint laut den Forscher:innen das Vertrauen in andere Menschen zu stärken. Wer also nach frisch gemähtem Gras riecht, wirkt demnach vertrauenserweckend auf andere.

Die soziale Seite der Düfte

Abhängig von den Gefühlslagen sendet der Körper also unterschiedliche Moleküle aus, die den Geruch, den wir über die Haut abgeben, verändern. Dieser Körpergeruch kann auf andere positiv oder negativ wirken. Inwiefern ist uns das bewusst?

Bettina Pause, Professorin für Psychologie an der Universität Düsseldorf, ist der Ansicht, dass es uns selten auffällt, warum wir jemanden gut riechen können oder auch nicht. Unbewusst werden auch die Gerüche bei der Partner:innenwahl wahrgenommen, etwa, wenn Männer Frauen, die gerade den Einsprung haben, attraktiver finden, oder wenn Paare zueinander finden, weil ihre Immunsysteme genetisch verschieden sind, was gesündere Nachkommen ermöglicht.

Auf jeden Fall scheinen Menschen ohne Geruchssinn das Leben anders wahrnehmen, als all jene ohne diese Beeinträchtigung. So berichtete die US-Archäologin Chrissi Kelly, die nach einer Virusinfektion vorübergehend ihren Geruchssinn verloren hatte, im „Spektrum der Wissenschaft“ über ein Gefühl des Losgelöstseins vom Rest der Welt. Der Geruchssinn, sagt sie, sei etwas, was uns mit der Natur und unserer Familie verbinde, und dass wir ohne nicht voll und ganz am täglichen Leben teilnehmen könnten. Sie habe in diesem Zeitraum die tiefe Freude, einen geliebten Menschen zu umarmen und sein persönliches Aroma aufzunehmen vermisst, wird Kelly in dem Bericht zitiert: „Ein Leben ohne Geruchssinn war für mich zutiefst verwirrend“.

Der Geruchssinn ist somit eine ganze Dimension des Lebens, vor allem auch wegen seiner sozialen Komponente. Daher kann es unser Dasein nachhaltig bereichern, wenn wir uns mit den Düften, die uns umgeben, auseinandersetzen. Zumindest mit denen, die uns bewusst in die Nase steigen.


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Infos und Quellen

Quellen

  • Plos One: How emotional changes affect skin odor and its impact on others
  • Brain and Behaviour: The scent of emotions: A systematic review of human intra- and interspecific chemical communication of emotions
  • Frontiers: The Subtle Signaling Strength of Smells: A Masked Odor Enhances Interpersonal Trust
  • Sage Journals: A Sniff of Happiness
  • Scientific Reports What does the nose know? Olfactory function predicts social network size in human
  • Ruhr Universität Bochum: Die Wissenschaft hinter dem Duft

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