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Von Klimakatastrophen und Wahlkampf­unterbrechungen

5 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© Illustration: WZ

Seit Jahrzehnten wird vor Unwettern wie den in den vergangenen Tagen gewarnt. Vom ersten Moment an hätte die Politik langfristige Entscheidungen treffen müssen, um das Schlimmste zu vermeiden.


Nächste Woche sind Nationalratswahlen. Alle paar Jahre das gleiche Spiel: Die einen, die grade noch in der Regierung sitzen, sagen, wie leiwand sie sind und dass das Land doch bitte Stabilität braucht, die anderen, wie mies die Regierung agiert hat und dass es einen Wandel braucht.

Am vergangenen Wochenende war der Wahlkampf unterbrochen: Nicht enden wollende Regenfälle und Stürme führten zu nie dagewesenen Überschwemmungen, in höheren Lagen gab es meterweise Neuschnee, Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet erklärt, unzählige Menschen sahen die Grundlagen ihrer Existenz davonschwimmen, mehrere Menschen starben.

Jede Emotion ist nachvollziehbar. Angst, Trauer und Wut, wenn der Schock mal vorbei ist.

Diese Sprachlosigkeit, wie schnell die Natur für Zerstörung sorgen kann.

Die Hilflosigkeit, die oft von unbändiger Wut abgelöst wird. Und in der Wut trifft man oft nicht ganz so rationale Entscheidungen. Wie oft hab‘ ich in den letzten Tagen gelesen, mit welcher Partei das nicht passiert wäre und welche Partei zwar Mitgefühl mit den (einheimischen) Opfern des Unwetters gezeigt hat, aber wenn‘s darum ging, einzugestehen, dass es einen Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel gibt: Hände nach oben und Schulter zucken. Nö, sowas gibt es doch gar nicht, es ist halt … nass.

Das ist kein Hochwasser, das ist die Klimakatastrophe

Ja, durch die Wetterlage hätte es so oder so geregnet und gestürmt. Aber dass so derartig viel runterkübelt, hat sehr wohl etwas mit der Erd- oder in dem Fall eigentlich Meereserwärmung zu tun. Irgendwo auf X schrieb jemand, das ist kein Hochwasser, das IST die Klimakatastrophe.

Das ist jetzt übrigens ein guter Zeitpunkt in der Kolumne, um an die Worte von Bundeskanzler Karl Nehammer – zynischerweise gesagt bei einer „Rede zur Zukunft der Nation“ im Frühjahr 2023 – zu erinnern: „Und diese Untergangs-Apokalypse, die gezeichnet wird, das glaube ich, ist schon Aufgabe der politisch Verantwortlichen, dieser klar entgegenzutreten – zu sagen, so wie der Untergang skizziert und behauptet wird, dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis.“

Doch, es gibt ihn. Seit Jahren. Die ÖVP sieht das aber halt nicht so ganz ein, weil ihre gutverdienende Klientel zu den Hauptverschulder:innen gehört. Kann man denen doch so nicht sagen, oder?

Apropos Klientel: Frau Ursula Stenzel von der FPÖ stellte auf X den Rekord für jenseitige Schwurbelei im Zug des Hochwassers auf. Sie schrieb unter den Tweet eines Mannes, der das komplett unter Wasser stehende Böheimkirchen zeigte: „Fühle mit ihnen, aufrichtig! Kenne das idyllische Danken wir dem Bundesheer, das hier mithilft. Die Klimaideologen helfen in so einer Situation auch nicht. Die Sonne mit ihren Magnetstürmen läßt sich davon leider nicht beeindrucken! Aber vielleicht wäre eine bessere Ansiedelungspolitik sinnvoll!“

Der Tweet ist Wort für Wort abgeschrieben, inklusive Rechtschreibfehler und Satzlabyrinth. Versteht ihr das? Ich nicht. Das Traurige ist: Auch sie beeindruckt damit ihr Klientel.

Die Magnetstürme sind also schuld

Die Magnetstürme der Sonne sind schuld, es gibt keine wissenschaftlichen Beweise, he, wir waren‘s nicht, wir haben nix damit zu tun. Das ist der Moment, wo dann auch bei mir die Wut aufkommt – wie kann man so verblendet sein, und so seinem eigenen Publikum nach der Schnauze reden? Wem genau ist damit geholfen? Ebenjenem Publikum nicht. Das ist wohl grad mit Keller auspumpen beschäftigt. Um dann bei der Wahl für eine Mehrheit für genau die Parteien zu sorgen, die garantiert nicht dafür sorgen werden, dass wir vorm nächsten Hochwasser besser geschützt sind.

Übrigens, wisst ihr, wie das heißt, wenn man Flüssen wieder mehr Raum, mehr Auenlandschaft gibt, damit sie sich im Fall eines Hochwassers ausdehnen können, ohne für massive Zerstörung zu sorgen? Renaturierung. Ja genau, das ist das, für das Ministerin Leonore Gewessler auf EU-Ebene abgestimmt hat, weshalb die ÖVP erfolglos versucht hat, sie zu klagen. Das muss man mal wirken lassen: Eine Regierungspartei hat sich im Jahr 2024 GEGEN mehr Renaturierung gestellt. Lieber noch mehr zubetonieren.

Das ist aber nichts Neues von der ÖVP. Bereits vor über 50 Jahren wetterte und stimmte die Partei gegen den Bau der Donauinsel. Gebaut wurde trotzdem, und seit vergangener Woche hagelt es von allen Seiten spontane Danksagungen dafür, weil Wien damit mal wieder davor bewahrt wurde, abzusaufen.

Klimaveränderung dauert lang. Seit Jahrzehnten wird davor gewarnt, was jetzt Wirklichkeit wurde, vom ersten Moment an hätte man langfristige Entscheidungen treffen müssen, um das Schlimmste zu vermeiden – dazwischen hatten wir Dutzende Bundeskanzler, einmal sogar vier innerhalb von zwei Jahren. Und deren Entscheidungen haben scheinbar immer nur einen Fokus: In maximal fünf Jahren wiedergewählt werden. Größer ist der Teller nicht, über dessen Rand man aber dringend schauen sollte.

„Mit uns regnet's nicht mehr so arg!“

Ich bin ja wirklich neugierig auf die Argumente der einzelnen Parteien in der letzten Woche vor der Wahl, wenn in ganz Österreich die Aufräumarbeiten nach dieser Katastrophe im vollen Gange sein werden. „Wählt uns, mit uns wird’s nicht mehr so arg regnen, versprochen, und außerdem sind eh die Migrant:innen an allem schuld“, das würden manche wohl am liebsten sagen.

Parteien, die anzweifeln, dass wir Menschen ursächlich für den Klimawandel verantwortlich sind, die erklären, es gäbe keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, oder die überhaupt sagen, Klimawandel gibt es gar nicht – solche Parteien sind untragbar. Wir müssen endlich anfangen, uns für eine Politik zu entscheiden, die nicht nur auf schnelle Wahlzuckerl schaut. Sondern die langfristig denkt, vorausschauend agiert und die die Klimakatastrophe als das sieht, was sie ist: das drängendste Problem der Menschheit.

Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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