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Wahlkampf: Warum Migration stärker wirkt als Klimawandel

3 Min
Mit dem immer gleichen Schreckgespenst der „Überfremdung“ liegt die FPÖ auf Platz eins in den Umfragen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

Während Krankenhäuser überlastet sind und Häuser überflutet werden, bleibt Migration das zentrale Thema, das Unsicherheit erzeugt. Was macht es so wahlentscheidend?


Tausende Häuser, die von Sturzfluten überschwemmt werden. Operationen, die wochenlang warten müssen. Kindergärten, die mittags schließen. Baumlose Straßenzüge, die im Sommer zu Hitzefallen werden. Es sind Probleme, die Österreichs Wahlkampf bestimmen müssten. Wäre da nicht das Thema, das den Wähler:innen viel mehr Angst macht: Migration.

Davon profitiert in erster Linie die FPÖ. Mit dem immer gleichen Schreckgespenst der „Überfremdung“ liegt die Partei konstant auf Platz eins in den Umfragen. Aber warum schürt Migration mehr Angst als etwa der Klimawandel, wo doch weit mehr Menschen an extremer Hitze sterben als etwa bei islamistischen Anschlägen?

Das Geheimnis des Wahlerfolgs

„Positiv-Wahlkämpfe funktionieren nicht“, sagt Verhaltensforscher Kurt Kotrschal zur WZ, „wer gewählt werden will, muss den Wähler:innen Angst machen. Wenn das gelingt, hat man gewonnen.“

Hat der Mensch einmal Angst, sind humanitäre Ansprüche schnell vergessen. „Das menschliche Gehirn kann nicht gleichzeitig in einer Krisensituation sein und sozial denken“, erklärt Kotrschal. Negative Emotionen lähmen das Denken. „Deshalb funktioniert Angst in der Politik so gut.“

Das Fremde löst erstmal Angst aus, das müssen wir akzeptieren.
Stephan Doering, Vorstand für Psychoanalyse am Wiener AKH

Schon Sigmund Freud erkannte 1920 in seinem Werk „Jenseits des Lustprinzips“, dass menschliches Verhalten nicht nur durch Lust, sondern auch durch destruktive Kräfte gesteuert wird, die sich in Abwehr und Aggression äußern können. Freud sprach von einem „Todestrieb“, der tief in den Ängsten der Menschen verwurzelt ist.

Die Kontrolle unserer Impulse

„Das Fremde löst erstmal Angst aus, das müssen wir akzeptieren“, sagt Stephan Doering, Vorstand der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie am Wiener AKH, „die Frage ist nur, wie wir damit umgehen.“ Die Lösung sei jedenfalls nicht, diese Ängste und Unsicherheiten zu verdrängen. „Menschlichkeit heißt, diese Impulse zu kontrollieren.“

Populistische Parteien behaupten das Gegenteil: „Sie sagen, es sei in Ordnung, Impulsen freien Lauf zu lassen und aggressiv zu reagieren.“ Besonders empfänglich dafür sind Menschen, die kaum Kontakt zu Migrant:innen haben, „die schreien am lautesten“, sagt Doering.

Der Erfolg der Rechtsextremen

Es ist ein Phänomen, das sich zuletzt in Deutschland gezeigt hat, wie die Forschungsgruppe Wahlen untersuchte. Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen war Migration dominierendes Thema, obwohl dort weniger Migrant:innen leben als in anderen deutschen Bundesländern. Das Ergebnis: Die rechtsextreme Partei AfD gewann in Thüringen und belegte in Sachsen den zweiten Platz.

Fremdenfeindlichkeit löst heute keine Probleme mehr.
Ökologe Tom Oliver

Die Angst vor dem Fremden liegt für den Ökologen Tom Oliver am Hormon Oxytocin. „In unserer eigenen Gruppe sorgt es für mehr Mitgefühl, intensiveren Augenkontakt und stärkere Zuneigung“, sagt er. Gegenüber Fremden verstärkt das Hormon jedoch die Ablehnung. „Wir empfinden mehr Aggression und sind gewaltbereiter.“

Das Hormon aus der Urzeit

Zu Urzeiten sicherte die Mischung aus Liebe nach innen und Ablehnung nach außen das Überleben. „Gesellschaften mit knappen Ressourcen, die das Gefühl haben, von außen bedroht zu werden, müssen zusammenhalten und sich verteidigen können“, erklärt Oliver. Deshalb wählen schwache Gruppen Anführer:innen, die Stärke demonstrieren und abschreckend wirken.

Doch was in der Urzeit hilfreich war, ist heute eine Fehlanpassung. „Fremdenfeindlichkeit löst heute keine Probleme mehr“, sagt der Ökologe, „die größten Probleme der Menschheit können nur gelöst werden, wenn wir international kooperieren.“


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Infos und Quellen

Genese

Die beiden WZ-Redakteur:innen Eva Stanzl und Bernd Vasari fragten sich, warum das Thema Migration bei den Wähler:innen immer am besten ankommt.

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