Die Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer lassen die Transportpreise und Lieferzeiten steigen. Hat der Konflikt im Suez-Kanal bald auch Auswirkungen auf Verbraucherpreise?
Es ist ein Schauplatz, der nach der Eskalation des Nahost-Konfliktes im Oktober 2023 anfangs wenig Beachtung fand: die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer. Doch jetzt haben die Attacken auf Handelsschiffe wirtschaftliche Folgen. Ikea informierte im Dezember, dass es dadurch zu Verzögerungen bei den Lieferungen und der Verfügbarkeit von Produkten kommen werde. Tesla pausiert in seiner Gigafactory Berlin-Brandenburg die Fertigung seiner Elektroautos und Batterien von 29. Jänner bis 11. Februar. Die deutsche Handelskette Aldi rechnet mit Lieferverzögerungen, da viele Non-Food-Produkte aus Asien zugekauft werden.
Warum die Schiffstransporte blockiert werden
Hinter dieser geopolitischen Anspannung im Roten Meer steht der Versuch, Druck auf Politik und Wirtschaft auszuüben. Die Huthi-Rebellen sind eine antiisraelische Bewegung aus dem Jemen, die dort große Teile des Nordens kontrollieren. Die Rebellen werden vom Iran unterstützt und zählen nach Schätzungen bis zu 200.000 bewaffnete Kämpfer.
Die Huthis unterstützen die Palästinenser:innen, weshalb gezielt Handelsschiffe im Suez-Kanal angegriffen werden. Zunächst hieß es, dass nur Schiffe auf dem Weg nach Israel das Ziel seien, doch die Attacken dürften sich ausgeweitet haben. Die Rebellen wollen ihre Angriffe erst einstellen, wenn Israel seine Offensive gegen die Hamas in Gaza beendet.
Frachtverkehr im Suez-Kanal bricht ein
Die 163 Kilometer lange Passage im Roten Meer ist eine der wichtigsten Strecken für den Welthandel. Es ist der kürzeste Weg für Schiffstransporte zwischen Asien und Europa, zwischen 12 und 15 Prozent des globalen Handels führen laut United Nations durch den Suez-Kanal. Die Schiffstransporte über das Rote Meer sind seit Beginn der Attacken UN-Zahlen zufolge um 42 Prozent eingebrochen. Die Transportkosten für Alternativrouten haben sich seit Dezember 2023 verdreifacht. Die Umwege kosten die Unternehmen aber nicht nur Geld, sondern auch Zeit: Der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung bedeutet eine 6.000 Kilometer längere Transportreise.
Um größere Schäden zu vermeiden, hat sich die EU jüngst auf einen Militäreinsatz im Roten Meer geeinigt, der im Februar starten soll. Wie stark die Anspannungen im Suez-Kanal den internationalen Handel und die Preise beeinflussen werden, hängt davon ab, wie lang sie noch andauern. Dass die finanziellen Auswirkungen und Lieferverzögerungen noch nicht signifikant sind, erklären die Ökonomen damit, dass die Frachtbranche sich nach den Lieferkettenproblemen in der Pandemie und der Kanalblockade vor drei Jahren besser für solche Vorfälle gerüstet hat. Es gibt aber noch einen Risikofaktor: der Klimawandel. Aufgrund niedriger Wasserstände ist der Schiffstransport um 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken.
Auswirkungen auf Konsument:innen
Die wirtschaftlichen Folgen sehen Ökonomen trotzdem noch nicht dramatisch. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft bestätigt den Einbruch der Frachtmenge über den Suez-Kanal, das globale Handelsvolumen ist demnach im Dezember um 1,3 Prozent gesunken. Direktor Julian Hinz beruhigt aber: „Trotz merklichem Anstieg der Transportkosten sind keine spürbaren Folgen für die Verbraucherpreise in Europa zu erwarten, zumal der Anteil der Frachtkosten am Warenwert hochpreisiger Artikel etwa im Bereich Consumer-Elektronik nur im Promillebereich liegt.“ Die aktuelle Situation sei nicht mit der Blockade des Kanals durch ein Containerschiff im Jahr 2021 vergleichbar. Auch die österreichischen Forschungsinstitute IHS und WIFO gehen nur von niedrigen Auswirkungen auf die Preise aus. Selbst Ikea gab im Jänner bekannt, trotz der Herausforderungen dieses Jahr Preise zu reduzieren.
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Infos und Quellen
Quellen
UN News: The Red Sea shipping crisis is having a ‘dramatic’ impact
Kiel Institut für Weltwirtschaft: Kiel Trade Indicator Januar 2024
Daten und Fakten
Im November 2023 wurden täglich noch 500.000 Container über den Suez-Kanal transportiert, Anfang Jänner waren es nur noch 200.000 Container.
Die Strecke über das Rote Meer nach Europa macht zwölf Prozent des Welthandels aus.
Seit Beginn der Angriffe durch die Huthi-Rebellen sind die Transporte um 42 Prozent eingebrochen.
Bei den Verbraucherpreisen sind die aktuellen Lieferprobleme noch nicht angekommen.
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