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Warum es mit der Wirtschaft noch immer nicht bergauf geht

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Droht die nächste Rezession? Die heimische Wirtschaft will und will sich nicht erholen.
© Illustration: WZ

Die Aussichten für die heimische Konjunktur sind nach dem vorsichtigen Optimismus zum Jahresanfang wieder getrübt. Und ein großer Aufschwung ist für die nächsten Jahre nicht zu erwarten.


Der Tiefpunkt ist erreicht, informierten die heimischen Wirtschaftsforscher:innen Ende 2023, für 2024 sagten sie einen langsamen Aufschwung voraus. In den vergangenen vier Monaten hat sich die heimische Wirtschaft allerdings nicht so entwickelt wie erwartet. Könnte uns auch im aktuellen Jahr eine Rezession drohen?

Stagnation statt Rezession

Die kurze Antwort: nein. Zumindest die aktuellen Prognosen gehen nicht von einem neuerlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung aus. 2023 lag der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts je nach Berechnungen zwischen 0,7 und 0,8 Prozent. Dieses Jahr sollte die Wirtschaft mit 0,8 Prozent wieder leicht wachsen, prognostizierten das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) noch im Dezember.

Jetzt hat das WIFO in der Anfang Mai veröffentlichten Mittelfristprognose diese Zahl nach unten korrigiert: Statt 0,8 Prozent soll die Wirtschaft nur noch um 0,2 Prozent wachsen. Damit befinden wir uns zwar nicht mehr in einer Rezession, aber in einer Stagnation. So bezeichnet man die Phase eines sehr geringen Wirtschaftswachstums.

Bau und Industrie kriseln weiter

Warum erholt sich die Wirtschaft langsamer als erwartet? Während der Sektor Dienstleistungen sich schon vergangenes Jahr erholt hat, befindet sich die Industrie nach wie vor in einer Rezession. Im ersten Quartal 2024 lag die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent höher als im vierten Quartal 2023.

Der Grund dafür ist unter anderem, dass die Zinsen in der Eurozone weiterhin hoch sind und deshalb Investitionen in der Industrie, aber auch in der Baubranche gebremst bleiben. Seit September 2023 steht der Leitzins bei 4,5 Prozent, mit Erhöhungen ist nicht mehr zu rechnen. Stattdessen rechnen Analyst:innen damit, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins im Juni senken und damit nach zwei Jahren eine Zinswende einleiten wird.

Belastung für den Arbeitsmarkt

Trotz dieser Aussichten bleibt die Konjunkturprognose des WIFO für die nächsten Jahre verhalten. 2025 dürfte das BIP um 1,8 Prozent gegenüber heuer ansteigen. In den darauffolgenden Jahren geht das Wachstum laut der Analyse wieder zurück, 2028 soll das BIP-Plus 1,1 Prozent betragen. Die Inflation geht langsam zurück, damit werden die Konsumausgaben in den nächsten Jahren die Wirtschaft ankurbeln.

Die schwache Konjunktur belastet auch den Arbeitsmarkt. Ende April waren laut dem Arbeitsmarktservice in Österreich 11,2 Prozent mehr Menschen arbeitslos gemeldet als ein Jahr zuvor. Das WIFO rechnet in seiner jüngsten Prognose damit, dass die Arbeitslosenquote 2024 um 0,3 Prozentpunkte auf 6,7 Prozent ansteigen wird, erst 2027 soll sie wieder unter sechs Prozent liegen.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit

Übrigens sehen auch internationale Prognosen das Wachstum der heimischen Wirtschaft betrübt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) korrigierte Anfang Mai die Erwartungen für das globale Wirtschaftswachstum leicht nach oben auf 3,1 Prozent. Für Deutschland und Österreich rechnet die OECD jedoch nur mit einem Plus von 0,2 Prozent. Das Jahr darauf soll es mit einem Plus von 1,5 Prozent in Österreich und 1,1 Prozent in Deutschland wieder bergauf gehen. Die OECD empfiehlt in ihrem Bericht Strukturreformen, um die heimische Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen. Dazu zählt die Organisation unter anderem die Ausweitung der Kinderbetreuung und die Lockerung der Zugangsvoraussetzungen für bestimmte Berufsgruppen.

In eine ähnliche Kerbe schlägt das Beratungsunternehmen Deloitte mit einer aktuellen Umfrage zum Wirtschaftsstandort Österreich. Demnach habe sich im Vergleich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs Platzierung seit zehn Jahren kaum geändert. Neben mehr Anreizen für den Arbeitsmarkt empfehlen die Studienautor:innen die Senkung von Lohn- und Einkommenssteuern und der Lohnnebenkosten für Unternehmen sowie mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Weiter hohe Zinsen und Inflation sowie geopolitische Anspannungen sind also insgesamt die Gründe dafür, warum sich der Wirtschaftsaufschwung doch verzögern wird. Dass es aber auch in den nächsten Jahren den Prognosen zufolge keine großen Sprünge geben wird, liegt eher an langfristigen Herausforderungen, wie etwa der demografische Wandel, Fachkräftemangel und die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • 2024 soll das Wirtschaftswachstum laut WIFO nur mehr 0,2 Prozent betragen, Ende 2023 lag die Prognose noch bei 0,8 Prozent.

  • Während der Dienstleistungssektor wächst, befindet sich die Industrie weiterhin in einer Rezession: Die Bereiche Handel, Verkehr, Gastronomie und Beherbergung verzeichneten im ersten Quartal 2024 ein Plus von 0,8 Prozent, die Bauwirtschaft hingegen ein Minus von 1,1 Prozent.

  • Die Arbeitslosenquote könnte erst 2027 wieder unter sechs Prozent liegen.

Quellen

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