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Warum immer mehr Menschen mieten

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Die Eigentumsquote, also der Anteil jener, die eine Wohnung oder ein Haus besitzen, ist in Österreich schon länger rückläufig.
© Illustration: WZ

Die Preise für Immobilien sinken seit einiger Zeit, aber auch die Eigentumsquote sinkt. Das Eigenheim wird durch Teuerung und schwierigere Finanzierung vor allem für junge Menschen immer schwerer erreichbar.


Mieten oder kaufen ist für viele eine große Entscheidung – aber auch eine, die nicht alle selbst treffen können. Die steigenden Zinsen für Kredite und die neuen Vergaberichtlinien sowie die Inflation sorgen dafür, dass der Traum vom Eigenheim schwerer in die Realität umgesetzt werden kann. Am Immobilienmarkt sind die Zeiten des Booms vorbei, und jüngere Menschen leben eher in Mietwohnungen.

Nachfrage bei Häusern eingebrochen

Im ersten Halbjahr 2023 wurden laut Re/Max Immospiegel 58.195 Objekte verkauft, das sind 21,6 Prozent weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum. Der stärkste Rückgang wurde bei Reihenhäusern und Doppelhaushälften verzeichnet. Besonders bei Immobilien im Bereich von 400.000 bis einer Million Euro sei die Nachfrage eingebrochen, berichtet Re/Max Austria. In der Hauptstadt Wien haben die Immobilienverkäufe das Niveau von 2015 erreicht.

Die neuen Vergabestandards für Kredite traten im zweiten Halbjahr 2022 in Kraft, seither ist die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen bei Banken laut Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) rückläufig – weshalb die Finanzinstitute für eine Lockerung der Richtlinien plädieren. Die strengere Kreditvergabe wirkt sich mittlerweile auch auf die Preise aus: Im ersten Halbjahr gingen laut dem Wohnimmobilienpreisindex die Preise um 2,3 Prozent zurück. Die Eigentumsquote, also der Anteil jener, die eine Wohnung oder ein Haus besitzen, ist in Österreich schon länger rückläufig: 2010 lag sie bei 50,2 Prozent, 2022 bei 47,9 Prozent. Die Mietquote stieg vergangenes Jahr um 0,6 Prozent auf 43,2 Prozent. Auch wenn die Entwicklung nicht drastisch ist, zeigt sich eine Tendenz: Der Anteil der Eigentümer:innen sinkt, der Anteil der Mieter:innen steigt.

„Wir beobachten eine verstärkte Nachfrage am Mietmarkt und eine Stagnation am Kaufmarkt. Beim Mietmarkt ist es so, dass vor allem im Segment der 60- bis 80-Quadratmeter-Wohnungen die Nachfrage enorm ansteigt, das Angebot aber zurückgeht“, berichtet Markus Dejmek, Österreich-Chef der Plattform Immoscout24. Das Angebot dieser Größenordnung sei in Wien im ersten Halbjahr um 23 Prozent gesunken, die Nachfrage aber um 31 Prozent gestiegen: „Wir sind immer noch weit von der schwierigen Lage für Mieter:innen in Deutschland entfernt. Aber für Suchende wird es aktuell gerade schwieriger, auf dem freien Markt eine geeignete Wohnung zu finden", so Dejmek.

Wohnkosten belasten Mieter:innen mehr

Betrachtet man die Preisentwicklung und den Nachfrageeinbruch am Immobilienmarkt, so wäre theoretisch eine gute Zeit zum Kaufen. Die Inflation bedeutet für viele Haushalte, vor allem junge, finanzielle Herausforderungen. Hinzu kommt, dass Mieter:innen mit höheren Wohnkosten belastet sind als Eigentümer:innen, auch wenn diese Kreditraten zahlen.

Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag des Sozialministeriums 2020. Demnach haben Eigentumsbesitzer:innen durchschnittlich 448 Euro Wohnkosten im Monat und 4.419 verfügbares Einkommen. Mieter:innen haben 646 Euro Wohnkosten monatlich und verfügen über 2.877 Euro Einkommen. Der Anteil der Wohnkosten am Einkommen ist bei ihnen mit 22,4 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei den Immobilienbesitzer:innen. Bei jungen Haushalten mit Personen unter 35 Jahren ist die Belastung tendenziell noch höher.

Eigentum in Österreich noch immer attraktiv

Diese Analyse ist laut Studienautor Emanuel List grundsätzlich noch aktuell: „Jedoch ist aufgrund des Zinsanstieges die Lage etwas verändert. Haushalte mit variablen Krediten haben nun sicher deutlich höhere Wohnkosten.“ Haushalte mit fixen Krediten profitieren dafür stark: Sie haben durch die Lohnerhöhungen aufgrund der Inflation eine vergleichsweise geringe Zinsbelastung, merkt der WU-Ökonom an.

„Immobilienpreise sind deutlich stärker gestiegen als Einkommen und Mieten in den letzten zehn Jahren. Deshalb spielt Vermögen, vor allem auch in Form von Erbschaften, eine immer wichtigere Rolle beim Erwerb einer Immobilie“, betont List. An sich sei ein Immobilienkauf in Österreich sehr attraktiv: „Die Steuerbelastung ist im internationalen Kontext äußert gering.“ Um den Erwerb von Immobilien zu fördern, brauche es aber eine Entlastung der Lohneinkommen und Mieter:innen, damit diese das entsprechende Vermögen ansparen können. „Berücksichtigt man allgemein die Besteuerung von Investmentkategorien, zeigt sich, dass es ein steuerpolitisches Ungleichgewicht zugunsten von Wohneigentum gibt. Auch Österreich stellt hier keine Ausnahme dar”, erklärt der Vermögensexperte.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner

  • Emanuel List, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut Economics of Inequality der Wirtschaftsuniversität Wien

  • Markus Dejmek, Österreich-Chef der Immobilienplattform Immoscout24

Daten und Fakten

77,4 Prozent der 15- bis 29-Jährigen in Österreich lebten 2021 laut Statistik Austria in Miete, bei den Bevölkerungsgruppen ab 50 Jahren mieten weniger als 40 Prozent.

Die Miete pro Quadratmeter inklusive Betriebskosten stieg vom 1. Quartal 2010 bis zum 1. Quartal 2023 um 51,7 Prozent.

Die Preise für Immobilien haben sich in dem Zeitraum mehr als verdoppelt, sinken seit Ende 2022 allerdings.

Quellen