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Warum Trinkgeld jetzt so heiß diskutiert wird

3 Min
Einer aktuellen Umfrage zufolge geben 72 Prozent der Konsument:innen oft Trinkgeld.
© Illustration: WZ

Mit digitalen Bezahlterminals und Registrierkassen wird das Trinkgeld in Österreich von der freiwilligen Spende zur Grundsatzdiskussion.


    • Digitale Bezahlterminals machen Trinkgeld in Österreich zur politischen Diskussion über Steuer- und Abgabenpflicht.
    • Interessensvertreter:innen fordern Abgabenfreiheit, während Kritik auf Auswirkungen auf soziale Leistungen hinweist.
    • 72 % der Konsument:innen geben laut Umfrage oft Trinkgeld, meist 10 % oder je nach Dienstleistung.
    • Trinkgeld in Österreich ist steuer- und sozialversicherungspflichtig, außer einem abgabenfreien Pauschalbetrag (z.B. 58,86 Euro für Kellner:innen in Wien).
    • 72 % der befragten Konsument:innen geben oft Trinkgeld, 87 % tun dies in der Gastronomie.
    • 25 % der Befragten geben grundsätzlich 10 %, 23 % geben 5 % Trinkgeld.
    • Die ÖVP-SPÖ-Neos-Regierung plant eine Evaluierung der Trinkgeldpauschale.
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

10, 15 oder 20 Prozent – oder gar nichts: Wer im Coffeeshop oder beim Take-away-Mittagessen mit Karte zahlt, erlebt oft diesen unangenehmen Moment der Frage nach dem Trinkgeld. Gerade diese Bezahlterminals machen das Trinkgeld zu einer politischen Diskussion.

Trinkgeld ist in Österreich grundsätzlich abgabenpflichtig, für die eingenommenen Beträge müssen Arbeitgeber:innen also Sozialversicherung und Steuern zahlen. Abgabenfrei ist nur ein Pauschalbetrag, der je nach Berufsgruppe und Bundesland unterschiedlich geregelt ist. Für Kellner:innen in Wien sind 58,86 Euro abgabenfrei, der Betrag wurde vor 20 Jahren festgelegt.

Die Abgaben sind allerdings nur möglich, wenn die Trinkgelder von den Unternehmen eingenommen und abgewickelt werden. In der Vergangenheit landete das Trinkgeld oftmals direkt als Bargeld bei den Mitarbeiter:innen selbst, das hat sich mit der Registrierkassenpflicht und der vermehrten Kartenzahlung in den vergangenen Jahren allerdings stark geändert. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) kontrolliert Berichten zufolge seither betroffene Betriebe vermehrt und konfrontiert diese mit Nachforderungen.

Pro und Kontra der Abgabenbefreiung

Die ÖVP-SPÖ-Neos-Regierung hat diese Herausforderung in ihrem Regierungsprogramm erwähnt und will eine „Evaluierung und praxistaugliche Ausgestaltung der Regelungen für die Trinkgeldpauschale“. Jetzt kommen die Forderungen der Interessensvertreter:innen: Harald Mahrer, Präsident der österreichischen Wirtschaftskammer, und die niederösterreichische ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fordern eine Befreiung von allen Steuern und Abgaben, Politiker:innen der SPÖ und Neos schließen sich diesem Vorschlag an.

Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) begegnet diesen Forderungen vorerst zurückhaltend. Er gibt zu bedenken, dass die Abschaffung der Abgaben auch die sozialen Leistungen beeinflussen würde: „Wenn man weniger einzahlt, werden auch Pension und Arbeitslosengeld niedriger.“ Darauf weist auch Oliver Picek, Ökonom beim Arbeiterkammer-nahen Momentum Institut, in einem Kommentar hin: „Will man das Problem an der Wurzel bekämpfen, müssen wir über faire Löhne sprechen, nicht darüber, wie Beschäftigen mehr vom Trinkgeld bleibt.“

Wie viel Trinkgeld ist üblich?

Neben dem politischen Aspekt geht es hier auch um einen gesellschaftlichen: In Österreich gibt es keine offizielle Trinkgeldkultur, wie es sie zum Beispiel in den USA gibt. Dort sind die Grundgehälter so gering, dass ein Trinkgeld von 15 bis 20 Prozent beinahe obligatorisch ist. Hierzulande sind Trinkgelder freiwillige Spenden. Gebräuchlich sind 10 Prozent sowie das Aufrunden der Beträge.

Die Konsument:innen sind laut einer Umfrage der Österreichischen Hotelvereinigung spendierfreudig, 72 Prozent der rund 1.000 befragten Personen geben demnach oft Trinkgeld. Am häufigsten ist das Trinkgeld mit 87 Prozent in der Gastronomie, gefolgt vom Friseursalon mit 63 Prozent. Bei 21 Prozent der Befragten ist die Höhe des Trinkgelds von der Dienstleistung abhängig, 25 Prozent geben grundsätzlich 10 Prozent, 23 Prozent geben 5 Prozent als übliche Trinkgeldhöhe an. Die Trinkgeldoptionen an den Kartenterminals sorgen jedenfalls nicht nur ein Nachdenken beim Zahlen, sondern schaffen auch mehr Transparenz bei der Bezahlung in Dienstleistungs- und Gastroberufen.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • Trinkgeld ist abseits von einem Freibetrag in Österreich steuer- und sozialversicherungspflichtig.
  • Die Abgaben sind derzeit je nach Berufsgruppen und Bundesland unterschiedlich geregelt, das Sozialministerium arbeitet derzeit an einer bundesweiten Regelung.
  • Einer aktuellen Umfrage zufolge geben 72 Prozent der Konsument:innen oft Trinkgeld.

Quellen

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